:: 5/2010

Report »Familien in Baden-Württemberg« liefert fundierte Informationen zur Lebenssituation von Familien

Neues Format der Familienberichterstattung seit 2008

Sämtliche Aktivitäten, die darauf abzielen, die Lebensbedingungen für Familien zu verbessern, setzen eine fundierte Kenntnis der tatsächlichen Lage von Familien voraus. Eine wichtige Grundlage hierfür liefern Familienberichte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Nur wenn bekannt ist, wie Familien heute leben, wie sie Familie und Beruf vereinbaren, in welcher ökonomischen Lage sie sich befinden und wie es mit der Bildung aussieht, können passgenaue Strategien entwickelt werden, um Familien wirksam zu unterstützen. Der Report »Familien in Baden-Württemberg«, mit dem das Land neue Wege in der Familienberichterstattung beschreitet, liefert zu diesen und anderen Fragen aktuelle Daten und fundierte Informationen.

Familienberichterstattung hat in Deutschland und auch in Baden-Württemberg eine jahrzehntelange Tradition: 1968 erschien der erste von mittlerweile 7 Familienberichten auf Bundesebene. Der erste Familienbericht für Baden-Württemberg wurde 8 Jahre später (1976) vom damaligen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung erstellt. Dadurch rückte die Situation von Familien in Baden-Württemberg in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, wenngleich es auch weitere knapp 20 Jahre dauern sollte, bis der Startschuss zu einer kontinuierlichen Familienberichterstattung im Land gegeben wurde. Ausgangspunkt hierfür waren Empfehlungen der vom Landtag eingesetzten Enquete-Kommission »Kinder in Baden-Württemberg« zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern (und Familien) in Baden-Württemberg, die eine »kontinuierliche Berichterstattung mindestens einmal in der Mitte der Legislaturperiode« anregte.1 Daraufhin wurde die FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt mit der Erstellung des zweiten Familienberichts beauftragt. Dieser Bericht wurde 1998 veröffentlicht und bot auf 918 Seiten einen umfassenden Überblick über die Lebenssituation von Familien sowie über wichtige familienpolitische Themen, Handlungsfelder und Maßnahmen. Der dritte Familienbericht erschien 2004 in 2 Bänden. Der 1. Teil analysierte familiale Strukturen und Entwicklungen der Familien in Baden-Württemberg, der 2. Band beschäftigte sich mit der Lebenssituation von Familien mit Migrationshintergrund.2

Neues Konzept der Familienberichterstattung in Baden-Württemberg seit 2008

Im Jahr 2008 wurden die bis dahin einmal pro Legislaturperiode erschienenen langen Familienberichte durch den Report »Familien in Baden-Württemberg« ersetzt. Der Report wird ebenfalls von der FamilienForschung im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg erstellt und erscheint quartalsweise als Online-Publikation.

Damit wird die Tradition der Familienberichterstattung in Baden-Württemberg in zeitgemäßer Form fortgeführt und dem Bedürfnis nach aktueller und kompakt aufbereiteter Information Rechnung getragen. Das neue Format ermöglicht es, familienpolitisch relevante Themen stärker als bisher zeitnah aufzugreifen und flexibel auf den sich ergebenden Informationsbedarf zu reagieren.

Der Report stellt auf etwa 20 Seiten Ergebnisse der amtlichen Statistik sowie aktuelle sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und politische Handlungsfelder zu jeweils einem Thema rund um die Familie zusammen. Die Auswahl der Themen orientiert sich einerseits an deren familienpolitischer Relevanz, andererseits soll regelmäßig und systematisch über bestimmte Themenfelder informiert werden. Dazu gehören die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf Familien ebenso wie die Bereiche Betreuung und Bildung, Arbeitswelt und familiäre Aufgabenteilung sowie die ökonomische Lage und familienpolitische Entwicklungen. Auch die Lebensbedingungen von Familien mit Migrationshintergrund werden im Sinne eines kontinuierlichen Monitorings in bestimmten Abständen regelmäßig in den Blick genommen. Da die europäische Perspektive immer wichtiger wird, findet sich in jedem Report darüber hinaus ein Kapitel, in dem Erfahrungen unserer europäischen Nachbarländer und internationale Entwicklungen aufgegriffen werden.

Alle bisherigen Ausgaben des Reports können auf den Internetseiten der FamilienForschung (www.fafo-bw.de) und des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg (www.sozialministerium-bw.de) heruntergeladen werden. Das Angebot findet großen Zuspruch: Allein auf der Homepage der FamilienForschung Baden-Württemberg wurden bisher insgesamt rund 12 740 Seitenabrufe registriert, 2009 waren es pro Quartal im Schnitt etwa 1 700. Darüber hinaus besteht auf dieser Homepage auch die Möglichkeit eines kostenlosen Abonnements. Immer mehr Menschen nutzen diese Möglichkeit, um sich über wichtige familienpolitische Themen und Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Insgesamt nehmen bereits rund 820 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft, Verantwortliche in Kommunen, Betrieben, Kirchen, Verbänden und sonstigen Organisationen dieses Angebot in Anspruch.

Breites Spektrum an Familienberichten auf Landesebene

Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Ländern hat die Familienberichterstattung eine mittlerweile langjährige Tradition.3 Das Spektrum reicht von kontinuierlich erstellten umfassenden Bestandsaufnahmen zur Lage von Familien, bis hin zu in unregelmäßigen Abständen erscheinenden themenbezogenen Berichten. In einigen Bundesländern werden Familienberichte durch die Ministerien selbst erstellt (zum Beispiel in Hessen oder Thüringen), anderenorts werden externe Institutionen oder Forschungsinstitute beauftragt (zum Beispiel Baden-Württemberg oder Bayern). Nach wie vor existieren jedoch nicht in allen Ländern eigenständige Familienberichte. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist die Familienberichterstattung Teil einer allgemeinen umfassenden Sozialberichterstattung. Regelmäßig erscheinende Sozialberichte werden hier durch themenbezogene Veröffentlichungen wie zuletzt durch den Bericht »Prekäre Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen« (2009) vertieft. Darüber hinaus wurde in Nordrhein-Westfalen ein System kommunaler Familienberichterstattung aufgebaut. Dazu gehören ein familienstatistisches Informationssystem (FIS) und Familienbefragungen.4 In Thüringen hat man den Weg zu einer eigenständigen Familienberichterstattung erst vor kurzem eingeschlagen. Hier erschien im vergangenen Jahr der 1. Thüringer Familienbericht »Familien in Thüringen – eine gesamtgesellschaftliche Bestandsaufnahme« (2009).

Beteiligungsorientierte Familienberichterstattung in Berlin

Neben Baden-Württemberg betritt derzeit auch Berlin Neuland in der Familienberichterstattung. Dort wurde der Berliner Beirat für Familienfragen vom Senat beauftragt, in der laufenden Legislaturperiode einen Familienbericht zu erstellen, der Ende 2010 veröffentlicht werden soll. Das Konzept sieht neben der Auswertung relevanter Daten und Informationen zur Situation Berliner Familien weitgehende Beteiligungsmöglichkeiten für Familien und familienpolitische Akteure vor. So fand beispielsweise Ende 2008 ein Online-Dialog mit Berliner Familien und anderen Interessierten statt. Darüber hinaus hatten Familien im 1. Halbjahr 2009 die Möglichkeit, ihre Themen und Interessen in insgesamt 6 Familienforen einzubringen. Des Weiteren sollen durch familienpolitische Akteure gute Praxisbeispiele für mehr Familienfreundlichkeit vorgestellt und zu verschiedenen Themen und einzelnen Fragestellungen des Familienberichts Wissenschaftsexpertisen vergeben werden. Ein weiterer Bestandteil des Konzepts sind Diskussionsveranstaltungen und Fachforen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden, Wissenschaft und Praxis.5

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass für die Entwicklung zukunftsorientierter familienpolitischer Maßnahmen und passgenauer Unterstützungsangebote für Familien zwei Dinge unabdingbar sind. Dies sind eine solide datengestützte Informationsgrundlage und, wenn es darum geht, familienfreundlichere Rahmenbedingungen vor Ort zu schaffen, die Beteiligung von Familien und familienpolitisch Aktiven.

Familienberichterstattung und Serviceangebote für Kommunen

Beides geht in Baden-Württemberg Hand in Hand. Mit dem Report »Familien in Baden-Württemberg« wird eine zuverlässige Informationsquelle für familienpolitisch Aktive und Interessierte zur Verfügung gestellt. Beteiligungsverfahren haben sich im Rahmen von Zukunftswerkstätten Familienfreundliche Kommune und Regiokonferenzen etabliert. Zukunftswerkstätten dienen der nachhaltigen Weiterentwicklung der Familienfreundlichkeit vor Ort. Unter Beteiligung von Bürgerschaft und Akteuren vor Ort werden neue Ideen entwickelt, Vorschläge aufgegriffen und daraus praxistaugliche Handlungskonzepte entwickelt.6 Seit 2006 wurden in Zusammenarbeit mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales in Baden-Württemberg über 40 Zukunftswerkstätten durchgeführt. Regiokonferenzen zur Familienfreundlichkeit sind eintägige Arbeitskonferenzen der relevanten Entscheidungsträgerinnen und -träger und Fachvertreterinnen und Vertreter, um das Thema Kinder- und Familienfreundlichkeit auf regionaler Ebene voranzubringen und die Zusammenarbeit der Kommunen und Unternehmen sowie der weiteren Bündnispartner in der Region zu stärken. Da diese Serviceangebote und die Familienberichterstattung in Baden-Württemberg in einer Hand liegen, können wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse aus diesen beteiligungsorientierten Verfahren auch im Rahmen der Familienberichterstattung aufgegriffen werden und Ergebnisse aus der Familienberichterstattung direkt in der Praxis aufgenommen werden.

Die Erkenntnis, dass familienpolitische Maßnahmen einen gesamtgesellschaftlichen Gewinn bedeuten und von mehr Familienfreundlichkeit in unserer Gesellschaft alle profitieren, ist nicht neu. Ein Zitat aus dem ersten Familienbericht in Baden-Württemberg (1976) verdeutlicht, welchen Stellenwert Familienpolitik – nicht erst seit heute – hat: »Gute Familienpolitik ist zugleich elementare Gesellschaftspolitik. Sie löst viele Probleme an der Wurzel.«7