:: 11/2014

Weiterhin hohes Niveau der Zahl an Hochschulzugangsberechtigungen

Aktuelle Modellrechnung zur Entwicklung der Schulabsolventenzahlen bis 2020

Das Abschlussjahr 2012 war an den Schulen in Baden-Württemberg durch den »doppelten« Abiturjahrgang der G8- und G9-Absolventinnen und Absolventen geprägt. Gut 75 900 Hochschulreifezeugnisse waren in diesem Jahr ausgestellt worden. Im Jahr 2013 normalisierten sich die Verhältnisse wieder, aber auch künftig dürfte die Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulreife auf hohem Niveau bleiben. Berücksichtigt man, dass zusätzlich zu den über 50 000 Abiturientinnen und Abiturienten jährlich etwa 20 000 Absolventinnen und Absolventen die Fachhochschulreife erwerben dürften, ist zu erwarten, dass bis 2019 pro Jahr mehr als 70 000 Hochschulzugangsberechtigungen erreicht werden.

Der mittlere Bildungsabschluss bleibt dennoch der am häufigsten erworbene. Nach einem durch die Absolventinnen und Absolventen der Werkrealschulen neuer Prägung1 verursachten Anstieg auf gut 69 500 im Jahr 2013 dürfte die Zahl der mittleren Abschlüsse bis 2020 aber wieder auf rund 59 000 absinken. Der Hauptschulabschluss wird dagegen zahlenmäßig weiter an Bedeutung verlieren.

Der Wandel der Schullandschaft in Baden-Württemberg wird sich nicht nur auf die Entwicklung der Schülerzahlen in den einzelnen Schularten niederschlagen. Er wird auch die künftige Entwicklung der Absolventenzahlen beeinflussen. Auf Basis der aktuellen Modellrechnung der Schülerzahlen2 hat das Statistische Landesamt daher eine Modellrechnung zur Zahl der Schulabsolventen bis 2020 durchgeführt.

Die Methodik folgt dabei weitestgehend dem in der Vergangenheit bereits verwendeten Verfahren. Hierbei werden für die relevanten Klassenstufen aller Schularten Abschlussquoten für die jeweiligen Abschlüsse ermittelt. Aus den Ergebnissen der Modellrechnung der Schülerzahlen und diesen Quoten ergeben sich dann die entsprechenden Absolventenzahlen für die einzelnen Abschlussarten.3

2013 rund 170 700 Zeugnisse mit allgemeinbildendem Abschluss

An den beruflichen Schulen des Landes hatten 2013 zusammen 52 095 Schüler4 einen allgemeinbildenden Schulabschluss erlangt. Allerdings steht bei den meisten Bildungsgängen an beruflichen Schulen nicht der Erwerb eines allgemeinbildenden Abschlusses im Vordergrund, sondern die Vermittlung berufsspezifischer Kenntnisse und Fertigkeiten. Neben der Berufsausbildung gibt es hier Angebote zur Berufsgrund- oder -vorbildung sowie zur Weiterbildung. Die Gesamtzahl der erfolgreichen Abschlüsse eines Bildungsgangs an einer beruflichen Schule lag daher mit 160 164 weit über der Zahl der allgemeinbildenden Abschlüsse.

Eine allgemeinbildende Schule in Baden-Württemberg hatten im Jahr 2013 zusammen 115 328 Schüler nach dem Erwerb eines Schulabschlusses verlassen. Weitere 5 517 Schüler waren abgegangen, ohne den Hauptschulabschluss erreicht zu haben. Von diesen hatten 2 345 den Abschluss der Förderschule und 936 den Abschluss der Schule für Geistigbehinderte erworben. Sie hatten somit das jeweilige Bildungsziel des von ihnen besuchten Bildungsgangs erreicht. Damit hatten insgesamt 170 704 Absolventen das Zeugnis eines allgemeinbildenden Abschlusses erhalten, 2 236 waren ohne Abschluss von einer allgemeinbildenden Schule abgegangen.

Nach dem »doppelten« Abiturjahrgang 2012 wieder normale Verhältnisse auf hohem Niveau

Aufgrund des gleichzeitigen Abschlusses des letzten G9- und des ersten flächendeckenden G8-Jahrgangs war 2012 mit zusammen 75 936 eine extrem hohe Zahl an Absolventen mit Hochschulreife zu verzeichnen. Damit übertraf die Zahl der Hochschulreifezeugnisse erstmals die Zahl der mittleren Abschlüsse, die bei 63 523 lag. Zusammen mit den 21 289 Absolventen mit Fachhochschulreife, von denen bis auf 380 ehemalige Schüler Freier Waldorfschulen alle eine berufliche Schule besucht hatten, hatten somit insgesamt 97 225 Absolventen eine Hochschulzugangsberechtigung erworben.

Der Abiturjahrgang 2013 war dagegen wieder ein »normaler« Jahrgang, in dem die Zahl der Abiturienten mit 50 533 wieder nahezu exakt auf dem Niveau des Jahres 2011 lag. Allerdings haben sich im Vergleich der beiden Jahre die Gewichte etwas zugunsten der beruflichen Schulen verschoben. Ihre Abiturientenzahl lag 2013 mit 16 725 um 1 471 über dem Ergebnis des Jahres 2011. An den allgemeinbildenden Schulen sank die Zahl der Hochschulreifezeugnisse dagegen um 1 566 auf 33 808. Damit hatte 2013 fast ein Drittel der Abiturienten diesen Abschluss an einer beruflichen Schule erworben.

Berücksichtigt man zusätzlich den Erwerb der Fachhochschulreife, waren knapp 52 % der Hochschulzugangsberechtigungen an einer beruflichen Schule erreicht worden. Dies bestätigt den Trend, dass seit 2010 (mit Ausnahme des Sonderfalls 2012) mehr als die Hälfte der Hochschulzugangsberechtigungen von beruflichen Schulen vergeben werden. Der Anteil der Absolventen allgemeinbildender Schulen lag bei den mittleren Abschlüssen bei gut 82 % und beim Hauptschulabschluss bei 88 %.

Über 70 000 Hochschulzugangsberechtigungen pro Jahr zu erwarten

Ausgehend vom Niveau des Jahres 2013 dürfte die Zahl der Hochschulreifezeugnisse gemäß den Ergebnissen der Modellrechnung bis 2016 weiter auf 54 200 ansteigen. Dies wären gut 7 % mehr als 2013. Der größte Teil dieses Zuwachses geht auf den Ausbau der beruflichen Gymnasien zurück. Die Modellrechnung ergibt für die beruflichen Schulen – einschließlich der Berufsoberschulen – einen Anstieg der Absolventenzahlen von 16 725 im Jahr 2013 um annähernd 15 % auf 19 200 im Jahr 2016. Bis 2020 könnte die Zahl der an beruflichen Schulen erworbenen Hochschulreifezeugnisse dann wieder auf 18 400 zurückgehen.

Stärker besetzte Schülerjahrgänge ergeben bei den allgemeinbildenden Gymnasien zunächst ebenfalls noch steigende Absolventenzahlen. Dadurch dürfte die Zahl der von allgemeinbildenden Schulen ausgestellten Hochschulreifezeugnisse bis 2015 auf 35 400 zunehmen. Danach führt die demografische Entwicklung bis 2020 zu sinkenden Abiturientenzahlen. Der Wert von 31 300 Absolventen mit Hochschulreife wäre aber immer noch vergleichbar mit den Zahlen, die gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts erreicht worden waren.

Die Zahl der Absolventen mit Fachhochschulreife könnte in den Jahren bis 2020 das derzeitige Niveau von rund 20 000 in etwa halten. Damit wären in allen Jahren bis 2019 zum Teil deutlich mehr als 70 000 Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung zu erwarten. Erst im Jahr 2020 würde die Marke von 70 000 wieder knapp unterschritten. Der Höhepunkt in diesem Zeitraum läge im Jahr 2016 bei einem Wert von 74 500. Der Anteil beruflicher Schulen an den Hochschulzugangsberechtigungen würde nach diesen Ergebnissen bis 2020 auf gut 54 % ansteigen.

Der mittlere Bildungsabschluss bleibt der am häufigsten erworbene

Der erste Absolventenjahrgang der Werkrealschule neuer Art führte 2013 zu einem sprunghaften Anstieg der Absolventenzahl mit mittlerem Abschluss. Die Zahl der an allgemeinbildenden Schulen erworbenen Abschlüsse lag mit 57 262 um rund 6 600 höher als im Jahr zuvor. Einschließlich der Absolventen beruflicher Schulen waren es 69 538 mittlere Abschlüsse. Der mittlere Bildungsabschluss war damit – nach dem Ausnahmejahr 2012, in dem die Hochschulreife vorne lag – wieder mit deutlichem Abstand der am häufigsten erworbene Abschluss.

Jedoch bewirken die aus demografischen Gründen rückläufigen Schülerzahlen, dass dieses hohe Niveau nicht gehalten werden kann. In den kommenden Jahren wird die Zahl der mittleren Bildungsabschlüsse daher wieder zurückgehen. Mit Ausnahme des Jahres 2018 könnte die Absolventenzahl bis 2020 jedoch weiterhin über der Marke von 50 000 bleiben. Für das Jahr 2020 ergibt die Modellrechnung für die allgemeinbildenden Schulen 50 400 Absolventen – 12 % weniger als im Jahr 2013, aber immer noch fast so viele wie 2012. Der leichte Anstieg von 2018 auf 2019 ist darauf zurückzuführen, dass 2019 erstmals in größerem Umfang Absolventen die Gemeinschaftsschulen mit dem Realschulabschluss verlassen werden.

Die Entwicklung der an beruflichen Schulen erworbenen mittleren Abschlüsse wird in erster Linie durch die erwartete Zahl der Schüler an den Berufsfachschulen zum Erwerb der Fachschulreife bestimmt. Da diese in den kommenden Jahren abnehmen dürfte, folgt hieraus ein entsprechender Rückgang der Absolventenzahl. Diese Tendenz wirkt sich insbesondere gegen Ende des Modellrechnungszeitraums aus. Im Jahr 2020 könnte die Zahl der Absolventen beruflicher Schulen mit 8 700 um 29 % unter dem Wert von 2013 liegen. Trotz dieser rückläufigen Tendenzen wird der mittlere Abschluss aber vor der Hochschulreife der am häufigsten erworbene bleiben, auch wenn die Gesamtzahl der in Baden-Württemberg erreichten mittleren Abschlüsse im Jahr 2020 mit 59 100 um 15 % niedriger sein könnte als 2013.

Hauptschulabschluss entwickelt sich stark rückläufig

An den allgemeinbildenden Schulen wurden 2013 mit 23 952 wieder etwas mehr Hauptschulabschlüsse erworben als im Jahr zuvor. Gegenüber 2011 liegt die Zahl aber weiter um knapp ein Viertel unter der damals erreichten Zahl von 30 812. Ursache hierfür ist, dass die Schüler der Werkrealschule neuer Prägung ab dem Schuljahr 2012/13 die Möglichkeit haben, ohne besondere Notenhürde in die 10. Klassenstufe zu wechseln. Fast die Hälfte der Neuntklässler nutzte diese Chance. Im Schuljahr 2011/12 lag dieser Anteil noch bei 22 %. Entsprechend geringer ist seit 2012 die Beteiligung an der Hauptschulabschlussprüfung.

Ausgehend von diesem niedrigen Stand dürfte sich die Zahl der Hauptschulabschlüsse an allgemeinbildenden Schulen weiter rückläufig entwickeln und 2020 bei 15 500 liegen. Damit läge ihre Zahl um 35 % unter dem Wert von 2013 und sogar um 50 % unter dem Wert von 2011. Besonders auffällig im weiteren Verlauf ist der starke Rückgang im Jahr 2017. Dieser ist auf die stark gesunkene Zahl der Wechsel von Grundschülern in die Werkreal- und Hauptschulen zum Schuljahr 2012/13 nach Aufhebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung zurückzuführen.

An beruflichen Schulen wurde die überwiegende Zahl der Hauptschulabschlüsse im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres erworben. Ab dem Schuljahr 2013/14 wird dieses vom Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf abgelöst. Da die Zahl der Abgänge ohne Hauptschulabschluss von allgemeinbildenden Schulen in den letzten Jahren ständig abgenommen hat, sank auch die Zahl der nachträglich an beruflichen Schulen erreichten Hauptschulabschlüsse. Diese Tendenz wird sich wohl weiter fortsetzen. Die Modellrechnung ergab für das Jahr 2020 den Wert von 2 700 Hauptschulabschlüssen an beruflichen Schulen, rund 17 % weniger als 2013.

Die Gesamtzahl der Hauptschulabschlüsse lag 2013 bei 27 208. Bis zum Jahr 2007 wurden in Baden-Württemberg pro Jahr mehr Hauptschulabschlüsse erworben als Hochschulreifezeugnisse. Sollte sich die Entwicklung so gestalten wie in der Modellrechnung angenommen, wäre ab 2019 der Erwerb des Hauptschulabschlusses in Baden-Württemberg sogar seltener als der Erwerb der Fachhochschulreife. Bis 2020 könnte die Zahl der Hauptschulabschlüsse auf 18 200 zurückgehen und läge damit um ein Drittel unter dem Wert des Jahres 2013.

In den zurückliegenden Jahren ist die Zahl der Schulabgänge ohne Hauptschulabschluss nahezu beständig abgesunken. Im Jahr 2013 hatten 5 517 Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen nach Beendigung der Vollzeitschulpflicht verlassen, ohne einen Hauptschulabschluss erworben zu haben. Die Modellrechnung ergibt, dass die Zahl der Abgänge ohne Hauptschulabschluss künftig weiter absinken wird und 2020 mit 4 200 um knapp ein Viertel niedriger sein könnte als 2013.

Laufende Aktualisierung der Modellrechnung geplant

Die Ergebnisse dieser Modellrechnung beruhen – wie die Ergebnisse der Modellrechnung der Schülerzahlen – stärker auf Annahmen, die sich nicht allein auf Erfahrungswerte zurückliegender Schuljahre stützen, als die bisherigen Vorausrechnungen des Statistischen Landesamtes. Die Tragfähigkeit dieser Modellannahmen muss sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Um diese künftigen Erkenntnisse zeitnah in die Modellrechnung einzubringen, ist beabsichtigt, die Modellrechnungen zur Entwicklung von Schüler- und Schulabsolventenzahlen jährlich nach Vorliegen der Ergebnisse der amtlichen Schulstatistik zu aktualisieren.

Auch wenn es angebracht ist, die hier vorgelegten Ergebnisse mit gewisser Vorsicht zu interpretieren, können sie dennoch wichtige Hinweise auf künftige Entwicklungslinien geben. Diese können zum Beispiel in Planungen des Studienplatzangebots oder in Überlegungen zur Deckung des Fachkräftebedarfs in Industrie, Handel und Handwerk einbezogen werden. Im Detail mögen die Ergebnisse durch die laufende Aktualisierung und vor allem durch die tatsächliche Entwicklung bald überholt sein. Die Grundzüge der Entwicklung der Zahl der Schulabschlüsse dürften aber von dieser Modellrechnung nach heutigem Kenntnisstand im Wesentlichen zutreffend skizziert werden.