:: 4/2010

Schülerzahl der beruflichen Gymnasien steigt gegen den Trend vorerst noch an

Ergebnisse der Vorausrechnung der Schülerzahlen an beruflichen Schulen bis 2030

Die Entwicklung der Schülerzahlen an den öffentlichen und privaten beruflichen Schulen im Land wird auch von der wirtschaftlichen Lage beeinflusst. So ist die Schülerzahl an beruflichen Vollzeitschulen nach den vorläufigen Ergebnissen des Schuljahrs 2009/10 angestiegen, während die Schülerzahl der Berufsschulen des dualen Ausbildungssystems zurückging. In der längerfristigen Entwicklung bis 2030 ist insgesamt mit einem Rückgang der Schülerzahl an den öffentlichen und privaten beruflichen Schulen im Land von 434 600 im Schuljahr 2008/09 auf knapp 300 000 um gut 31 % zu rechnen. Steigende Schülerzahlen weisen bis etwa 2013 noch die Berufskollegs und bis 2015 die beruflichen Gymnasien auf, deren Angebot derzeit ausgebaut wird.

Wirtschaftskrise beeinflusst die Schülerzahlen

Neben den Informationen zur weiteren möglichen Entwicklung der Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen1 sind auch vergleichbare Informationen über die beruflichen Schulen für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft sowie im Hochschulbereich von Bedeutung. Bei der Vorausrechnung der Schülerzahlen an beruflichen Schulen hat neben dem Verhalten der Bildungsteilnehmer, den bildungspolitischen Rahmenbedingungen und der demografischen Entwicklung ein weiterer Faktor entscheidenden Einfluss: die Wirtschaftslage. Die aktuelle Wirtschaftskrise verdeutlicht dies auf drastische Weise.

So dürfte nach ersten vorläufigen Ergebnissen der Schulstatistik 2009/10 die Zahl der Neueintritte an dualen Berufsschulen um rund 7 000 zurückgegangen sein. Im Schuljahr 2008/09 hatten noch knapp 76 600 Jugendliche den schulischen Teil ihrer Berufsausbildung an einer Berufsschule begonnen. Dieser Rückgang ist in erster Linie durch das rückläufige Angebot an Ausbildungsplätzen und erst in zweiter Linie durch die demografische Entwicklung bedingt. Aufgrund der stärker besetzten Ausbildungsjahrgänge der letzten 2 Jahre dürfte die Gesamtschülerzahl der öffentlichen und privaten Teilzeit-Berufsschulen 2009/10 allerdings nur um knapp 3 000 unter dem Wert von 216 061 des vorangegangenen Schuljahres liegen.

Alternative zur dualen Ausbildung: Berufliche Vollzeit-Schulen

Jugendliche, die keinen geeigneten Ausbildungsplatz im Rahmen der dualen Berufsausbildung finden, müssen eine Alternative suchen. Diese finden sie häufig an einer beruflichen Vollzeit-Schule, was auch die vorläufigen Ergebnisse für das laufende Schuljahr zeigen. Zwar sind die Schülerzahlen an Berufsfachschulen im Vergleich zu 2008/09 um rund 1 600 gesunken, entsprechend der Entwicklung der Absolventenzahlen der allgemeinbildenden Schulen wäre allerdings ein weitaus stärkeres Absinken zu erwarten gewesen. Die Berufskollegs, die auf dem mittleren Bildungsabschluss aufbauen, dürften im Schuljahr 2009/10 sogar fast 2 400 Schülerinnen und Schüler mehr als im Jahr zuvor besuchen. Viele Bildungsgänge an Berufskollegs bieten die Möglichkeit, zusätzlich zu einer beruflichen Grundbildung oder einer vollwertigen Berufsausbildung auch die Fachhochschulreife zu erwerben. Hierdurch eröffnet sich den Schulabsolventen, die ursprünglich einen mittleren Bildungsabschluss erreicht hatten, der Weg zur Aufnahme eines Hochschulstudiums.

Die Wirtschaftskrise wirkt sich auch noch auf einen weiteren Bereich der beruflichen Schulen aus: Einige Betriebe nutzen die geringe Auslastung offensichtlich für die Fortbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierdurch steigt die Nachfrage nach Kursen an Fachschulen. Gegenüber dem Schuljahr 2008/09 ist hier ein Anstieg um rund 1 400 Fortbildungswillige zu verzeichnen. Vor allem die Technikerschulen profitieren von dieser Entwicklung. Sie tragen mit einem Plus von mehr als 800 Schülern hauptsächlich zu diesem Anstieg bei.

52 neue Bildungsgänge an beruflichen Gymnasien seit 2007 errichtet

Der weitere Ausbau des Angebots an beruflichen Gymnasien im Land schreitet fort. Seit dem Schuljahr 2007/08 wurden insgesamt 52 neue Bildungsgänge eingerichtet, davon 23 an öffentlichen und 29 an privaten Schulen. Ein besonderer Schwerpunkt sind hierbei die sozialwissenschaftlichen Gymnasien. Bis zum Schuljahr 2008/09 war dieser Bildungsgang – bis dahin noch unter dem Namen sozialpädagogisches Gymnasium – überwiegend von privaten Einrichtungen geprägt. Den zwei öffentlichen sozialwissenschaftlichen Gymnasien standen 22 private gegenüber. Zu Beginn des laufenden Schuljahres wurden landesweit 15 öffentliche sozialwissenschaftliche Gymnasien eröffnet, zudem nahmen noch fünf weitere private Einrichtungen den Unterricht auf.

Diese erhebliche Ausweitung des Angebots wirkt sich nachhaltig auf die Entwicklung der Schülerzahlen aus. Seit dem Schuljahr 2006/07, dem Basisjahr der letzten Vorausrechnung, stieg die Schülerzahl der Eingangsstufe bis 2008/09 um rund 1 000 von fast 16 600 auf 17 600 an. Im Schuljahr 2009/10 besuchen annähernd 19 300 Schülerinnen und Schüler die Eingangsstufe der beruflichen Gymnasien – rund 1 700 mehr als im Vorjahr.

Anpassung der Vorausrechnungsannahmen notwendig

Die Vorausrechnung der Schülerzahlen basiert – wie bei den allgemeinbildenden Schulen – weitgehend auf einem Simulationsansatz. Allerdings ist der Verlauf von »Bildungskarrieren« im Bereich der beruflichen Schulen durch die Vielzahl der angebotenen Bildungsgänge wesentlich weniger vorstrukturiert als bei den allgemeinbildenden Schulen. Da derzeit im Rahmen der amtlichen Schulstatistik keine Schülerindividualdaten erhoben werden, aus denen typische Bildungsverläufe herauskristallisiert werden könnten, müssen die Modellbildungen zu den Übergängen an die beruflichen Schulen auf vereinfachten Annahmen beruhen. Die Neueintritte in berufliche Bildungsgänge werden daher mittels »Als-ob-Übergangsquoten« berechnet (vgl. i-Punkt). Diese werden für die einzelnen Schularten in der Regel auf Basis mehrjähriger Durchschnitte bestimmt. Die geschilderten Auswirkungen der Wirtschaftskrise und des Ausbaus der beruflichen Gymnasien erfordern jedoch in dieser Vorausrechnung ein Abweichen von diesem Grundsatz.

Bei den beruflichen Gymnasien werden die Quoten daher auf Basis der vorläufigen Ergebnisse für das Schuljahr 2009/10 bestimmt. Die Schülerzahlen einiger Schularten zeigen eindeutig eine Reaktion auf die aktuelle wirtschaftliche Lage. Um diese in der Vorausrechnung zu berücksichtigen, wurden die Übergangsquoten des Jahres 2009/10 unverändert im Schuljahr 2010/11 erneut angesetzt. Ab dem Schuljahr 2012/13 werden wieder »normale« Verhältnisse unterstellt. Für das Schuljahr 2011/12 wird ein »fließender« Übergang bei den Übergangsquoten angenommen.

Die Schülerzahlen der Berufsoberschulen – einschließlich der Berufsaufbauschulen – als Einrichtungen des zweiten Bildungswegs und die Schülerzahlen der Fachschulen, die in erster Linie der beruflichen Weiterbildung dienen, werden nicht auf Grundlage von Als-ob-Übergangsquoten ermittelt. Da hier der Beginn der aktuellen Aus- bzw. Weiterbildung oft einen sehr großen Abstand zum Erwerb des letzten allgemeinbildenden Abschlusses hat und dieser Abstand zwischen den Schülerinnen und Schülern weit streut, beruht die Berechnung auf den jeweiligen Altersanteilen an der Bevölkerung im Alter von 20 bis unter 25 Jahren.

Werkrealschulabschluss wird sich auf die 2-jährigen Berufsfachschulen auswirken

Neben der Wirtschaftsentwicklung wird sich aller Voraussicht nach auch eine bildungspolitische Weichenstellung im Bereich der allgemeinbildenden Schulen auf den Besuch beruflicher Schulen auswirken. Die Einführung der neuen Werkrealschule und Hauptschule im Schuljahr 2010/11 wird zur Folge haben, dass ein größerer Anteil der Jugendlichen den mittleren Abschluss an einer allgemeinbildenden Schule erwerben wird. Die Vorausrechnung geht hier davon aus, dass die Hälfte der Neuntklässler das Angebot des Besuchs der 10. Klassenstufe wahrnimmt. Entsprechend weniger Schulabsolventen mit Hauptschulabschluss werden dann an eine 2-jährige Berufsfachschule wechseln, um dort die Fachschulreife anzustreben. Allerdings werden diese Berufsfachschulen durch die im Bildungsplan verankerte enge Kooperation im Unterricht der Schülerinnen und Schüler der 10. Klassenstufe der Werkrealschule und Hauptschule eingebunden. Im Rahmen dieser Vorausrechnung werden diese Schülerinnen und Schüler nur an der Werkrealschule und Hauptschule und nicht an der Berufsfachschule gezählt.

Andererseits dürfte der Zuwachs an Schulabsolventen mit mittlerem Bildungsabschluss dazu führen, dass die Berufskollegs und auch die beruflichen Gymnasien stärker nachgefragt werden. Es ist somit eine Verlagerung der Anteile an der Gesamtschülerzahl zwischen verschiedenen Schularten an den beruflichen Schulen zu erwarten.

Rückgang der Schülerzahlen bis 2030 um fast ein Drittel

Nach den Ergebnissen der Vorausrechnung dürfte die Schülerzahl der öffentlichen und privaten beruflichen Schulen im Schuljahr 2009/10 mit fast 435 000 etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen. In den kommenden Jahren wird die Schülerzahl aufgrund der demografischen Entwicklung wieder deutlich absinken. Bereits zum Schuljahr 2012/13 werden weniger als 400 000 Schülerinnen und Schüler erwartet. Bis 2030 läge die Schülerzahl entsprechend den gewählten Annahmen knapp unter 300 000. Dies entspräche einem Rückgang um gut 31 %.

Der Bereich der Teilzeit-Berufsschule – und damit die duale Berufsausbildung – wäre von dieser Entwicklung stärker betroffen als die beruflichen Vollzeitschulen. Im Schuljahr 2008/09 wurden an den öffentlichen und privaten Teilzeit-Berufsschulen 216 061 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Bis 2030 wird hier ein Rückgang um 34 % auf nur noch gut 142 000 erwartet. Die beruflichen Vollzeitschulen besuchten 2008/09 insgesamt 218 534 Schülerinnen und Schüler. Für das Jahr 2030 ergibt die Vorausrechnung eine Schülerzahl von knapp 157 000, was einem Minus von etwas mehr als 28 % entspricht.

Berufliche Gymnasien zunächst mit deutlichem Anstieg

Die beruflichen Vollzeitschulen2 umfassen mehrere Schularten:

  • Vollzeit-Berufsschule,
  • Berufsvorbereitungsjahr,
  • Berufsfachschule,
  • Berufskollegs,
  • Berufsoberschulen (einschließlich Berufsaufbauschulen),
  • berufliche Gymnasien,
  • Fachschule und
  • Schulen für Berufe des Gesundheitswesens.

Einige Schularten des Vollzeit-Bereichs weisen noch steigende Schülerzahlen auf. Besonders die Schülerzahl der beruflichen Gymnasien dürfte aufgrund der oben beschriebenen Erweiterung des Angebots zunehmen. Im Schuljahr 2008/09 strebten dort 48 825 Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife an – rund 9 600 mehr als 7 Jahre zuvor im Schuljahr 2001/02. 7 Jahre darauf – im Schuljahr 2015/16 – könnte mit fast 57 000 Schülerinnen und Schülern der Höchststand erreicht werden. Bei dieser Entwicklung spielt, neben dem bereits realisierten und noch geplanten Ausbau des Angebots an beruflichen Gymnasien, auch die Ausweitung der Nachfrage durch den Anstieg der Zahl von Schulabsolventen mit mittlerem Abschluss als Folge der Einführung der neuen Werkrealschule eine Rolle. Bis 2030 würde die Schülerzahl dann annahmegemäß wieder auf knapp 44 000 absinken.

Die neue Werkrealschule und Hauptschule wird sich auch auf den Besuch der Berufskollegs auswirken. Abzulesen ist dieser Effekt am vorübergehenden Wiederanstieg der Schülerzahl der Berufskollegs im Schuljahr 2013/14. Die dann zu erwartenden zusätzlichen Schulabsolventen mit mittlerem Abschluss dürften den demografisch bedingten Rückgang der Schülerzahl mehr als ausgleichen, sofern die Berufskollegs die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen können. Die erwartete Zahl von etwas über 60 000 Schülerinnen und Schülern in den Schuljahren 2009/10 und 2010/11 ist höchstwahrscheinlich auf die erhöhte Nachfrage nach vollzeitschulischen Ausbildungsplätzen als Folge der aktuellen Wirtschaftskrise zurückzuführen. Gegen Ende des Vorausrechnungszeitraums dürfte die Schülerzahl auf gut 46 000 zurückgehen.

Schülerzahl der Fachschulen könnte auf über 20 000 ansteigen

Die aktuelle wirtschaftliche Situation hat zu einem Anstieg der Nachfrage nach Angeboten der beruflichen Fortbildung geführt. Sollte dieser Trend auch noch im kommenden Jahr anhalten, könnten bis 2011 jeweils mehr als 20 000 Fortbildungswillige an den Fachschulen unterrichtet werden. Im weiteren Verlauf bis 2030 wirkt sich der Rückgang der Bevölkerungszahl in der für diese Schulart typischen Altersgruppe aus. Die Schülerzahl würde dann wieder unter die Marke von 16 000 fallen.

Die Schulen für Berufe des Gesundheitswesens werden hier erstmals in die Vorausrechnung einbezogen. Sie dienen der Ausbildung in den nicht akademischen Gesundheitsberufen (zum Beispiel Krankenpflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) und sind im Geschäftsbereich des Sozialministeriums angesiedelt. Ihre Schülerzahl dürfte zunächst recht stabil bei etwas über 16 000 liegen. Da viele Ausbildungsgänge in diesem Bereich einen mittleren Abschluss als Vorbildung erfordern oder typischerweise von Jugendlichen mit diesem Abschluss gewählt werden, könnte auch hier die Schülerzahl ab 2012 durch die Absolventen der Werkrealschulen ansteigen. Hierzu müssten allerdings die Schulen die notwendigen Kapazitäten bereitstellen. Aus den Erfahrungen in den zurückliegenden Jahren ist allerdings zu schließen, dass das Angebot an Ausbildungsplätzen im Gesundheitsbereich auch von den finanziellen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen beeinflusst wird – und deren Entwicklung ist derzeit schwer kalkulierbar.

Berufsfachschulen mit rückläufiger Entwicklung

Die Schülerzahl der Berufsfachschulen (einschließlich des Berufseinstiegsjahrs) dürfte im Schuljahr 2008/09 mit gut 69 000 ihren Höhepunkt erreicht haben. Bereits der Anstieg der letzten beiden Schuljahre war nur auf die Einführung und den Ausbau des Berufseinstiegsjahrs zurückzuführen. Dieses Angebot soll den Berufseinstieg für Jugendliche mit Hauptschulabschluss erleichtern, die zunächst keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Es ersetzt damit einen Teil des Berufsvorbereitungsjahres, das nun speziell auf die Bedürfnisse von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss zugeschnitten ist.

Der für das Schuljahr 2012/13 erwartete starke Rückgang der Schülerzahl um fast 12 000 ist eine weitere Folge der Einführung der Werkrealschule und Hauptschule. Da geplant ist, dass im Schuljahr 2010/11 die Klassenstufen 5 bis 8 in der neuen Form beginnen, werden die ersten Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2012/13 in die 10. Klassenstufe wechseln – und dann eben nicht an die 2-jährige Berufsfachschule. Im Jahr 2030 ist nach dieser Vorausrechnung nur noch mit knapp der Hälfte der aktuellen Schülerzahl zu rechnen, da diese dann auf unter 33 000 abgesunken sein dürfte.

Das jetzt nur noch auf Jugendliche ohne Hauptschulabschluss und Ausbildungsplatz ausgerichtete Berufsvorbereitungsjahr wird voraussichtlich weiter an Bedeutung verlieren. Die Schülerzahl dürfte von 4 176 im Schuljahr 2008/09 bis 2030 auf unter 3 000 zurückgehen.