:: 10/2008

Kommunen und Unternehmen auf dem Weg zur Familienfreundlichkeit

Die RegioKonferenzen und weitere Serviceangebote der FamilienForschung Baden-Württemberg

Familienfreundlichkeit hat sich in Zeiten gravierender demografischer Umbrüche und einer breiten gesellschaftlichen Bildungsdiskussion zu einem wesentlichen Standortfaktor entwickelt – sowohl im Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Fachkräfte als auch im zunehmenden Wettbewerb der Kommunen als Wohn- und Wirtschaftsstandort. Gefragt sind kreative Ideen und eine gezielte strategische und fachliche Unterstützung in der Planung und Umsetzung von Maßnahmen. Die FamilienForschung Baden-Württemberg (FaFo) bietet ein breites Angebot an Beratungs- und Serviceleistungen für Kommunen und Unternehmen, die ihr familienfreundliches Profil weiter schärfen wollen. An derzeit über 50 Beratungsstandorten in Baden-Württemberg und in zahlreichen Veranstaltungen mit mittlerweile mehreren Tausend Beteiligten unterstützt die FamilienForschung Kommunen und Unternehmen auf dem Weg zur Familienfreundlichkeit.

Nicht allerorts muss das Rad neu erfunden werden: Gelungene Modellprojekte und kreative Ideen zur Familienfreundlichkeit sind oft nicht weit entfernt und sogar in unmittelbarer Nachbarschaft zu finden. Oftmals fehlt es aber an passenden Gelegenheiten oder an einem Forum, um Ideengeber und Ideensuchende zusammenzubringen. Auf diesem Feld hat die FamilienForschung Baden-Württemberg über ihre statistisch fundierten Analysen hinaus die Aufgabe übernommen, Kommunen und Unternehmen auf dem Weg zur Familienfreundlichkeit zu informieren und zu beraten. Dieses geschieht derzeit über vier Serviceangebote:

RegioKonferenzen fördern Erfahrungsaustausch und Kooperation

Die »RegioKonferenzen für Familienfreundlichkeit« bieten eine Plattform für den Erfahrungsaustausch im Landkreis und in der Region und sind ein Angebot, gemeinsam das familienfreundliche Profil in den Regionen Baden-Württembergs weiter zu schärfen.

Ziel der eintägigen Arbeitskonferenzen ist es, Entscheidungsträger aus den Kommunen, Unternehmen, Kirchen, Verbänden sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger zusammenzuführen, den Austausch und die Kontaktaufnahme unter den Akteuren in der Region zu fördern sowie Kooperationen für neue familienfreundliche Projekte und Initiativen anzuregen. Auf dem Podium und in zahlreichen Workshops wird erörtert, wie wichtige Arbeitsfelder zur Kinder- und Familienfreundlichkeit weiter vorangebracht werden können. Bürgermeister, Unternehmer und andere Verantwortliche diskutieren über erfolgreiche Entwicklungslinien für die Region. Praktiker berichten über wegweisende Kooperationsmodelle und nachhaltige Veränderungsprozesse.

Partner der RegioKonferenzen sind die Regionen und ihre Landkreise, die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, Lokale Bündnisse für Familien und andere regionale Akteure. Die RegioKonferenzen sind Teil der Initiative »Schritt für Schritt ins Kinderland« und werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg gefördert.

RegioKonferenzen in Offenburg, Stuttgart und Ulm mit guter Resonanz

Drei RegioKonferenzen haben bislang stattgefunden: für die Region Südlicher Oberrhein am 22. Juni 2007 im Landratsamt Offenburg, für die Region Stuttgart am 21. Februar 2008 im Veranstaltungszentrum SpOrt Stuttgart und für die Region Donau-Iller am 23. April 2008 bei der Industrie- und Handelskammer Ulm. Insgesamt sind bislang über 600 Entscheider/-innen und Fachvertreter/-innen zusammengekommen. Weitere RegioKonferenzen sind für die Region Nordschwarzwald in Calw am 27. November 2008 und für die Region Neckar-Alb in Reutlingen am 29. April 2009 geplant (Schaubild).

Das Veranstaltungskonzept mit Impulsvortrag, Podiumsdiskussion und zahlreichen Workshops mit Praktikern hat sich bei den bisherigen RegioKonferenzen gut bewährt, so auch die Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die thematischen Akzente sind bei jeder RegioKonferenz anders gesetzt und abhängig von der örtlichen Ausgangslage.

Im Mittelpunkt der ersten RegioKonferenz in Offenburg stand die Frage, wie sich Familienfreundlichkeit als Standortvorteil für die Region Südlicher Oberrhein ausbauen lässt und wie die Arbeit der Lokalen Bündnisse für Familie in der Region weiter unterstützt werden kann. Das Ortenauer Bündnis stellte seinen neuen »Zielkatalog für Kinderbetreuung und Bildung« vor, der beispielhaft in Appenweier, Offenburg und Willstätt umgesetzt wird. Das Bündnis Breisgau-Hochschwarzwald zeigte, wie sich kleine und mittelständische Unternehmer bei Betriebsbesichtigungen für das Thema Familienfreundlichkeit gewinnen lassen. Ein neuer Impuls kam auch von den österreichischen Nachbarn: Die Österreichische Familienallianz stellte ihr Auditierungsverfahren für familienfreundliche Kommunen vor.

Zentrales Thema der RegioKonferenz in Stuttgart waren »Neue Kooperationen zur Familienfreundlichkeit«. Zahlreiche erfolgreiche Kooperationsmodelle von Unternehmen und Kommunen wurden vorgestellt. So berichteten beispielsweise der Bürgermeister aus Leinfelden-Echterdingen und ein Vertreter der T-Systems GmbH über die gemeinsam geschaffenen Betreuungsplätze für Mitarbeiterkinder. Die Daimler AG informierte über ein Projekt zur Berufsorientierung mit der Adalbert-Stifter-Schule in Esslingen, das für die Hauptschüler einen Anschluss in eine Berufsausbildung oder an eine weiterführende Schule ermöglichen soll. Die Alterung unserer Gesellschaft führt auch zu einem erhöhten Bedarf an Dienstleistungen für ältere Menschen. So stellte der Bürgermeister aus Lenningen ein Kooperationsmodell vor, mit dem die Gemeinde die Pflege von Angehörigen in den Familien fördern will.

Bei der RegioKonferenz im Haus der Wirtschaft in Ulm wurden zusätzliche Akzente sowohl auf eine familienfreundliche Personalpolitik (Beispiel der Zentren für Psychiatrie Südwürttemberg) als auch auf die frühe Förderung von Kindern gesetzt. Prof. Dr. med. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ulm, unterstrich die hohe Bedeutung der frühkindlichen Förderung für einen gelingenden Lebens- und Bildungsweg von Kindern. Weitere Erfahrungen und Projekte zeigten, wie bereichernd die Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen ist, sowohl im Bereich der Unterstützung Jugendlicher bei der Berufsfindung (JaZz Biberach) als auch bei der Begleitung von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen (Pflegebegleiter der AWO Neu-Ulm) sowie in der Arbeit der Mehrgenerationenhäuser in der Region.

Zukunftsforen zeigen den Handlungsbedarf

Gemeinden und Städte, die das Thema Kinder- und Familienfreundlichkeit konkret angehen und sich über den Handlungsbedarf informieren wollen, können eine Vor-Ort-Beratung der FamilienForschung Baden-Württemberg in Anspruch nehmen. Im Rahmen des Projekts »Zukunftsforen Familien, Kinder & Kommune« führt die FamilienForschung derzeit in 16 Kommunen und Kreisen halbtägige Informationsveranstaltungen durch, die kommunale Akteure über die Relevanz einer kinder- und familienfreundlichen Kommunalentwicklung informieren und ihnen Handlungsmöglichkeiten zur Umsetzung von Familienfreundlichkeit aufzeigen. Gefördert wird dieses Projekt von der Landesstiftung Baden-Württemberg.

Erste kommunale Entwicklungsprojekte konnten bei den vergangenen Veranstaltungen bereits auf den Weg gebracht werden. Das Thema Kinderbetreuung stand dabei an erster Stelle. In Illmensee, Sontheim an der Brenz, Böhmenkirch und Mühlheim an der Donau werden im Anschluss an das Zukunftsforum die Betreuungsangebote in Kooperation mit den Trägern, Erzieherinnen und Eltern weiterentwickelt.

Weitere Themen, die in den Kommunen angegangen werden, sind Treffpunkte für Jung und Alt, die Verbesserung der Transparenz über vorhandene Angebote und die Einrichtung von örtlichen Informations- und Anlaufstellen für Familien. Auch die Förderung bürgerschaftlichen Engagements und die Beteiligung der Bürger an der Gestaltung des Wohnumfeldes wurden von den Kommunen als wichtige Handlungsfelder identifiziert. Schwachpunkte wurden in einigen Gemeinden im Bereich der Angebote für Jugendliche sichtbar. Erste Lösungsansätze dazu konnten in den Zukunftsforen erarbeitet werden.

Zukunftswerkstätten entwickeln Handlungskonzepte mit Bürgerbeteiligung

Für Gemeinden und Städte, die mit Beteiligung ihrer Bürgerschaft familienfreundliche Konzepte und Maßnahmen entwickeln und umsetzen wollen, bietet die FamilienForschung Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales die »Zukunftswerkstätten Familienfreundliche Kommune« an. Die Zukunftswerkstatt ist als Verfahren geeignet, wenn eine Kommune das Thema Kinder- und Familienfreundlichkeit breit angehen will, neue Ideen und Vorschläge aufgreifen und zeitnah umsetzen möchte. Die »Zukunftswerkstätten Familienfreundliche Kommune« sind Teil der Initiative »Kinderland Baden-Württemberg« und werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales gefördert.

Das Beteiligungsverfahren »Zukunftswerkstatt« verläuft in drei Schritten: Zunächst werden alle relevanten Kräfte vor Ort (Familien, Alt und Jung, Vertreter/-innen der Kommune, der lokalen Einrichtungen, Betriebe, Kirchen, Vereine und Verbände usw.) zu einer 6-stündigen Auftaktveranstaltung eingeladen, um gemeinsam Ideen, Ziele und Maßnahmenvorschläge zur Familienfreundlichkeit zu erarbeiten. Die Ideen und Vorschläge werden im zweiten Schritt dokumentiert, mit der Kommune beraten und im Gemeinderat präsentiert. Nach der Beschlussfassung steht als dritter Schritt die Umsetzung der Maßnahmen an: Kommune, Bürgerschaft und örtliche Fachleute arbeiten dabei eng zusammen.

Bis Jahresende haben in Baden-Württemberg 30 Zukunftswerkstätten mit über 2 000 Bürgerinnen und Bürgern ihre Arbeit aufgenommen, weitere Zukunftswerkstätten sind im nächsten Jahr geplant. Die Ergebnisse der Zukunftswerkstätten beziehen sich – je nach örtlichem Bedarf – auf das ganze Spektrum kommunaler Familienpolitik. Bisherige Umsetzungsfortschritte sind zum Beispiel: die Einrichtung von Betreuungsangeboten für unter 3-Jährige; Ausweitung der Betreuungszeiten in Kindergarten und Grundschule; Ferienbetreuung für Schulkinder; pädagogische Konzepte für die Tagesbetreuung verschiedener Altersgruppen; Konzeption von »Lokalen Bildungslandschaften«; Konzeption für ein Mehrgenerationenhaus, Helferbörsen »Alt hilft Jung, Jung hilft Alt« mit Notfallbetreuung, Fahrdiensten, Haushaltshilfen; Förderverein für Kinder- und Jugendbildung; Überprüfung der Verkehrssicherheit, Entschärfung von Gefahrenpunkten, Verbesserung der Barrierefreiheit; Anlaufstellen und Informationsangebote für Familien; Leitbild »Familienfreundliche Gemeinde« für künftige kommunalpolitische Beschlüsse u. a. m.

Neues Kompetenzzentrum Beruf & Familie nimmt seine Arbeit auf

Um auch Unternehmen bei der Umsetzung von familienfreundlichen Maßnahmen zu beraten und die örtlichen Aktivitäten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie landesweit zu bündeln, ist die FamilienForschung jüngst mit der Einrichtung des »Kompetenzzentrums Beruf & Familie Baden-Württemberg« beauftragt worden. Das Kompetenzzentrum unterstützt baden-württembergische Unternehmen darin, die Vorteile einer familienbewussten Personalpolitik für sich zu nutzen und bietet dazu ein breit gefächertes Informations- und Beratungsangebot. Das Kompetenzzentrum ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung und wird vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg gefördert.

Zum Auftakt hat die FamilienForschung Ende Juli 2008 das neue Service-Portal www.familienfreundlicher-betrieb.de im Internet freigeschaltet. Das Portal richtet sich an Praktiker aus Unternehmen, Wirtschaftskammern und Kommunen. Es bietet zahlreiche Best-Practice-Lösungen, Arbeitsleitfäden, Netzwerke und Expertenkontakte, die bei der Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen hilfreich sind.

Das Kompetenzzentrum berät darüber hinaus auch vor Ort bei der Entwicklung familienbewusster Konzepte und Maßnahmen und fördert den Aufbau lokaler Netzwerke zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In Freiburg, Isny und Ettlingen kann die örtliche Arbeit in Workshops mit Unternehmens- und Kommunalvertretern bereits erfolgreich unterstützt werden.