:: 5/2009

Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe unter den wirtschaftsstärksten Regionen Europas

Baden-Württemberg ist in der Gruppe der wirtschaftsstärksten Regionen der Europäischen Union (EU) gut vertreten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner zählen mit Stuttgart und Karlsruhe zwei Regierungsbezirke im Land zum Spitzenfeld der Regionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft. Hierzu rechnet das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) jene Regionen, deren Wirtschaftskraft pro Kopf der Bevölkerung kaufkraftbereinigt den EU-Durchschnitt um mindestens 25 % überschreitet.

Vor Kurzem veröffentlichte Eurostat für alle 27 EU-Mitgliedsländer Daten zum regionalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2006 auf der Ebene der sogenannten NUTS-2-Regionen. In Deutschland gehören dazu Regierungsbezirke, Stadtstaaten bzw. Bundesländer ohne Regierungsbezirkseinteilung wie zum Beispiel das Saarland. Für die insgesamt 271 NUTS-2-Regionen der EU-Mitgliedstaaten belief sich das BIP je Einwohner im Durchschnitt auf rund 23 600 Kaufkraftstandards (KKS). Zum Ausgleich von Preisniveauunterschieden zwischen den Regionen wird das in nationalen Währungen ausgewiesene BIP mittels entsprechender Kaufkraftparitäten in eine künstliche gemeinsame Währung, Kaufkraftstandard (KKS) genannt, konvertiert. Dies ermöglicht so aussagekräftigere Volumenvergleiche der regionalen Wirtschaftskraft (siehe i-Punkt). Die Spannweite des BIP je Einwohner in der EU reichte 2006 kaufkraftbereinigt von rund 5 800 KKS in der rumänischen Region Nord-Est (knapp ein Viertel des Durchschnittswertes der EU-27) bis zu 79 400 KKS je Einwohner in der britischen Hauptstadtregion Inner London, dem Finanz- und Dienstleistungszentrum im Vereinigten Königreich (rund 336 % des EU-Durchschnitts).

Südwesten mit allen 4 Regierungsbezirken über EU-Durchschnitt

In jeder 6. NUTS-2-Region lag das kaufkraftbereinigte BIP je Einwohner 2006 über 125 % des EU-27-Durchschnitts. Von diesen insgesamt 41 wirtschaftlich stärkeren EU-Regionen befanden sich 8 in Deutschland. In Baden-Württemberg (30 500 KKS) erreichte der Regierungsbezirk Stuttgart mit einem BIP je Einwohner von rund 32 800 KKS oder knapp 139 % des EU-Durchschnitts den höchsten Pro-Kopf-Wert, gefolgt von Karlsruhe mit rund 31 100 KKS oder knapp 132 %. Ebenfalls deutlich über dem europäischen Mittelwert lagen die Regierungsbezirke Tübingen und Freiburg mit fast 123 bzw. knapp 114 %.

Das Schaubild 1 vermittelt einen Überblick über die regionale Verteilung des BIP je Einwohner in KKS für die Europäische Union im Jahr 2006. In der britischen Hauptstadtregion Inner London lag dieser Wert fast 14-mal so hoch wie in der wirtschaftsschwächsten Region Nord-Est in Rumänien. Dabei führt der Vergleich von KKS statt Euro von der Verteilung her gesehen tendenziell zu einer Glättung, da Regionen mit einem sehr hohen BIP je Einwohner in der Regel auch ein relativ hohes Preisniveau aufweisen. So weist in Euro gerechnet die Region Inner London mit 89 300 Euro sogar ein mehr als 30-fach höheres BIP pro Kopf auf als die rumänische Region Nord-Est (2 900 Euro).

5 deutsche NUTS-2-Regionen unter den 25 Bestplatzierten

Die NUTS-2-Regionen mit dem höchsten BIP je Einwohner waren 2006 nach Inner London mit 336 % des EU-Durchschnitts das Großherzogtum Luxemburg (267 %), Brüssel (233 %) sowie Hamburg (200 %), das größte Dienstleistungs-, Handels- und Schifffahrtszentrum Norddeutschlands. Die Region Groningen (174 %) in den Niederlanden war aufgrund des hohen wirtschaftlichen Beitrags ihrer reichen Erdgasförderung 2006 zum regionalen BIP noch vor der französischen Hauptstadtregion Paris/ Île-de-France (170 %) im europäischen Vergleich auf Rang 5 platziert.

Unter den 10 bestplatzierten europäischen Regionen belegte neben Hamburg (auf Rang 4) der Regierungsbezirk Oberbayern (168 %) mit der bayerischen Landeshauptstadt München, einem modernen Dienstleistungs- und Hightech-Industriestandort, den 7. Rang vor Wien und Stockholm. Nach dem wirtschaftsstarken Regierungsbezirk Darmstadt, geprägt durch zahlreiche Bankzentralen und international ausgerichtete Unternehmen im Raum Frankfurt, und Bremen auf den Plätzen 13 und 14, folgen die Regierungsbezirke Stuttgart auf Rang 23 sowie Karlsruhe (32) vor Mittelfranken (33) und schließlich noch Düsseldorf auf Platz 40 mit 128 % des EU-Durchschnitts in der Gruppe der wirtschaftsstärkeren Gebiete.

Allerdings ist bei Verwendung des Indikators »BIP je Einwohner« zu berücksichtigen, dass nicht alle Beschäftigten, die an der Erstellung der regionalen Wirtschaftsleistung beteiligt sind, auch gleichzeitig in dieser Region ihren Wohnsitz haben. Sie tragen zwar zum regionalen Bruttoinlandsprodukt bei, sind aber nicht bei der Wohnbevölkerung der Region berücksichtigt, die zur Ermittlung des BIP je Einwohner herangezogen wird. Dies führt dazu, dass das BIP je Einwohner hier tendenziell überschätzt und auf der anderen Seite in Regionen mit einem negativen Pendlersaldo unterschätzt wird. Insbesondere in wirtschaftlichen Zentren wie London, Paris oder Luxemburg, aber auch Hamburg oder Stuttgart kann es bei einem hohen Anteil von Berufseinpendlern zu einem sehr hohen regionalen BIP je Einwohner kommen, während die umliegenden Regionen ein relativ geringeres regionales BIP je Einwohner aufweisen, obwohl das verfügbare Einkommen der Haushalte in diesen Regionen eventuell vergleichbar hoch ist. Zudem misst das BIP – als rein produktionsorientierte Messziffer – zwar die insgesamt erstellte regionale wirtschaftliche Leistung. Das BIP ist jedoch keine Messgröße für das Einkommen, das den privaten Haushalten einer Region letztlich zur Verfügung steht

Jede 4. Region 2006 unter 75 % des EU-27-Durchschnitts

Die 20 letztplatzierten Regionen von den insgesamt 68 EU-Regionen mit Pro-Kopf-Werten des BIP unterhalb der 75 %Grenze befanden sich 2006 alle in Bulgarien, Ungarn, Polen und Rumänien. Zu dem Schlusslicht Nord-Est in Rumänien gesellen sich 3 Regionen in Bulgarien, die ebenfalls jeweils lediglich 25 % bis 28 % des EU-27-Durchschnitts erreichten.

Nicht nur zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, auch innerhalb der 21 EU-Länder mit mehreren NUTS-2-Regionen bestehen im regionalen Vergleich zum Teil beträchtliche wirtschaftliche Unterschiede, wie Schaubild 2 zeigt. In 12 dieser EU-Länder war das BIP je Einwohner in der Region mit dem höchsten Durchschnittswert im Jahr 2006 mehr als doppelt so hoch wie der jeweils niedrigste Wert. Dabei zeigten sich die größten regionalen Disparitäten im Vereinigten Königreich mit einem Faktor von 4,3 zwischen den beiden Extremwerten von 336 % in Inner London und 77 % des EU-27-Durchschnitts in der Region West Wales and The Valleys, in Rumänien und der Slowakischen Republik (jeweils Faktor 3,4) sowie in Belgien mit einem 3-fach höheren Wert in der Hauptstadtregion Brüssel als in der schwächsten Region Hainot.

Baden-Württemberg mit nur geringen regionalen Divergenzen

Baden-Württemberg kann zu den Ländern mit den geringsten wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Regionen gerechnet werden. Im Regierungsbezirk Stuttgart, der wirtschaftsstärksten Region im Land, ist das BIP je Einwohner lediglich um den Faktor 1,2 höher als in Freiburg, dem Regierungsbezirk mit der schwächsten Wirtschaftskraft im Lande. Unter den EU-Mitgliedstaaten weisen Slowenien (Faktor 1,5), Irland und Schweden (jeweils 1,6), die Niederlande, Dänemark und Finnland (jeweils 1,7) sowie Portugal mit dem Faktor 1,8 die niedrigsten Divergenzen zwischen ihren NUTS-2-Regionen beim BIP je Einwohner auf. Auf die Hauptstadtregionen, wie zum Beispiel Brüssel, London, Paris, Madrid, Prag oder auch Bratislava entfallen erhebliche Teile der wirtschaftlichen Gesamtleistung in den entsprechenden EU-Ländern. In Schaubild 2 lässt sich dies daran erkennen, dass die Hauptstadtregion der jeweiligen Länder zugleich die Region mit dem höchsten BIP je Einwohner des jeweiligen Landes ist.