:: 4/2010

Regionale Bevölkerungsvorausrechnung bis 2030 für Baden-Württemberg

Weniger Menschen – vor allem weniger junge Menschen! Das gilt nicht nur für Baden-Württemberg insgesamt. Für den erfolgreichen Umgang mit diesen demografischen Herausforderungen ist eine fundierte und kleinräumige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung erforderlich. Die aktuelle Analyse zur regionalen Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass die demografische Entwicklung kleinerer Räume zum Teil stark von der gesamten Entwicklung des Landes abweicht. Bis zum Jahr 2030 wurde die Bevölkerungsentwicklung für Kreise und Gemeinden vorausgerechnet. Nur noch wenige Kreise und Gemeinden werden in den nächsten Jahren an Bevölkerung gewinnen können, der überwiegende Teil wird schrumpfen. Auch die Dynamik, mit der sich der Alterungsprozess vollzieht, wird regional unterschiedlich verlaufen. Heute noch hinsichtlich ihrer Bevölkerung vergleichsweise junge Kreise bzw. Gemeinden werden stärker von der Alterung betroffen sein als Gebiete mit bereits jetzt älterer Bevölkerung.

Den Rahmen für die regionale Bevölkerungsvorausrechnung stellt die Vorausrechnung für das gesamte Land Baden-Württemberg mit den ihr zugrunde liegenden Annahmen.1 Die aus der Landesvorausrechnung resultierenden Eckwerte setzen die Grenzen der kleinräumigen Entwicklung, sodass die kumulierten Regionalergebnisse die Landeswerte ergeben. Die regionale Bevölkerungsvorausrechnung stützt sich zudem auf die kommunalen Entwicklungen von Wanderungen, Geburten und Sterbefällen in der Vergangenheit und schreibt diese für die Zukunft fort (siehe i-Punkt). Die hier vorgestellten Ergebnisse sind also »Wenn–Dann«-Aussagen. Nur wenn die Annahmen so eintreffen, dann wird die regionale Entwicklung in der beschriebenen Form stattfinden.

Wenn nun die Lebenserwartung um rund 2,5 Jahre steigt, die Wanderungsgewinne und Geburtenraten dagegen so niedrig bleiben wie in den letzten Jahren, werden bis zum Jahr 2030 in Baden-Württemberg noch knapp 10,4 Mill. Menschen leben. Das sind fast 400 000 Menschen bzw. 3,5 % weniger als heute.

Nur in 2 Kreisen leben im Jahr 2030 etwas mehr Menschen als heute

Vom Bevölkerungsrückgang werden sukzessive alle Kreise betroffen sein. Lediglich die Stadtkreise Baden-Baden und Ulm können im Jahr 2030 mit etwas mehr Einwohnern rechnen als gegenwärtig. Im Stadtkreis Baden-Baden werden im Jahr 2030 voraussichtlich rund 55 800 Menschen leben. Dies entspricht einem Bevölkerungszuwachs von 1,8 % bzw. gut 1 000 Personen. Zum Vergleich: In den vergangenen 10 Jahren erfuhr der Kreis noch einen Bevölkerungszuwachs von gut 4 %. Das in dieser Zeit durchgängig im Stadtkreis vorhandene Geburtendefizit (mehr Sterbefälle als Geburten) wurde von den Wanderungen mehr als kompensiert. Künftig wird das Geburtendefizit aufgrund der geringeren Wanderungsgewinne immer weniger ausgeglichen. Baden-Baden wächst zunächst weiter, der Zuwachs wird jedoch laufend geringer und schon um das Jahr 2020 herum durch einen Bevölkerungsrückgang abgelöst.

Der Stadtkreis Ulm kann im Jahr 2030 voraussichtlich mit rund 122 000 Einwohnern rechnen. Dies entspricht einem geringen Zugewinn von 0,3 %. Das sind noch nicht einmal 400 Personen mehr als im Jahr 2008. In den vorausgegangenen 10 Jahren lag der Bevölkerungszuwachs Ulms bei rund 5 %. Im Gegensatz zu Baden-Baden wuchs Ulm bisher auch aufgrund einer durch die günstige Altersstruktur verursachten positiven Geburtenbilanz (mehr Geburten als Sterbefälle). Dies wird Ulm voraussichtlich nicht dauerhaft halten können. Gleichzeitig gehen die vorausgerechneten Wanderungsgewinne zurück. Beides zusammengenommen führt dazu, dass in Ulm das Bevölkerungswachstum stärker abgeschwächt wird als in Baden-Baden. Auch für Ulm wird um das Jahr 2020 der Scheitelpunkt erwartet.

Wie an diesen Beispielen deutlich wird, sind die Alterstruktur der Ausgangsbevölkerung, unterschiedliche Geburtenraten und die Wanderungsbewegungen die Ursachen der divergierenden regionalen Entwicklung. Altersstruktur und Geburten sind relativ gut vorauszuberechnen. Dagegen schwanken die Wanderungsbewegungen zum Teil auch kurzfristig erheblich. Unter anderem hängen sie stark vom regionalen Arbeitsplatzangebot und der allgemeinen wirtschaftlichen Stärke einer Region ab. Wohn- und Arbeitsort müssen jedoch nicht zwingend zusammenfallen, sodass innerhalb einer prosperierenden Region die Gemeinden mit attraktiver Infrastruktur, Erholungsmöglichkeiten, Wohnraum- und Baulandangebot etc. im Wanderungsgeschehen besser dastehen können als in dieser Hinsicht weniger attraktive Kommunen. Umgekehrt werden in schrumpfenden Regionen solche Gemeinden voraussichtlich weniger stark schrumpfen. Auch die Wohnortwahl älterer Menschen kann in Zukunft vor allem für landschaftlich attraktive Gebiete, zum Beispiel Bodensee oder Breisgau und Gemeinden mit besonders ausgerichteter Infrastruktur wie die Kur- und Bäderstädte von wachsender Bedeutung sein.

9 weitere Kreise werden noch bis 2015 wachsen

Neben Baden-Baden und Ulm gibt es 9 weitere Kreise, die zumindest bis zum Jahr 2015 mit leicht höheren Bevölkerungszahlen als heute rechnen können. Dazu gehören vor allem der Stadtkreis Freiburg (bis 2015 + 1,1 %) und die Landkreise Bodenseekreis, Emmendingen (je 0,8 %) sowie Konstanz (0,5 %). Dies sind die Kreise, die aus heutiger Sicht auch bis 2030 einen relativ moderaten Bevölkerungsrückgang haben werden und damit weniger verlieren als das Land im Durchschnitt (– 3,5 %). Drei dieser Kreise bleiben aus heutiger Sicht unter einem Prozent Bevölkerungsrückgang. Es sind der Stadtkreis Freiburg im Breisgau und die Landkreise Emmendingen und Bodenseekreis (siehe Tabelle).

Die mit Abstand höchste Bevölkerungsabnahme wird mit 8,8 % bis 2030 für den Landkreis Heidenheim erwartet. Schon länger werden für diesen Kreis negative Geburtenbilanzen und gleichzeitig Wanderungsverluste gemessen. Besonders hohe Bevölkerungsrückgänge, nämlich rund 7,0 %, werden auch für den Zollernalbkreis und den Landkreis Sigmaringen erwartet. Diese Kreise verlieren auch jetzt schon an Bevölkerung. Für den Landkreis Heidenheim wurden bis Ende 2008 bereits 7 Jahre in Folge leichte Bevölkerungsrückgänge gemessen, für den Zollernalbkreis 6 Jahre. Insgesamt 14 Kreise hatten bereits in mindestens 3 aufeinanderfolgenden Jahren leichte Rückgänge. Die Einwohnerzahlen der Kreise, die ihren Bevölkerungshöchststand schon in der Vergangenheit erreicht haben, werden voraussichtlich weiter zurückgehen.

Ländliche Kreise verlieren mehr Bevölkerung als Stadtkreise

Vor allem die eher ländlich strukturierten Räume verlieren bereits heute Einwohner. Andere Räume wachsen vorerst noch und werden voraussichtlich auch weniger Bevölkerung verlieren. Dies trifft besonders auf die Stadtkreise zu. Hier drückt sich der inzwischen messbare Reurbanisierungsprozess aus. Städte und Zentren haben in den letzten Jahren zunehmend im Wanderungsgeschehen gewonnen, während ländliche Gebiete und das Umland der Zentren im Wanderungsgeschehen vergleichsweise schlechter abschnitten bzw. sogar Bevölkerung verloren. Die Stadtkreise werden daher voraussichtlich später und zunächst geringer vom Bevölkerungsrückgang betroffen sein.2

Kleinräumige Entwicklungen haben zum Teil erhebliche Dynamik

Da Vorausrechnungsergebnisse in der Regel unsicherer werden, je kleiner die zugrunde liegende Bevölkerungszahl ist, wird die Bevölkerungsvorausrechnung mit Wanderungen nur für Gemeinden ab 5 000 Einwohner veröffentlicht. Die kleinste administrative Ebene, die eine flächendeckende Darstellung ermöglicht, ist die der Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden .3 Von den 449 Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden im Land wurde bis 2015 noch für 153 (34,1 %) eine steigende Bevölkerungszahl errechnet. 2030 wird die Bevölkerungszahl voraussichtlich nur noch in 17 Fällen höher liegen als 2015. Im Umkehrschluss heißt das, dass für 432 Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden von 2015 bis 2030 mit sinkenden Einwohnerzahlen zu rechnen ist – dies sind über 96 %.

4 Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden werden voraussichtlich 13 und mehr Prozent an Bevölkerung verlieren. Dies sind die Städte Külsheim und Niederstetten im Main-Tauber-Kreis, der Gemeindeverwaltungsverband Raumschaft Triberg im Schwarzwald-Baar-Kreis und die Verwaltungsgemeinschaft der Stadt Zell im Wiesental (Landkreis Lörrach). Die höchsten Bevölkerungsgewinne werden voraussichtlichen mit 5 bis 6 % für den Gemeindeverwaltungsverband Steinlach-Wiesaz im Landkreis Tübingen, den Städten Remseck am Neckar (Landkreis Ludwigsburg), Ostfildern (Landkreis Esslingen) sowie in der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinde Pfalzgrafenweiler erwartet. Solche Wachstumsraten werden in Zukunft eine absolute Ausnahme darstellen. Zudem können singuläre Ereignisse der vergangenen Jahre in den genannten Raumeinheiten zu außergewöhnlichem Bevölkerungswachstum geführt haben. Dies wirkt sich auch auf die Vorausrechnungsergebnisse aus.

Einwohnerzuwachs wird es nur noch in Ausnahmefällen geben

Durch die Typisierungen (siehe i-Punkt) der Gemeinden werden diese zwar nicht »über einen Kamm geschoren«, aber die Berücksichtigung kommunaler Besonderheiten, wie beispielsweise die Öffnung oder Schließung eines größeren Betriebes oder einer großen Pflegeeinrichtung, die Neuausweisung eines Baugebietes, ist in der regionalen Bevölkerungsvorausrechnung für das ganze Land nicht möglich. Solche Ereignisse können einmalige Wanderungsströme zur Folge haben und zu Verzerrungen der vorausberechneten Entwicklung sowohl nach oben als auch nach unten führen. Unumgänglich für die kommunale Planung vor Ort ist es darum, die Entwicklungen der letzten Jahre selbst zu reflektieren und zu analysieren.

Da die Bevölkerungszahl des Landes aus heutiger Sicht zurückgehen wird, werden etwaige Wachstumsprozesse in einer Gebietseinheit größtenteils mit Schrumpfung in anderen Regionen einhergehen. Zu beachten ist darüber hinaus, dass der Rückgang der Einwohnerzahlen sich nach 2030 – entsprechend der Ergebnisse der Landesvorausrechnung – noch verstärken wird. Spätestens dann ist damit zu rechnen, dass der Bevölkerungsstand nur noch in sehr wenigen Gemeinden gehalten werden kann. Um kommunale Fehlinvestitionen in die Infrastruktur zu vermeiden, sollte dies in Planungsprozessen frühzeitig berücksichtigt werden.

Die Ursachen für Unterschiede in der Entwicklung der Einwohnerzahl sind vielseitig. Bereits die visuelle Analyse macht deutlich, dass die Topografie und die Verkehrsanbindung eine wichtige Rolle spielen. Es gibt Landkreise, in denen die Entwicklung auf Ebene der Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften sehr unterschiedlich verläuft und solche mit homogenen Entwicklungstendenzen. Unter Letzteren stechen vor allem die Landkreise Sigmaringen und Heidenheim hervor. Hier wird für alle Gemeinden dieser Kreise ein Bevölkerungsrückgang von über 5 % errechnet. Durchgehend überdurchschnittlich werden sich voraussichtlich die Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden im Landkreis Emmendingen entwickeln.

In den anderen Kreisen werden voraussichtlich städtisch geprägte Gebiete und solche mit einer guten Verkehrsanbindung beziehungsweise einem eigenen guten Arbeitsplatzangebot weniger vom Bevölkerungsrückgang betroffen sein. Selbst dort ist aber nicht mehr mit starkem Bevölkerungswachstum zu rechnen, was bei der Planung der kommunalen Entwicklung zu beachten sein wird.

Von der Alterung der Bevölkerung sind alle regionalen Einheiten betroffen

Geringer werdende Geburtenzahlen und Wanderungsgewinne führen nicht nur dazu, dass die Zahl der Einwohner zurückgeht. Bedeutender noch ist der Wandel der Altersstruktur. Dazu leistet auch die steigende Lebenserwartung einen Beitrag. Die Älteren werden einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen, während der Anteil der Jüngeren sukzessive zurückgeht. Das Durchschnittsalter verschiebt sich dadurch in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich nach oben.

Landesweit ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters um 4,4 Jahre auf 46,6 Jahre in 2030 zu rechnen. Die Zunahme des Durchschnittsalters in den Kreisen bis 2030 bewegt sich in der Spanne zwischen 0,8 und 5,7 Jahren. Dabei hat die Altersstruktur der Ausgangsbevölkerung einen deutlichen Einfluss. Es sind die derzeit »jüngeren« Kreise, die umso dynamischer altern. Sie sind durch das Hineinwachsen stark besetzter Jahrgänge in höhere Altersgruppen bei gleichzeitig abnehmenden Geburtenzahlen stärker von der Alterung betroffen.

Zudem wird die regionale Alterung vom Wanderungsverhalten der einzelnen Altersgruppen beeinflusst. So profitierte Baden-Baden in der Vergangenheit von einer starken Zuwanderung Älterer. Der dadurch entstandene hohe Anteil an Senioren führt zu einem Durchschnittsalter von heute 47 Jahren. Baden-Baden hat heute schon eine Altersstruktur, die künftig für viele Gemeinden charakteristisch sein wird. Die Verschiebungen werden entsprechend schwächer ausfallen. Der relativ geringe Wandel zeigt sich auch in dem voraussichtlich geringen Anstieg des Durchschnittsalters um nur 0,8 Jahre. Damit bleibt Baden-Baden nur knapp der Kreis mit der ältesten Bevölkerung. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald wird wahrscheinlich im Jahr 2030 mit einem Durchschnittsalter von 47,7 Jahren fast gleichauf liegen. Die Zunahme des Durchschnittsalters fällt mit 5,2 Jahren dort deutlich höher aus. Dort wächst die Altersgruppe der über 60-Jährigen überdurchschnittlich, während die Bevölkerung im Erwerbsalter deutlich abnimmt. Am stärksten altern die Landkreise Tübingen und Heilbronn. Das Durchschnittsalter in diesen Landkreisen wird bis 2030 um 5,7 Jahre auf voraussichtlich 46,1 bzw. 47 Jahre zunehmen. Hohe Wachstumsraten bei den Älteren bei gleichzeitig starkem Rückgang der Jüngeren sind auch hier die Ursache. Der Landkreis Tübingen wird aufgrund der verhältnismäßig jungen Ausgangsbevölkerung trotz des stark steigenden Durchschnittsalters auch 2030 noch unter dem Landesdurchschnitt liegen.

Die im Jahr 2030 »jüngsten« Kreise profitieren vom Zuzug junger Menschen. Mit jeweils 44,5 Jahren läge das Durchschnittsalter der Stadtkreise Stuttgart und Ulm im Jahr 2030 um 2 bis knapp 3 Jahre höher als heute. Stuttgart und Ulm lösen so künftig die Ende 2008 »jüngsten« Landkreise Tübingen und Biberach ab. Die beiden Stadtkreise profitieren vom Zuzug junger Menschen und der Wegzug Älterer schwächt zusätzlich den Alterungsprozess ab. Dies gilt auch für andere Kreise mit hohen Studierendenzahlen oder hoher Arbeitsplatzdichte. Unter den Landkreisen wird 2030 wahrscheinlich Tuttlingen die jüngste Bevölkerung aufweisen. Hier wirkt ebenfalls die Zuwanderung junger Altersgruppen, hinzu kommt eine verhältnismäßig hohe Geburtenrate.

Der Anteil der jungen und erwerbsfähigen Menschen wird sinken

Der Vergleich des Durchschnittsalters liefert nur einen ersten Eindruck von der Alterung einer Bevölkerung. Genauere Erkenntnisse liefert die Analyse einzelner Altersgruppen. Deren Entwicklung verläuft zum Teil regional sehr unterschiedlich. Den stärksten Verlust an junger Bevölkerung wird aus heutiger Sicht der Landkreis Sigmaringen haben. Die unter 20-Jährigen werden landesweit zwischen 2008 und 2030 um 19 % abnehmen. Im Landkreis Sigmaringen werden es voraussichtlich 27 % weniger Junge sein als heute. Nur im Stadtkreis Baden-Baden bleibt diese Altersgruppe stabil. Auch die Erwerbsbevölkerung (20 bis unter 60-Jährige) geht in den Kreisen unterschiedlich stark zurück. Der stärkste Rückgang an »junger« Erwerbsbevölkerung (20 bis unter 40 Jahre) wird für den Stadtkreis Heidelberg mit 23 % errechnet. Im Landesdurchschnitt liegt der Rückgang bei 12 %. Am stärksten vom Rückgang der »älteren« Erwerbsbevölkerung (40 bis unter 60 Jahre) wird voraussichtlich Tübingen betroffen sein (– 24 %). Landesweit verliert diese Bevölkerungsgruppe um 17 %.

Ältere und Hochbetagte werden die Gesellschaft künftig stärker prägen

Im Unterschied zu den jungen Menschen werden die Älteren (60- bis unter 85-Jährige) und die Hochbetagten (85-Jährige und Ältere) sowohl absolut als auch prozentual zunehmen. Dies gilt für alle Kreise, jedoch in sehr unterschiedlichem Umfang. Im Landesdurchschnitt werden die 60- bis unter 85-Jährigen voraussichtlich um 31 % zunehmen. In Stuttgart wird diese Altersgruppe von heute aus gesehen nur um 11 % wachsen, im Landkreis Tübingen dagegen um 59 %. Am stärksten nehmen die Hochbetagten zu, im Landesdurchschnitt um 85 %. In 11 Landkreisen wird sich die Zahl der Hochbetagten voraussichtlich mehr als verdoppeln. Spitzenreiter ist der Landkreis Emmendingen mit einer Zunahme um 131 %. Der Landkreis Heilbronn folgt mit 124 %. In Baden-Baden wird der Anteil der Hochbetagten dagegen aus heutiger Sicht nur um 15 % wachsen, denn diese Altersgruppe hat in Baden-Baden auch heute schon erhebliches Gewicht. Mit 39 % hat Stuttgart die zweitniedrigste Zuwachsrate in dieser Altersgruppe.

Die Analyse der Karten zu den Altersgruppen lässt einige Zusammenhänge erkennen, die aus der reinen Betrachtung der Zahlenwerte nicht hervorgehen. Ein wichtiger Aspekt, und zwar noch deutlicher als bei der Entwicklung der Gesamtbevölkerung, ist die Unterscheidung zwischen Stadt- und Landkreisen. Nimmt man den Stadtkreis Baden-Baden mit seiner besonderen Situation aus der Betrachtung heraus, lässt sich eindeutig feststellen, dass in den Stadtkreisen gegenüber den Landkreisen die Erwerbsbevölkerung überdurchschnittlich, die Jüngeren und Älteren hingegen unterdurchschnittlich vertreten sind. Hier spielt die Ballung höherer Bildungseinrichtungen und eine hohe Arbeitsplatzdichte eine Rolle. Die demografische Situation in den Stadtkreisen wird sich daher nicht so intensiv verändern wie die der Landkreise.

Steigende Belastung der erwerbsfähigen Bevölkerung

Die mittlere, erwerbsfähige Generation trägt die Solidarlasten für die jungen und alten Menschen in der Gesellschaft. Die Entwicklung dieser Bevölkerungsgruppe spielt somit eine große Rolle für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft. Ende 2008 standen im Land 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (hier definiert als 20 bis unter 60 Jahre) 81 Personen gegenüber, die noch nicht bzw. nicht mehr der Erwerbsbevölkerung angehören. Bis zum Jahr 2030 wird sich dieser Quotient merklich verschieben. Von je 100 Erwerbsfähigen sind dann 24 Personen mehr zu versorgen. Der Quotient liegt dann voraussichtlich bei 105 Nichterwerbsfähigen, die von je 100 Personen der mittleren Altersgruppe zu versorgen wären.

Das Verhältnis von Erwerbsfähigen zu Nichterwerbsfähigen verschiebt sich in allen Kreisen zuungunsten der erwerbsfähigen Bevölkerung. Baden-Baden ausgenommen, werden die Stadtkreise in Zukunft aber ein vergleichsweise günstigeres Verhältnis dieser Bevölkerungsgruppen zueinander aufweisen können als die Landkreise. Wieder ist es der Stadtkreis Stuttgart, der hier hervorsticht. 2008 lag das Verhältnis Nichterwerbsfähige zu 100 Erwerbsfähigen bei 69, bis 2030 wird es zwar rechnerisch auf 79 ansteigen, aber landesweit wird das die günstigste Quote sein. Das im Jahr 2008 günstigste Zahlenverhältnis hatte der Stadtkreis Heidelberg mit 57 Nichterwerbsfähigen zu 100 Erwerbsfähigen. Heidelberg wird 2030 voraussichtlich die zweitgünstige Quote aufweisen, da dann auf 100 Personen der mittleren Gruppe 82 Jüngere und Ältere kommen.

Das ungünstigste Generationenverhältnis werden 2030 voraussichtlich die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen haben. Im ersten Fall steigt es von 86 auf 116 zu je 100 Erwerbsfähigen und im zweiten Fall von 82 Nichterwerbsfähigen auf 114 je 100 Erwerbsfähige. Dagegen haben beispielsweise der Stadtkreis Baden-Baden (96 zu je 100 Personen der mittleren Bevölkerung) und der Landkreis Heidenheim (90 zu je 100) schon jetzt einen hohen Quotienten. Die Steigerung fällt in diesen Kreisen daher nicht so drastisch aus. Für beide Kreise wird der Quotient im Jahr 2030 vorausgerechnet bei 110 Nichterwerbsfähige je 100 Erwerbsfähige und damit am oberen Rand liegen.

Verbessernd kann sich jedoch auswirken, wenn die Erwerbsbeteiligung der mittleren Altersgruppe ansteigt, insbesondere durch die stärkere Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und die Ausweitung der Lebensarbeitszeit. Die Solidarlasten könnten etwas besser aufgefangen werden, als die reinen Quoten nahe legen. Eine Modellrechnung, die den Anstieg des tatsächlichen Renteneintrittsalters auf 65 Jahre vorsieht, kommt für das Land zu einer Quote von 90 zu versorgenden Personen auf je 100 Personen der Altersgruppe 20 bis unter 65 Jahre. Das wären gegenüber der Rechnung mit Bezug auf die 20- bis unter 60-Jährigen 15 Personen weniger, die von 100 Erwerbsfähigen zu versorgen wären.4

Umdenken in der kommunalen Planung und Daseinsvorsorge wird erforderlich

Verbunden mit der schrumpfenden und alternden Bevölkerung ergeben sich veränderte Ansprüche an die Gestaltung der einzelnen Lebensbereiche. So werden die Menschen anders wohnen, arbeiten oder auch reisen wollen bzw. können. Der Umgang mit dem demografischen Wandel betrifft folglich alle gesellschaftlichen Bereiche, von Politik, Verwaltung und Wirtschaft und das Miteinander in einer Gesellschaft bis hin zu den Lebensläufen Einzelner. Die Kreise und Kommunen mit stark alternder und rückläufiger Bevölkerung stehen vor besonderen Herausforderungen mit Blick auf die Anpassung von Infrastruktur, Dienstleistungen und der Nutzung und Mobilisierung der Potenziale älterer Menschen vor Ort. Die Verwirklichung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist dabei ein ehrgeiziges Ziel. Um soziale Disparitäten zu vermeiden, werden besondere Anstrengungen erforderlich. Besonders gilt das für ländliche Regionen. Der Erfahrungsschatz ostdeutscher Kommunen, die schon seit Längerem an Bevölkerung verlieren, könnte für die Bewältigung der auch in Baden-Württemberg anstehenden Herausforderungen hilfreich sein.

Die hier vorgelegten Ergebnisse der regionalen Bevölkerungsvorausrechnung können als fundierte Planungsgrundlage dienen und wegen der einheitlichen Methode eine regionale Vergleichbarkeit schaffen. Sie stehen für Regierungsbezirke, Regionen, Kreise und Gemeinden ab 5 000 Einwohner zur Verfügung. Die Daten sind in der Regionaldatenbank des Statistischen Landesamts verfügbar. Daneben bietet das Statistische Landesamt für alle Gebietseinheiten die Ergebnisse einer Modellrechnung ohne Wanderungen an (vgl. i-Punkt).