:: 9/2012

Was hat die gute Konjunktur dem Arbeitsmarkt gebracht?

Der baden-württembergische Arbeitsmarkt präsentiert sich in immer besserer Verfassung. Nachdem die Zahl der Arbeitsplätze bereits im Jahr 2011 dank kräftiger konjunktureller Impulse jahresdurchschnittlich auf einen neuen Höchstwert von 5,73 Mill. geklettert war, erreichte die Erwerbstätigenzahl im 1. Quartal 2012 mit 5,77 Mill. ein weiteres Maximum. Gleichwohl sind noch Spuren der zurückliegenden Wirtschaftskrise auf dem Arbeitsmarkt erkennbar. Die Nachfrage der Arbeitgeber nach Arbeit, ausgedrückt in der Zahl der von den erwerbstätigen Personen geleisteten Arbeitsstunden, hat noch nicht wieder ihr Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2008 erreicht. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden war in den Krisenjahren wegen des Abbaus von Arbeitszeitkonten und der massiven Ausweitung der Kurzarbeit weitaus stärker zurückgegangen als die Zahl der Erwerbstätigen. Auch die Daten zu den erwerbstätigen Personen zeigen stellenweise noch Spuren der letzten Wirtschaftskrise. Die Erwerbstätigenzahl im Produzierenden Gewerbe, das seinerzeit besonders stark von der Nachfrageschwäche betroffen war, liegt ebenfalls noch unter ihrem Vorkrisenniveau.

Neuer Höchststand der Erwerbstätigen im 1. Quartal 2012

Die Zahl der Arbeitsplätze im Land erreichte im 1. Quartal 2012 nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« mit über 5,77 Mill. einen neuen Höchststand. Allein gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal betrug der Zuwachs der Erwerbstätigenzahl fast 109 000 oder 1,9 %. Gegenüber dem Vorquartal ging die Zahl der Erwerbstätigen zwar um rund 23 000 bzw. 0,4 % zurück, der Rückgang der Erwerbstätigenzahl gegenüber dem Schlussquartal des Vorjahres ist jedoch saisonal üblich und fiel aktuell spürbar geringer aus als noch in den beiden Jahren zuvor (2011: −37 000, 2010: −66 000). Von den positiven Tendenzen auf dem baden-württembergischen Beschäftigungsmarkt profitierte vor allem die große Gruppe der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer. Nach neuesten Angaben der Bundesagentur für Arbeit standen im März 2012 über 4,05 Mill. Personen in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis, 104 000 oder 2,6 % mehr als ein Jahr zuvor.

Der Erwerbstätigenzuwachs in Baden-Württemberg übertraf im Startquartal 2012 mit einem Plus von 1,9 % gegenüber dem Vorjahr die bundesweite Entwicklung um 0,4 Prozentpunkte. Im Bundesländervergleich lag Baden-Württemberg nach Berlin, Bayern und Hessen auf Platz vier. Die Spannweite der Erwerbstätigenentwicklung reichte von einem Zuwachs um 2,3 % in Berlin bis zu einem Arbeitsplatzabbau in Sachsen-Anhalt um 0,5 %. Bereits seit dem 1. Quartal 2011 steigt die Zahl der Arbeitsplätze in Baden-Württemberg prozentual stärker als bundesweit.

Vorkrisenniveau im Produzierenden Gewerbe noch nicht erreicht

Den zahlenmäßig stärksten Erwerbstätigenzuwachs gab es im 1. Quartal 2012 im Vergleich zum Vorjahr im Verarbeitenden Gewerbe mit einem Anstieg um 33 000 oder 2,4 %. Dort arbeiteten insgesamt 1,43 Mill. Erwerbstätige. Dank des immer kräftigeren Stellenzuwachses im Verarbeitenden Gewerbe trug das übergeordnete Produzierende Gewerbe aktuell zu 34 % zum gesamten Erwerbstätigenzuwachs im Land bei, ein Jahr zuvor waren dies lediglich 21 %. In diesem Wirtschaftssektor arbeiteten im Startquartal 2012 insgesamt 1,8 Mill. Erwerbstätige, 37 000 oder 2,1 % mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Trotz des kräftigen Anstiegs unterschritt die Erwerbstätigenzahl im Produzierenden Gewerbe das Vorkrisenniveau aus dem Startquartal 2008 allerdings noch um fast 31 000 oder 1,7 %.

Zahlenmäßig den stärksten Stellenzuwachs im Dienstleistungsbereich verbuchte im 1. Quartal 2012 der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe sowie Information und Kommunikation mit einem Plus von über 29 000 Arbeitsplätzen gegenüber dem Vorjahresquartal (+2,1 %). Bei den Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistern einschließlich Grundstücks- und Wohnungswesen entstanden per Saldo 24 000 Arbeitsplätze (+2,7 %). In der Zeitarbeitsbranche, die wirtschaftsfachlich zu den Unternehmensdienstleistern gehört, gab es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im März 2012 erstmals seit Januar 2010 wieder einen Beschäftigungsrückgang. Dort waren aktuell fast 93 000 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 600 weniger als im entsprechenden Vorjahresmonat (−0,6 %). Die von den Leiharbeitnehmern ausgeübten Berufe deuten darauf hin, dass diese überwiegend in der Industrie tätig sind. Deshalb lief in den letzten Jahren die Beschäftigungsentwicklung in der Zeitarbeitsbranche der Beschäftigtenentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe zeitlich voraus. Der Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Zeitarbeitsbranche könnte damit einen allmählich nachlassenden Beschäftigungszuwachs in der Industrie anzeigen. Im übergeordneten Dienstleistungssektor waren im Startquartal 2012 im Südwesten insgesamt rund 3,9 Mill. Menschen erwerbstätig, fast 70 000 oder 1,8 % mehr als im entsprechenden Vorjahresquartal.

Erwerbstätigenzahl bereits 2011 um 0,9 % über Vorkrisenniveau

Bereits im Jahr 2011 hatte die Zahl der Erwerbstätigen im Südwesten einen neuen Höchststand von 5,73 Mill. erreicht und das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2008 erstmals wieder überschritten. Die Zahl der Erwerbstätigen hatte 2011 jahresdurchschnittlich dank kräftiger konjunktureller Impulse gegenüber dem Vorjahr um fast 89 000 oder 1,6 % auf 5,73 Mill. zugenommen. Mit dem Zuwachs von insgesamt 95 000 Stellen in den Jahren 2010 und 2011 konnte der durch die Wirtschaftskrise bedingte Verlust von fast 42 000 Arbeitsplätzen im Jahr 2009 ausgeglichen und das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2008 um mehr als 53 000 übertroffen werden (+0,9 %).

Spiegelbildlich zum Zuwachs an Arbeitsplätzen ging die Arbeitslosigkeit 2011 kräftig zurück. Nach neuesten Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Südwesten durchschnittlich rund 227 000 Menschen arbeitslos, fast 46 000 oder 16,8 % weniger als im Jahr 2010. Die auf alle zivilen Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote sank auf 4 %, den nach Bayern bundesweit zweitniedrigsten Wert.

Geleistete Arbeitsstunden 2011 noch um 0,4 % unter Vorkrisenniveau

In Baden-Württemberg arbeiteten im Jahr 2011 die 5,73 Mill. Erwerbstätigen insgesamt fast 8 Mrd. Stunden. Das waren rund 181 Mill. Stunden bzw. 2,3 % mehr als ein Jahr zuvor. Das Niveau der geleisteten Arbeitsstunden lag damit noch um rund 34 Mill. Stunden unter seinem bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2008 (−0,4 %). Dass die Zahl der erwerbstätigen Personen – anders als die von ihnen geleisteten Arbeitsstunden – im Jahr 2011 das Vorkrisenniveau von 2008 bereits um 53 000 übertroffen und einen neuen Höchststand erreichte, hat vor allem folgende Gründe:

Das Niveau der geleisteten Arbeitsstunden war nach den arbeitsplatzerhaltenden Maßnahmen in Form eines Abbaus von Arbeitszeitguthaben und der massiven Ausweitung der Kurzarbeit im Jahr 2009 um 5,0 % gesunken, mehr als sieben Mal so stark wie die Zahl der erwerbstätigen Personen (– 0,7 %).

Mit der kräftigen konjunkturellen Erholung in den Jahren 2010 und 2011 stieg das Arbeitsvolumen insbesondere wegen des Abbaus der konjunkturellen Kurzarbeit, aber auch wegen Neueinstellungen zwar wieder um 2,4 bzw. 2,3 %. Von den Neueinstellungen profitierten jedoch in erster Linie Arbeitnehmer mit Teilzeitverträgen oder mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Nebenjob, die wegen ihrer eingeschränkten Arbeitszeit nur in begrenztem Umfang zu einem Anstieg der geleisteten Arbeitsstunden beigetragen haben. Zur Jahresmitte 2011 lag die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 85 000 (+12,6 %) und die der geringfügig entlohnt Beschäftigten im Nebenjob um 43 000 (+10,7 %) über dem Niveau von 2008, die der Vollzeitbeschäftigten dagegen mit +0,2 % lediglich um 6 000 darüber.1

Pro-Kopf-Arbeitszeit stieg 2011 im Südwesten um 0,7 % auf 1 390 Stunden

Die durchschnittliche Pro-Kopf-Arbeitszeit, also die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen, hat sich in Baden-Württemberg im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 % auf 1 390 erhöht. Seit dem Krisenjahr 2009 ist die Pro-Kopf-Arbeitszeit in keinem anderen Bundesland prozentual so stark gestiegen wie in Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr arbeitete ein Erwerbstätiger durchschnittlich 42 Stunden oder 3,1 % mehr als 2009. Bundesweit betrug der vergleichbare Zuwachs lediglich 30 Stunden oder 2,2 %.

Prozentual am stärksten stieg 2011 gegenüber dem Vorjahr im Südwesten die Pro-Kopf-Arbeitszeit im Verarbeitenden Gewerbe, nachdem bei guter Konjunktur die Kurzarbeit stark zurückgeführt und Arbeitszeitkonten wieder aufgefüllt wurden. Dort stieg die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen um 2,4 % auf 1 434 Stunden, mehr als dreimal so stark wie in der Gesamtwirtschaft (+0,7 %). Im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe wurde in den Dienstleistungsbereichen mit 1 344 Stunden je Erwerbstätigen weniger, in der Land- und Forstwirtschaft und im Baugewerbe mit 1 821 bzw. 1 633 Stunden je Erwerbstätigen dagegen deutlich länger gearbeitet.

Das Niveau der durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit je Erwerbstätigen fällt im Bundesländervergleich recht unterschiedlich aus. Es reichte im vergangenen Jahr von 1 516 Stunden in Brandenburg bis 1 373 Stunden in Rheinland-Pfalz. Baden-Württemberg war mit 1 390 Stunden bundesweit das Bundesland mit der sechstniedrigsten Pro-Kopf-Arbeitszeit. Die unterschiedlichen Arbeitspensen je Erwerbstätigen haben jedoch nichts mit dem unterschiedlichen Fleiß der Beschäftigten in den Bundesländern zu tun, sondern mit einer Vielzahl ganz anderer Faktoren wie der Branchenstruktur in den Ländern, den tariflichen Arbeitszeitregelungen in den einzelnen Branchen sowie der Bedeutung der Mini- und Teilzeitjobs in den Ländern.