:: 11/2009

Fremdsprachenunterricht in Baden-Württemberg

Englisch ist Pflicht, Spanisch wird immer beliebter

Fremdsprachenkenntnisse sind eine wichtige Schlüsselqualifikation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch für ein kulturelles und gesellschaftliches Miteinander. Allein die Europäische Union (EU) führt derzeit 23 Amtssprachen. Die allgemeinbildenden Schulen können als die primären Vermittler von Fremdsprachen gelten. An den Grundschulen des Landes wurde im Schuljahr 2003/04 beginnend mit der 1. Klassenstufe flächendeckend Englisch bzw. Französisch eingeführt. An den Hauptschulen ist in der Regel Englisch Pflicht, an den Realschulen lernte im Schuljahr 2008/09 ein Viertel der Schüler in den Klassenstufen 7 bis 10 zusätzlich zu Englisch noch Französisch als zweite Fremdsprache. Die allgemeinbildenden Gymnasien bieten ein relativ großes Angebot an Fremdsprachen. In der Klassenstufe 8 lernten hier 2008/09 alle Schüler Englisch, 75 % Französisch, 35 % Latein und 22 % Spanisch; bereits jeder 10. Schüler der gymnasialen Oberstufe wählte Spanisch als 4-stündigen Fremdsprachenkurs.

Mehr als 140 Sprachen in Europa – Sprachen sind wichtige Schlüsselqualifikation

Insgesamt gibt es über 6 000 Sprachen auf der Welt. Die »Top 10« der meist gesprochenen Sprachen sind:1

SpracheAnteil an Welt bevölkerung in %Anzahl der Sprecher
Chinesisch23,6 (1 210 Mill.)
Englisch11,3(573 Mill.)
Hindi8,2(418 Mill.)
Spanisch6,9 (352 Mill.)
Russisch4,7(242 Mill.)
Arabisch4,1(209 Mill.)
Bengalisch3,8(196 Mill.)
Portugiesisch3,5(182 Mill.)
Indonesisch3,3(175 Mill.)
Französisch2,5(131 Mill.)

Gut die Hälfte der Weltbevölkerung spricht eine dieser 10 Sprachen. In Europa werden mehr als 140 Sprachen gesprochen. Allein die Europäische Union (EU) verfügt über 23 Amtssprachen. »Die Fähigkeit, in mehreren Sprachen zu kommunizieren, ist von großem Nutzen sowohl für Einzelne als auch für Organisationen und Unternehmen. Sie verstärkt die Kreativität, überwindet kulturelle Vorurteile, fördert das Denken abseits der ausgetretenen Pfade und kann bei der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen helfen«, so Leonard Orban, Mitglied der Europäischen Kommission. Sprachkenntnisse sind nicht nur eine wichtige Schlüsselqualifikation, um den Anforderungen der steigenden Globalisierung gerecht zu werden und das wirtschaftliche Zusammenwachsen Europas zu fördern. Sprachkenntnisse geben auch Einblick in andere Kulturen und sind wichtige Voraussetzung für Völkerverständigung und ein gesellschaftliches Miteinander. Den Schulen als primäre Vermittler von Fremdsprachenkenntnissen kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu. Erwartungsgemäß »dominieren« in Baden-Württemberg andere Fremdsprachen als dies der weltweiten Verbreitung entspricht. Wirtschaftlicher Bedarf, gesellschaftliche, historische und kulturelle Rahmenbedingungen, die Nähe zu Frankreich und die zentrale Lage in Europa dürften hier mitbestimmend sein.

An Realschulen kann ab Klasse 7 Französisch als zweite Fremdsprache gewählt werden

Zum Schuljahr 2003/04 wurde an den Grundschulen des Landes flächendeckend für alle Schüler in der 1. Klasse Fremdsprachenunterricht in Englisch bzw. (in den Landesteilen in Grenznähe zu Frankreich) in Französisch eingeführt. Im vergangenen Schuljahr 2008/09 lernten 82 % der Grundschüler Englisch, weitere 17 % Französisch.2 An den Hauptschulen in Baden-Württemberg ist in der Regel Englisch die Pflichtfremdsprache. Schüler in Vorbereitungsklassen (in denen sich überwiegend Ausländer bzw. Aussiedler befinden) müssen aufgrund der vorhandenen Sprachprobleme keine Fremdsprache erlernen. Eine zweite Pflichtfremdsprache gibt es an Hauptschulen nicht.3

Auch an den 478 Realschulen ist für die 246 656 Realschüler (Schuljahr 2008/09) bis auf wenige Ausnahmen Englisch die erste Fremdsprache. Ab Klasse 7 kann dann Französisch als Wahlpflichtfach gewählt werden. Von dieser Möglichkeit machte im Schuljahr 2008/09 ein Viertel der Realschüler in Klasse 7 bis 10 Gebrauch. Insgesamt hatten 17 % der Realschüler Französisch als Pflichtunterricht.

An den 55 Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg wurden entsprechend den Grundelementen der Waldorfpädagogik im Allgemeinen zwei Fremdsprachen bereits ab der 1. Klasse unterrichtet.

Dabei wählten von den 23 069 Schülern in den Klassenstufen 1 bis 13 im Schuljahr 2008/09

Englisch100 %
Französisch65 %
Russisch27 %

An den Sonderschulen werden von der amtlichen Schulstatistik keine Angaben zum Fremdsprachenunterricht erhoben.4

Gymnasien bieten ein vielfältiges Sprachenangebot

Die Gymnasien bieten unter den »großen« allgemeinbildenden Schularten sicherlich die größte Sprachenvielfalt und sollen daher etwas näher betrachtet werden. Alle Schüler lernen mindestens zwei Fremdsprachen. Da seit dem Schuljahr 2007/08 alle Fünftklässler bereits mit 4 Jahren Englisch- bzw. Französischunterricht in der Grundschule ankommen, lernen sie die zweite Fremdsprache am Gymnasium schon ab Klassenstufe 5 bzw. 6. Im sprachlichen Profil kommt dann in Klassenstufe 8 die dritte Fremdsprache hinzu.

Von den 43 569 Schülern in Klassenstufe 5 wählten im Schuljahr 2008/09 fast alle (99 %) Englisch, 16 % Französisch und 12 % Latein. Das heißt, 27 % der Fünftklässler hatten bereits zwei Fremdsprachen belegt. Andere Fremdsprachen als Englisch, Französisch oder Latein sind in der 5. Klassenstufe nicht wählbar. 2007/08 lagen Englisch und Latein auf ähnlich hohem Niveau wie 2008/09, Französisch mit 20 % etwas höher. Im Schuljahr 2003/04 begannen 88 % der Fünftklässler mit Englisch, und jeweils 6 % mit Französisch bzw. Latein. Die Anteile summieren sich hier noch auf 100 %, weil nicht schon in der 5. Klasse eine zweite Fremdsprache dazu kam. Ausnahme war das sogenannte »Biberacher Modell«: hier wurden zwar zwei Fremdsprachen schon in Klassenstufe 5 gelehrt, die zweite wurde aber statistisch nicht berücksichtigt. Ein Vergleich der Jahre 2007/08 und 2008/09 mit früheren Jahren ist aufgrund der geänderten Strukturen daher nur bedingt möglich.

In der 8. Klasse wählen über 20 % der Schüler Spanisch als dritte Fremdsprache

Die 8. Klassenstufe bietet sehr umfassende Einsichten in die Struktur des Pflichtfremdsprachenunterrichts in der Sekundarstufe I des Gymnasiums, weil in dieser Klassenstufe die Entscheidung über die Wahl einer eventuellen dritten Fremdsprache bereits abgeschlossen ist, ohne dass eine der vorher gewählten Pflichtfremdsprachen abgegeben werden konnte. Im Schuljahr 2008/09 lernten alle Achtklässler Englisch, drei Viertel Französisch und 35 % Latein. Jeder 20. Achtklässler wählte Italienisch als dritte Fremdsprache, dagegen aber mehr als jeder 5. Spanisch. Die Anteile von Altgriechisch und Russisch waren mit jeweils weniger als 1 % nur sehr.

5 Jahre zuvor, im Schuljahr 2003/04, belegten ebenfalls 100 % der Neuntklässler5 Englisch, aber 83 % Französisch und gut 32 % Latein. In der längerfristigen Entwicklung der letzten 25 Jahre haben sich teilweise erhebliche Änderungen bei der Fremdsprachenwahl ergeben. Dass Englisch immer von 100 % der Schüler in den Klassenstufen 9 (G9) bzw. 8 (G8) gelernt wurde, verwundert nicht. Englisch ist unter den Schulfremdsprachen nämlich die einzige, die als Pflichtfach von allen Schülern gelernt werden muss – entsprechend ihrer Bedeutung als »internationale Konferenz- und Verkehrssprache, … als Sprache der Wissenschaft und Technik, … und Sprache der Kommunikation überhaupt«.6 Der Anteil von Französisch in Klassenstufe 9 bzw. 8 hat seit 1983/84 um rund 10 Prozentpunkte abgenommen. Einen enormen Anstieg kann dagegen Spanisch verbuchen. 1983/84 noch völlig bedeutungslos, wählten 2003/04 bereits 15 % der Neuntklässler diese Sprache, 2007/08 und 2008/09 bereits 22 % der Achtklässler. Auch Italienisch weist mit einem Anteil von über 5 % im Schuljahr 2008/09 einen ansteigenden Trend auf, wenngleich weit weniger stark als Spanisch. Insofern scheint insbesondere der Anstieg von Spanisch vor allem zulasten von Französisch zu gehen. Ob bei Spanisch inzwischen eine gewisse Sättigung erreicht ist, werden die kommenden Jahre zeigen. Latein, die Muttersprache vieler moderner Fremdsprachen, weist dagegen nur vergleichsweise geringe Schwankungen auf. Altgriechisch – die im humanistischen Bildungsgang angebotene alte Sprache – spielt seit jeher anteilsmäßig nur eine relativ kleine Rolle.

4-stündige Kurse 2008/09: 9 von 10 Schülern belegten Englisch

Seit dem Schuljahr 2002/037 ist für die Schüler der neuen gymnasialen Oberstufe neben den Fächern Mathematik und Deutsch auch eine (fortgeführte) Fremdsprache mit jeweils 4 Wochenstunden Pflicht. Ebenfalls mit 4 Wochenstunden zu belegen sind ein Profilfach und ein Neigungsfach (beides kann eine weitere Fremdsprache sein).

Bei der Kurswahl im 1. Schulhalbjahr 2008/09 dominierte unter den Fremdsprachen eindeutig Englisch. 9 von 10 Schülern in der gymnasialen Oberstufe wählten diese Sprache als 4-stündigen Kurs, ebenso wie 5 Jahre zuvor. Jeder 5. Kursteilnehmer entschied sich für Französisch, 2003/04 tat dies noch jeder 4. Der Anteil der Kursteilnehmer, die Latein 4-stündig belegten, war 2008/09 nur rund halb so hoch wie der von Spanisch mit 10 %. 2003/04 lagen die beiden Sprachen hier noch etwa gleichauf. Während die Englischkurse mit durchschnittlich 20 Teilnehmern pro Kurs 2008/09 vergleichsweise groß waren, konnten die Teilnehmer der eher »exotischen« Sprachen im Schnitt meist eine vergleichsweise kleine Kursgröße genießen.

In den Klassenstufen 5 bis 13 der Gymnasien lernen 25 % der Schüler Latein

Auch über die Jahrgangsstufen 5 bis 13 insgesamt betrachtet8 blieb Englisch mit 100 % die mit großem Abstand dominierende Fremdsprache an den allgemeinbildenden Gymnasien im Schuljahr 2008/09. Französisch lernten 57 % der Gymnasiasten insgesamt, Latein ein Viertel. Da Spanisch systembedingt nur als dritte Pflichtfremdsprache und damit erst ab Klassenstufe 8 gewählt werden konnte, lag der Anteil 2008/09 in Relation zur Gesamtschülerzahl an den Gymnasien nur bei 12 %. Es wurden also (trotz der rasanten Zuwächse von Spanisch im Zeitverlauf) immer noch mehr als doppelt so viele Schüler in Latein unterrichtet wie in Spanisch. Italienisch lernten nur 3 % der Schüler an Gymnasien, Russisch – wie in den Vorjahren auch – nicht einmal 1 % (Schaubild).

Dass die Anteile von Französisch und Latein von 2004/05 auf 2005/06 einen leichten Sprung machen, dürfte daran liegen, dass der erste flächendeckende Jahrgang des G8 2005/06 in der 6. Klassenstufe war und hier bereits eine zweite Fremdsprache belegen musste. In den Vorjahren kam im G9 die zweite Fremdsprache erst in der 7. Klassenstufe hinzu.

Einführung der »Internationalen Abiturprüfung Baden-Württemberg«

Zahlreiche allgemeinbildende Gymnasien bieten in einzelnen Fächern oder Unterrichtseinheiten Unterricht auf Englisch oder Französisch an. An 53 allgemeinbildenden Gymnasien gab es 2008/09 deutsch-englische und an 15 deutsch-französische Abteilungen. Für den Besuch dieser Abteilungen wird den Schülern ein Zertifikat ausgestellt. Nach einem Kurs mit verstärktem Fremdsprachenunterricht findet in den Abteilungen je nach Sprache im Fächerverbund Geografie-Wirtschaft-Gemeinschaftskunde und in den Fächern Geschichte, Biologie oder einer weiteren Naturwissenschaft bilingualer Unterricht statt.

Die deutsch-französischen Abteilungen bieten die Möglichkeit zusammen mit dem deutschen Abitur das französische Baccalaureat zu erwerben. Die Einführung der »Internationalen Abiturprüfung Baden-Württemberg« ist Teil der Weiterentwicklung der deutsch-englischen Abteilungen an Gymnasien zu internationalen Zügen, an denen zusätzlich zum bilingualen Zertifikat deutsch-englisch noch das Zertifikat »Internationales Abitur Baden-Württemberg« erworben werden kann.9 An diesem ab dem Schuljahr 2006/07 neu eingerichteten Schulversuch beteiligten sich im vergangenen Schuljahr 12 Gymnasien mit bilingualem Zug deutsch-englisch. In der Schulstatistik wurden im Schuljahr 2008/09 insgesamt 1 611 Schüler mit bilingual-französischem und 5 176 mit bilingual-englischem Unterricht gemeldet. Zusammen waren dies 2 % aller Gymnasiasten.

1 Datenquelle: Haarmann, Harald: Kleines Lexikon der Sprachen, Beck 2002, S. 13.

2 Die Summe der Prozentsätze gibt nicht 100, da Schüler in muttersprachlichen Klassen sowie ggf. in Vorbereitungsklassen nicht berücksichtigt sind.

3 An der Rheinschiene, wo Französisch an der Grundschule erteilt wird, wird an der Hauptschule ergänzend zu Englisch ein 3-stündiger französischer Zusatzunterricht angeboten. Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Fremdsprachen in weiterführenden Schulen, November 2008, S. 3.

4 Außer bei zwei Sonderschulen mit Bildungsgang Gymnasium.

5 In den Jahren 2006/07 und früher wird als Basis der Betrachtung die 9. Klassenstufe gewählt, da hier noch das 9-jährige Gymnasium vorherrschte. Vgl. Fußnote der Tabelle 2.

6 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Fremdsprachen in weiterführenden Schulen, November 2008, S. 4.

7 Im Schuljahr 2002/03 betraf die Neuordnung der gymnasialen Oberstufe (mit der Abschaffung von Grund- und Leistungskursen) nur die Klassenstufe 12 (bzw. am 8-jährigen Gymnasium die Klassenstufe 11), seit dem Schuljahr 2003/04 gilt die Neuordnung für die gesamte Kursstufe.

8 In die Berechnung der Anteile wurde hier der Fremdsprachenunterricht aller Klassenstufen einbezogen, und zwar sowohl der Pflicht-/ Wahlpflichtunterricht als auch der freiwillige Unterricht in Arbeitsgemeinschaften.

9 Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Fremdsprachen in weiterführenden Schulen, November 2008, S. 5. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Bilingualer Unterricht, November 2008.