:: 11/2009

Krankheiten des Kreislaufsystems – Todesursache Nummer eins

Unter den 21 Kapiteln der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) ist Kapitel IX »Krankheiten des Kreislaufsystems« von herausgehobener Bedeutung. Bis zu 50 % aller Sterbefälle waren in der Vergangenheit auf die Ursachen dieses Diagnosekreises zurückzuführen. Obwohl es vor allem die älteren Menschen sind, die einem derartigen Leiden zum Opfer fallen, gehen die Fallzahlen insgesamt zurück. Eine Feststellung, die sich mit der demografischen Entwicklung unserer Bevölkerung zunächst nicht so recht in Einklang bringen lässt. Auffallend sind in diesem Zusammenhang auch die Entwicklungen einzelner Ursachengruppen innerhalb dieses Kapitels der ICD.

Krankheiten des Kreislaufsystems verursachen mit Abstand die meisten Todesfälle und beeinflussen wie kein anderer Diagnosekreis die Entwicklung der Sterbefallzahlen insgesamt. Die Todesursachenstatistik (siehe i-Punkt) Baden-Württembergs weist Jahre aus, in denen der Anteil dieser Ursachen die 50 %-Marke überschritt. Im Jahr 2008 erreichte sie mit gut 40 400 Fällen noch einen Anteil von fast 42 % (1980 = 51 %). Insgesamt gesehen gehen auch die Sterberaten – also die Sterbefälle im Bezug auf die Bevölkerung – sowohl im Hinblick auf die Summe der Todesursachen als auch in Verbindung mit Kreislaufleiden seit Jahren zurück. Den Zusammenhang zwischen dem tödlichen Ausgang von Kreislauferkrankungen und der Entwicklung der Sterbefallzahlen insgesamt macht Schaubild 1 deutlich. Der auffällige Ausschlag im Jahre 2003 ist auf die sogenannten Hitzetoten dieses Sommers zurückzuführen. Die Folgen dieses ungewöhnlichen Ereignisses bestätigen den Einfluss der Kreislauftodesfälle auf das Jahresergebnis der Todesursachenstatistik, wobei hier auch andere Todesursachen zur Verstärkung des Effektes beigetragen haben.1

Der demografische Faktor

In Anbetracht einer immer älter werdenden Bevölkerung Baden-Württembergs überrascht der Rückgang der kreislaufbedingten Sterbefälle. Handelt es sich doch hier um eine Ursache, die zunehmend erst in fortgeschrittenerem Alter zum Ableben führt. So stieg die Zahl der Menschen, die 80 Jahre und älter sind von 144 231 im Jahre 1970 auf 506 745 im Jahre 2008. Während die Zahl der Männer dieses Alters in diesem Zeitraum um 222 % auf 159 678 zunahm, wuchs die der Frauen um knapp 267 % auf 347 068 an. Das bedeutet, dass eine sehr viel größere Zahl von Frauen an die Grenze ihrer Lebenserwartung gelangt als Männer (deren Lebenserwartung ohnehin niedriger liegt). Als Folge sterben in diesem Alter auch mehr Frauen als Männer an einer Erkrankung des Kreislaufs – in der Regel knapp doppelt so viele.

Diese Feststellung relativiert sich, sobald man die Sterbefälle mit der in dieser Altersgruppe tatsächlich vorhandenen Bevölkerung in Beziehung setzt. Zwar fielen auf 100 000 der jeweiligen Bevölkerung in diesem Alter im Jahre 2008 immer noch mehr Frauen (5 347) als Männer (4 985) einem Kreislaufleiden zum Opfer, aber der Abstand ist doch recht klein. Allerdings zeigt der Vergleich mit weiter zurückliegenden Jahren, dass die Sterberate von Männern in diesem Alter nicht immer die niedrigeren Werte aufwiesen. So lag ihre Rate zum Beispiel 1980 mit rund 10 352 zu 9 696 erheblich über derjenigen der Frauen. Generell sind es aber die jüngeren Altersgruppen der 55- bis unter 60-Jährigen und der 60- bis unter 65-Jährigen, in denen – bei deutlich kleineren Fallzahlen – die männlichen Sterberaten die der Frauen um mehr als das 3-Fache übertreffen können. Tabelle 1 zeigt im zeitlichen Vergleich, dass sich die größeren Fallzahlen in immer höhere Altersklassen verschieben. Dabei nimmt – bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Sterbefälle – der Anteil der 80-Jährigen und Älteren an den Kreislauftoten insgesamt von 34 % im Jahre 1970 auf inzwischen fast 66 % zu.

Wenn der Rückgang der kreislaufbedingten Sterbefälle auch nicht durch einen adäquaten Anstieg der Fallzahlen in anderen Ursachengruppen »kompensiert« wird, so nimmt doch zumindest der prozentuale Anteil von Diagnosekreisen wie etwa derjenige der bösartigen Neubildungen (Krebs) an den Sterbefällen insgesamt zu, auch wenn deren Fallzahlen weitgehend konstant bleiben oder tendenziell geringfügigen Zuwachs aufweisen.

Unter diesem Aspekt muss wohl von einer entstandenen »Lücke« in der Sterblichkeit ausgegangen werden, da sich – insgesamt gesehen – der Sterbezeitpunkt unvorhergesehen schnell in immer höhere Altersjahre verschoben hat. Ein Blick auf die Seite mit den Todesanzeigen in der Tagespresse genügt, um sich einen Eindruck von dem doch häufig erreichten erstaunlich hohen Alter der Betrauerten zu verschaffen. Dass sich diese Entwicklung auf die Lebenserwartung der baden-württembergischen Bevölkerung ausgewirkt hat und weiter auswirkt, darf angenommen werden. So ging man unter dem Eindruck der Entwicklung der Todesfallzahlen in der ersten Hälfte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts zunächst einmal davon aus, dass um die Jahrhundertwende herum die Zahl der jährlich Verstorbenen in Baden-Württemberg auf rund 100 000 angewachsen sein würde. Ein Trugschluss, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Stattdessen ist die Bevölkerungszahl weiter gestiegen und die Lebenserwartung hat sich kontinuierlich erhöht, die Zahl der Verstorbenen blieb aber weiterhin deutlich unter der magischen Zahl 100 000.

Interessant wird es allerdings sein, zu beobachten, wann und in welcher Häufung die heute noch aufgeschobenen Sterbefälle dann schließlich doch eintreten. Wird sich die Grenze des Sterbezeitpunkts bei den nachfolgenden Altersjahren noch weiter hinausschieben, sodass lediglich – wie zu beobachten ist – eine Art Bugwelle entsteht, die dazu beiträgt, dass das gegenwärtige Niveau beibehalten wird, oder wird es eher abrupt zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Verstorbenen kommen, vergleichbar etwa dem plötzlichen Anstieg der Todesfälle im außergewöhnlich heißen Sommer des Jahres 2003, der sich seinerzeit doch spürbar auf das Ergebnis des Folgejahres ausgewirkt hat. Insgesamt kam es zu einem abrupten Rückgang der Sterbefallzahlen 2004, die sogar unter das Niveau des – dem Ausnahmejahr vorangegangenen – Jahres 2002 sanken. Auch in dem unmittelbaren Folgezeitraum blieben die Ergebnisse noch unter denen des Jahres 2002. Gegenüber dem Vorjahr kam es allerdings auch 2008 zu einem merklichen Anstieg um 2 352 auf 96 431 Todesfälle. Erstmals seit über 25 Jahren ist in Baden-Württemberg kein Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen, die Bevölkerungszahl ging sogar – wenn auch nur geringfügig – zurück. Dieser Umstand führte zu einer erhöhten Sterberate, die mit 894 Gestorbenen, bezogen auf 100 000 Einwohner, etwas näher an der des berüchtigten Hitzejahres (911) als an der des Vorjahres (875) liegt.

Herzinfarkt und Hirngefäßerkrankungen führen immer seltener zum Tod

Innerhalb der Kreislauferkrankungen spielen die einzelnen Diagnosegruppen sehr unterschiedliche Rollen. Unangefochten ist weiterhin die Spitzenstellung der »ischämischen« Herzkrankheiten, an deren Folgen 2008 noch über 14 528 Menschen starben . In den 80er- und 90er-Jahren eindeutig vom »akuten Myokardinfarkt« (Herzinfarkt) dominiert, sind dessen Fallzahlen von 11 889 auf 6 777 gesunken. Inzwischen übersteigt die Zahl der Sterbefälle infolge sonstiger »chronisch ischämischen Herzkrankheiten« (Durchblutungsstörungen) die des akuten Herzinfarkts um 600. Im Vergleich zum Beginn der 80er-Jahre hat sich die Sterberate bei Herzinfarkt für die Männer etwas mehr als halbiert, für die Frauen ist sie um gut ein Drittel zurückgegangen.

Am auffälligsten ist allerdings die Entwicklung im Bereich der »zerebrovaskulären Krankheiten« (Erkrankungen der Hirngefäße), die zu rund 90 % auf den sogenannten Schlaganfall zurückzuführen sind. Ihre Zahlen gingen seit den 80er-Jahren um 6 133 auf gut 7 937 Todesfälle zurück. Dabei ist die Sterberate der Männer bei dieser Todesursache seit 1980 um leicht mehr als die Hälfte gesunken, bei den Frauen um knapp die Hälfte.

Dagegen zeigen die »sonstigen Formen der Herzkrankheiten« eine aufsteigende Tendenz. Sie übertreffen mit inzwischen 11 363 Fällen das Ergebnis der Gruppe der »zerebrovaskulären Erkrankungen« doch sehr deutlich. Bei etwas über der Hälfte der an diesen »sonstigen Formen« Verstorbenen wurde Herzinsuffizienz als ursächlich angegeben.

Prozentual am stärksten – wenn auch von vergleichweise niedrigem Niveau ausgehend – fiel der Anstieg der Sterbefälle durch Hochdruckkrankheiten aus. Gegenüber dem Jahr 2000 musste hier eine Zunahme auf 2 917 Tote registriert werden (+ 65 %).

Uneinheitlich entwickelte sich die Zahl der an »Krankheiten der Arterien, Arteriolen und Kapillaren« verstorbenen Personen. Gegenwärtig ist hier mit knapp 1 800 Fälle eher ein Rückgang zu verzeichnen, während in den vorangegangenen 10 Jahren die Anzahl der Todesfälle zwischen knapp 2 600 und gut 2 000 schwankte.

Bei den »pulmonalen Herzkrankheiten und Krankheiten des Lungenkreislaufs« stieg die Zahl der Sterbefälle leicht auf aktuell rund 1 169, dagegen bewegten sich die Fallzahlen bei den »chronisch rheumatischen Herzkrankheiten« und den »Krankheiten der Venen, der Lymphgefäße und der Lymphknoten« im unteren 3-stelligen Bereich bzw. sind sie inzwischen auf dieses Niveau abgesunken (siehe i-Punkt).

Regionale Eigenheiten

Die auffallenden Rückgänge der Todesfälle bei den ischämischen Erkrankungen und den zerebrovaskulären Erkrankungen dürften auch auf die Versorgungssituation zurückzuführen sein, wobei nicht nur die Erstversorgung sondern auch der gesamte Therapieverlauf einschließlich Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen dürften. Bei regionaler Betrachtung dieser Todesfälle stößt man allerdings auf erkennbare Unterschiede in den einzelnen Stadt- und Landkreisen.

Um ungleiche Altersverteilungen etwas zu relativieren, wurde für diese Untersuchung die Methode der sogenannten Altersstandardisierung angewandt, die den höheren Altersgruppen gegenüber der jüngeren Bevölkerung eine etwas geringere Gewichtung zumisst. Dies ist vor allem im Vergleich zwischen Kreisen mit einem größeren Anteil und solchen mit einem geringeren Anteil älterer Menschen eine Orientierungshilfe, da der Einfluss der reinen Alterssterblichkeit zwar nicht ohne Bedeutung bleibt, aber doch etwas gemindert wird. Wenn man so will, kann man an den Ergebnissen dieser Berechnungsweise eine gewisse regionale Risikoverteilung innerhalb der Landesgrenzen ablesen.

Bei den Sterbefällen infolge ischämischer Herzerkrankungen verteilen sich im Jahr 2008 die Stadt- und Landkreise verhältnismäßig gleichmäßig um das Landesmittel von 73 Sterbefällen je 100 000 Einwohner. Die höchste Sterberate weist der Stadtkreis Pforzheim mit 106 Sterbefällen je 100 000 Einwohner auf, die niedrigste Rate (55 Fälle bezogen auf 100 000 Einwohner) der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Von den 9 Stadtkreisen Baden-Württembergs liegen 5 über und 4 unter dem Landesdurchschnitt. Dabei befindet sich unter den 10 Kreisen mit den günstigsten Ergebnissen die beiden Stadtkreise Freiburg im Breisgau und Heilbronn, unter den 10 Kreisen am oberen Ende der Skala nur Pforzheim.

Im Gegensatz zu der eher unspezifischen regionalen Verteilung der ischämischen Herzkrankheiten sind die niedrigsten Sterberaten im Zusammenhang mit zerebrovaskulären Erkrankungen bei Stadtkreisen zu finden. So zählen zu den 10 günstigsten Kreisen allein 5 Stadtkreise. Am vorteilhaftesten schneidet Ulm mit einer Sterberate von 29 und am ungünstigsten der Landkreis Rastatt mit einer Sterberate von 52 ab.

Der Stadtkreis Baden-Baden liegt bei den zerebrovaskulären Ursachen über dem Landesdurchschnitt von 39 Sterbefällen je 100 000 Einwohner. Dieser Stadtkreis weist als Eigenart eine besonders »alte« Bevölkerung auf. Ein Umstand, der trotz der angewandten Altersstandardisierung im Ergebnis durchschlägt. Allerdings bildet Pforzheim, das sich mit einer Rate von 45 als einziger Stadtkreis in der Gruppe mit den 10 ungünstigsten Kreisergebnissen wiederfindet, fast das Schlusslicht.

Bei den zerebrovaskulären Ereignissen spielt das regionale Versorgungsangebot und hier in erster Linie das Vorhandensein von sogenannten Stroke-Units (offizielle Eindeutschung: Schlaganfallzentren) offensichtlich eine mitentscheidende Rolle. Diese auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten spezialisierten Einrichtungen verfügen über eine auf die besonderen Erfordernisse abgestimmte Logistik, entsprechend ausgebildetes Fachpersonal, eine den Anforderungen gerecht werdende Technik sowie den Klinikaufenthalt begleitende Behandlungsformen, die in eine Rehabilitation überleiten.2 2009 wies das für die Krankenhausplanung in Baden-Württemberg zuständige Ministerium 7 derartige an Kliniken angeschlossene Einrichtungen aus. Neben diesen Zentren verfügen noch 8 Kreise über sogenannte regionale Schwerpunkte zur Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten. Die dergestalt ausgestatteten Kreise wurden in Schaubild 5 gesondert gekennzeichnet. Leicht lässt sich erkennen, dass 8 der 15 Stadt- und Landkreise mit derartigen Einrichtungen im Ergebnis unter dem Landesdurchschnitt von 38 blieben, wobei der Landkreis Tübingen und der Stadtkreis Karlsruhe nur äußerst knapp über diesem Ergebnis liegen.

Zwar gibt es neben den 15 Einrichtungen noch eine Reihe von sogenannten »lokalen Stationen« zur Behandlung von Schlaganfällen, aber des ungeachtet verteilten sich die Ergebnisse der so ausgestatteten Landkreise in ihrer Mehrheit relativ unauffällig über die gesamte Skalenbreite. Sie sind ebenso unter den 10 Kreisen mit den günstigsten Ergebnissen wie auch unter den 10 Kreisen mit den ungünstigsten Ergebnissen anzutreffen.

Es ist davon auszugehen, dass der eine oder andere Kreis ohne besonderes Versorgungsmerkmal auch von besser gerüsteten Nachbarkreisen profitiert. In diesem Zusammenhang dürfte auch die Dichte der Besiedlung und die Verkehrsanbindungen bei der Erstversorgung von Schlaganfallopfern eine wichtige Rolle spielen, da hier die zeitliche Nähe zum Ereignis über Erfolg und Misserfolg der Behandlung wesentlich mitentscheidet.

Qualitative Aspekte

Die Ergebnisse der Todesursachenstatistik werden immer wieder problematisiert. So wird häufig die Sorgfalt bei der Durchführung der Leichenschau in Zweifel gezogen. Allerdings existiert eine wirkliche Qualitätskontrolle hierzu höchstens in Ausnahmefällen wie zum Beispiel einer nachträglich angeordneten Obduktion. Zweifellos wäre, aus Gründen der Objektivierbarkeit, eine Verlagerung der Leichenschau von den »zwangsverpflichteten« Medizinern auf für diese Aufgabe speziell ausgebildete Ärzte- oder medizinisch geschulte Expertenteams wünschenswert. Derartige Überlegungen, die in Ballungsgebieten eher in die Realität umgesetzt werden können, dürften in überwiegend ländlichen Räumen mit den zum Teil viel größeren Entfernungen zum Einsatzort ungleich schwerer umzusetzen sein. Die bisweilen gestellte Forderung nach routinemäßigen Obduktionen scheitert dagegen schon im Ansatz an den rechtlichen Voraussetzungen und den mit einer Obduktion verbundenen Kosten. So wird man auf absehbare Zeit mit dem vorhandenen System leben müssen. Ohne eine grundlegende Änderung der Verfahrensweise können Verbesserungsansätze unter den heutigen Gegebenheiten aus sehr verschiedenen Gründen nur von geringer Wirkung bleiben.

Was die Herz-Kreislauf-Todesfälle angeht, so ist für das aktuelle Berichtsjahr der Todesursachenstatistik festzustellen, dass auf ein Leiden aus diesem Diagnosekreis zurückgeführten 40 436 Todesfälle sich auf insgesamt 222 einzelne Diagnosen verteilen. Die Spanne reicht von der ICD-Position I00 »Rheumatisches Fieber ohne Angabe einer Herzbeteiligung« bis zu I99 »Sonstige und nicht näher bezeichnete Krankheiten des Kreislaufsystems«. Das zeigt zumindest, dass es hier doch eine große Vielfalt an Feststellungen gibt. Die Unterstellung, dass Ärzte vorzugsweise Herzstillstand als Todesursache angeben – eine zweifellos für jeden Sterbefall in irgendeiner Weise zutreffende Diagnose – bestätigt sich nicht, obwohl mit Einführung der ICD 10 eine derartige Diagnoseangabe für die Todesursachenstatistik erstaunlicherweise möglich geworden ist (Positionsnummer I46). Allerdings wurde diese Diagnose im Jahre 2008 insgesamt 419-mal angegeben. Ein weiterer ICD-Code, der zumindest einen gewissen Interpretationsspielraum bietet ist R54 »Senilität« (ohne senile Psychose), der im gleichen Berichtsjahr 389-mal vergeben werden musste. Weitere ärztliche Feststellungen sind etwa die des » sonstigen plötzlichen Todes unbekannter Ursache« (R96) die in lediglich 3 Fällen oder »nicht in Anwesenheit anderer Personen verstorben« (R98) die in 25 Fällen getroffen wurde. Die letztgenannte Ursache kann bei aufgefundenen Leichen angegeben werden, deren Todesursache nicht mehr feststellbar ist.

Auf der Todesbescheinigung ist von dem die Leichenschau durchführenden Arzt eine Ursachenkette von der unmittelbaren Todesursache bis zu dem, für den Tod tatsächlich verantwortlichen, Grundleiden aufzuführen – wobei die Reihenfolge oft genug nicht eingehalten oder überhaupt nur eine einzige Angabe gemacht wird. Dies nach dem Regelwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – auch mithilfe von über die Gesundheitsämter abzuwickelnder Rückfragen bei den zuständigen Ärzten – geradezurücken, ist unter anderem die Aufgabe der regelmäßig geschulten Signierkräfte in den Statistischen Landesämtern. Sie müssen die Eintragungen des Arztes auf das Grundleiden zurückführen und mit dem zutreffenden ICD-Code versehen. Nur wenn sonst gar nichts zu ermitteln ist, ist der »Mangelcode« R99 zu benutzen: »sonstige ungenau oder nicht näher bezeichnete Todesursache«. Im Landesergebnis 2008 waren 318 Fälle mit diesem Code zu signieren. Bei der Darstellung von Regionalergebnissen dient diese Position allerdings zusätzlich auch als »Sammeldiagnose« für Geheimhaltungsfälle.

Fachlicherseits könnte man unter den ärztlichen Feststellungen hinsichtlich der Kreislaufkrankheiten vielleicht häufiger Angaben wie »rezidivierender Herzinfarkt«, vor allem aber »Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit« erwarten. Diese Angaben finden sich für rund 486 bzw. 523 Fälle.

In früheren Jahren war auf der Todesbescheinigung noch anzugeben, ob sich der Sterbefall in einer »Anstalt« ereignet hat. Auch heute wäre es durchaus von Interesse, ob und inwieweit sich Angaben aus Krankenhäuern und Heimen von denen niedergelassener Ärzte unterscheiden, und ob es etwa in Pflegeheimen möglicherweise zu einer gewissen »Standardisierung« von Todesursachen kommt.

Zusammenfassung

Trotz des stetig zunehmenden Alters der Bevölkerung Baden-Württembergs geht die Haupttodesursache Krankheiten des Kreislaufsystems – eigentlich eine typische Altersursache – zurück. Als die Todesursachenstatistik in besonderem Maße bestimmender Diagnosekreis führt diese Tendenz seit Jahren zu einem Rückgang der Sterbefälle insgesamt, zumal eine Kompensation der rückläufigen Fallzahlen durch andere Ursachen nicht zu beobachten ist. Unter diesen Voraussetzungen dürfte die Lebenserwartung weiter ungeachtet einiger in der Höhe aus dem Rahmen fallenden Sterberaten weiter steigen.

Diese Entwicklung ist vor allem von den sinkenden Zahlen der Todesfälle infolge ischämischer Herzkrankheiten und in ganz besonderem Maße der zerebrovaskulären Erkrankungen bestimmt. Die regionale Verteilung gerade der zerebrovaskulären Todesursachen zeigt einen sichtbaren Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Schlaganfallzentren und niedrigeren Sterberaten.

Die zum Tode führenden Kreislauferkrankungen konzentrieren sich nicht auf einige wenige Einzelursachen. Vielmehr ist eine durchaus große Bandbreite von einzelnen Diagnosen beteiligt, was zumindest darauf schließen lässt, dass von den die Leichenschau durchführenden Ärzten die Todesbescheinigungen in der Regel nicht unbedacht ausgefüllt werden. Generell fehlt aber eine verlässliche und umfassende Qualitätssicherung der bei der Leichenschau festgestellten Ursachen. Trotz der hohen Bedeutung der Todesursachenstatistik dürfte diesbezüglich auf absehbare Zeit keine Änderung zu erwarten sein.