:: 3/2017

Wenn Teenager Mutter werden

Zur Geburtenhäufigkeit von minderjährigen Frauen in Baden-Württemberg

Das Alter der Frauen bei der Geburt ihrer Kinder ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen. Zuletzt war knapp ein Viertel der baden-württembergischen Mütter zu diesem Zeitpunkt mindestens 35 Jahre alt, im Jahr 2000 lag dieser Anteil dagegen erst bei 17 %. Dieser Trend hin zur »späten Mutterschaft« erfährt in Literatur und Gesellschaft eine hohe Aufmerksamkeit. Dagegen blieb in den letzten Jahren die Entwicklung von Geburten von Minderjährigen weitgehend unbeachtet – obwohl dieses Thema vor allem aus globaler Perspektive brisant ist.1 Dies belegt auch die Entscheidung der Vereinten Nationen, die Situation von Teenagermüttern aus Entwicklungsländern in den Vordergrund ihres Weltbevölkerungsberichts 2013 zu stellen.2

Auch wenn der Anteil von Teenagergeburten in den Industriestaaten und damit auch in Deutschland erheblich niedriger liegt, lohnt sich dennoch eine Befassung mit diesem Thema. Denn rund 90 % der Schwangerschaften im Jugendalter sind ungeplant und ungewollt3 und stehen in einem Zusammenhang mit Schulabbrüchen, fehlender Qualifikation für die Berufstätigkeit und infolgedessen für schlecht bezahlte Arbeit oder die Abhängigkeit von Sozialleistungen.4 Im folgenden Beitrag sollen deshalb Niveau und Trend bei der Geburtenhäufigkeit von minderjährigen Müttern in Baden-Württemberg näher skizziert und insbesondere die Entwicklung im Vergleich zu den anderen Bundesländern einerseits und die regionalen Unterschiede innerhalb des Landes andererseits beleuchtet werden.

Die Zahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Frauen mit Wohnsitz in Baden-Württemberg ist seit dem Jahr 2000 zunächst etwas angestiegen und danach bis 2012 fast stetig zurückgegangen.5 Seither hat sich deren Zahl aber wieder etwas erhöht – allerdings ausschließlich aufgrund der Geburten von minderjährigen Frauen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Ursächlich hierfür war die starke Zuwanderung in den Südwesten. Die Geburtenzahl von minderjährigen deutschen Frauen ist dagegen zuletzt weiter gesunken.

Geburtenhäufigkeit von Minderjährigen geht tendenziell zurück …

Die Zahl der von minderjährigen Frauen geborenen Kinder wird nicht zuletzt von der Besetzungsstärke der relevanten Altersgruppe bestimmt. Um Aussagen zur Häufigkeit von Teenagergeburten im Zeit- und Regionalvergleich zu ermöglichen, werden diese deshalb auf die jeweilige Zahl der jungen Frauen im entsprechenden Alter bezogen. Schaubild 2 zeigt, dass im Jahr 20156 etwa 22 je 10 000 der 15- bis unter 18-jährigen Frauen7 ein Kind zur Welt brachten. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts lag diese Kennziffer mit Werten von bis zu 39 noch annähernd doppelt so hoch.

… ebenso die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche

Der Rückgang der Geburtenhäufigkeit von minderjährigen Frauen könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich schwangere Frauen häufiger als früher für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Dem ist aber nicht so, wie ebenfalls Schaubild 2 deutlich macht. Die Häufigkeit der Schwangerschaftsabbrüche8 von Minderjährigen mit Hauptwohnsitz in Baden-Württemberg ist zwar zu Beginn des letzten Jahrzehnts angestiegen. Seit dem Jahr 2004 ist sie aber gesunken, wobei der Rückgang sogar noch etwas stärker als bei den Geburten verlief. Dadurch kamen im Jahr 2015 auf 100 Geburten nur noch 87 Schwangerschaftsabbrüche, im Jahr 2005 waren es noch 125.9

Weniger Geburten und weniger Schwangerschaftsabbrüche – minderjährige Frauen sind damit in den vergangenen Jahren seltener schwanger geworden.10 Was sind die Gründe hierfür? Die Verbreitung von Jugendschwangerschaften wird vor allem von der Schulbildung beeinflusst. Geringe Bildung, Arbeitslosigkeit und soziale Benachteiligung führen zu einem deutlich höheren Risiko von ungeplanten Schwangerschaften. Das Risiko, minderjährig schwanger zu werden, sei bei einer Hauptschülerin etwa fünf- bis sechsmal so hoch wie bei einer Gymnasiastin.11 Einen möglichen Erklärungsansatz dafür, weshalb Minderjährige seltener schwanger geworden sind, liefert deshalb das geänderte Schulwahlverhalten. Zuletzt wechselten in Baden-Württemberg immerhin gut 43 % der Grundschüler auf ein Gymnasium; im Jahr 2000 waren es erst knapp 34 %.

Bundesweit wenigste Teenagergeburten im Südwesten

Verglichen mit den anderen Bundesländern hat Baden-Württemberg bei den Teenagern die geringste Geburtenhäufigkeit. Auf 10 000 Frauen im Alter von 15 bis unter 18 Jahren kamen im Jahr 2015 lediglich 22 Geburten von Minderjährigen. In Sachsen-Anhalt, dem Land mit der höchsten Geburtenhäufigkeit von unter 18-Jährigen, lag diese Quote annähernd viermal so hoch.

Alle neuen Bundesländer wiesen zuletzt überdurchschnittliche Werte auf. Jürgen Dorbritz, Wissenschaftler am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, führt dies zum einen darauf zurück, dass Teenagergeburten in den weniger katholisch geprägten östlichen Bundesländern eine höhere soziale Akzeptanz gefunden haben. Zum anderen habe die Familienpolitik in der ehemaligen DDR den West-Ost-Unterschied befördert, weil sie auf die soziale Sicherung junger Familien und Alleinerziehender gerichtet gewesen sei.12

Der Südwesten wies bereits im Jahr 2005 die geringste Geburtenhäufigkeit von Teenagern auf. Der seitherige Rückgang wurde nur von Niedersachsen übertroffen (−36 % gegenüber −31 % in Baden-Württemberg). Auffällig ist, dass seither die Zahl der Lebendgeborenen von Minderjährigen je 10 000 Frauen entgegen dem Bundestrend vor allem in den neuen Bundesländern angestiegen ist. Erklärt wird dies damit, dass die ungünstige Arbeitsmarktsituation insbesondere für Frauen mit einer weniger aussichtsreichen Bildungsperspektive die »Flucht« in die Mutterschaft begünstigt habe.13 Dies gelte generell für benachteiligte Frauen. Mutterschaft als Lebenskonzept erscheint für viele Jugendliche lukrativer als eine Aussicht auf Arbeitslosigkeit und Chancenlosigkeit für die angestrebte Berufsausbildung.14

Ebenfalls günstig schneidet Baden-Württemberg bei der Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Lediglich in Bayern war sie zuletzt etwas geringer.

Deutliche regionale Unterschiede innerhalb des Landes

Wie gezeigt, ist die Zahl der Teenagergeburten in den vergangenen 15 Jahren tendenziell zurückgegangen und lag in den vergangenen Jahren landesweit bei jeweils unter 400 Fällen. Aufgrund dieser verhältnismäßig kleinen Anzahl sind für die 44 Stadt- und Landkreise keine aussagekräftigen Aussagen bezüglich der relativen Häufigkeit von Teenagergeburten in einzelnen Berichtsjahren möglich. Valide Ergebnisse können deshalb allenfalls dann erzielt werden, wenn entsprechende Berechnungen für den gesamten Betrachtungszeitraum, also für die Jahre 2000 bis 2015, durchgeführt werden. Dennoch sind Zufallseinflüsse auf die im Folgenden dargestellten Ergebnisse nicht völlig auszuschließen.

Schaubild 4 zeigt, dass die so ermittelten regionalen Unterschiede innerhalb des Landes zum Teil enorm sind. In Mannheim lag die Zahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Frauen bezogen auf die entsprechende Zahl der 15- bis unter 18-jährigen Frauen im Betrachtungszeitraum am höchsten und mehr als viermal so hoch wie im Landkreis Esslingen, dem Kreis mit der geringsten Geburtenhäufigkeit.15 Darüber hinaus zeigt sich unter anderem, dass nicht nur Mannheim, sondern auch die anderen sieben Stadtkreise des Landes, die gleichzeitig Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern sind, überdurchschnittliche Werte aufweisen.16

Lassen sich diese enormen regionalen Unterschiede in der Häufigkeit von Teenagergeburten insbesondere zwischen Mannheim und dem Landkreis Esslingen erklären? Die Verbreitung von Jugendschwangerschaften wird, wie bereits erwähnt, vor allem von der Schulbildung beeinflusst. Geringe Bildung, Arbeitslosigkeit – auch der Eltern17 – und soziale Benachteiligung führen zu einem deutlich höheren Risiko von ungeplanten Schwangerschaften. Für Mannheim liefert deshalb sicherlich das landesweit geringste Pro-Kopf-Einkommen sowie die weit überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit einen Erklärungsansatz dafür, dass dort Geburten von Minderjährigen am häufigsten vorkommen. Außerdem ist in der »Quadratestadt« der Anteil der Bevölkerung, der Sozialleistungen18 erhält, überdurchschnittlich. Beim Schulwahlverhalten zeigen sich dagegen kaum Auffälligkeiten.

Dass Teenagergeburten im Landkreis Esslingen und auch in den übrigen Landkreisen der Region Stuttgart relativ selten sind, lässt sich aus dem Zusammenspiel positiver Faktoren erklären. Die relevanten Indikatoren im Bildungsbereich (Anteil der Übergänge auf Gymnasien bzw. Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife) liegen über dem jeweiligen Landesdurchschnitt. Außerdem sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer geringen Arbeitslosigkeit und relativ hohen Einkommen günstig. Und schließlich liegt auch der Anteil der Bevölkerung, der auf staatliche Hilfe angewiesen ist, deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

Für die festgestellten regionalen Unterschiede innerhalb des Landes spielt es dagegen nur eine untergeordnete Rolle, dass der Anteil minderjähriger Mütter mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit an allen minderjährigen Müttern in den einzelnen Stadt- und Landkreisen sehr unterschiedlich ist.19 Auch dann, wenn lediglich die Geburtenhäufigkeit von deutschen Müttern betrachtet wird, ist diese in Mannheim wiederum am höchsten und im Landkreis Esslingen am geringsten.

Fazit und Ausblick

Rund 90 % der Teenagerschwangerschaften sind ungewollt. Diese jungen Mütter sind besonderen Risiken ausgesetzt. Sie haben geringere Bildungs- und Ausbildungschancen sowie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.20 Vor diesem Hintergrund ist es positiv zu bewerten, dass es im Südwesten die geringste Geburtenhäufigkeit von minderjährigen Frauen verglichen mit den anderen 15 Bundesländern gibt. Allerdings zeigen sich diesbezüglich erhebliche regionale Unterschiede innerhalb des Landes.

Positiv zu bewerten ist damit auch der deutliche Rückgang der Teenagerschwangerschaften in Baden-Württemberg. Kann dieser Trend in Zukunft fortgesetzt werden? Hierzu ist nach Einschätzung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein ganzheitlicher Ansatz hilfreich. Jugendliche würden nämlich auch aus Gründen schwanger, die nicht in mangelndem Wissen und der fehlenden oder fehlerhaften Anwendung von Verhütungsmitteln lägen. Vielmehr seien Teenagerschwangerschaften verstärkt auch im Zusammenhang mit fehlenden Berufs- und Zukunftsperspektiven zu sehen. Die BZgA bietet deshalb in Projekten insbesondere für Hauptschülerinnen und Hauptschülern entsprechende Hilfestellung bei ihrer Berufs- und Lebensplanung an.21

1 Schneider, Norbert F.: Vorwort zur Ausgabe von Bevölkerungsforschung aktuell, 2/2014.

2 Weltbevölkerungsbericht 2013 (Kurzfassung): Wenn Mädchen Mütter werden – Herausforderung Teenagerschwangerschaft, Herausgeber der deutschen Fassung: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, 2013.

3 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen, 2009, S. 42.

4 Dorbritz, Jürgen: Teenager-Schwangerschaften und -Geburten im West-Ost-Vergleich, in: Bevölkerungsforschung aktuell, 2/2014, S. 2.

5 Vergleichbare Ergebnisse zur Zahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Müttern sind erst ab dem Berichtsjahr 2000 verfügbar. Deshalb ist eine längerfristigere Betrachtung nicht möglich.

6 Ergebnisse zum Berichtsjahr 2016 liegen noch nicht vor.

7 Bei der Bezugsgröße zur Berechnung der Geburtenhäufigkeit wurden die unter 15-jährigen Mädchen außer Acht gelassen, da deren Geburtenzahl in den vergangenen Jahren jeweils weniger als zehn betrug.

8 Die Erhebungsmethodik zu den Schwangerschaftsabbrüchen ist in der Fachserie 12 Reihe 3: Gesundheit – Schwangerschaftsabbrüche beschrieben, Statistisches Bundesamt (Hrsg.).

9 Erkenntnisse darüber, in welchem Umfang die »Pille danach« zu diesem Rückgang beigetragen hat, liegen noch nicht vor; vergleiche: Widmann, Marc: Warum treiben weniger Frauen ab?, in: Die Zeit vom 17. März 2016.

10 Nicht bekannt ist allerdings die Zahl der Fehlgeburten, da diese statistisch nicht erfasst werden. Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass etwa 15 % aller Schwangerschaften von Teenagern mit einer Fehlgeburt enden; Matthiesen, Silja, u. a. Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), 2009, S. 18.

11 Matthiesen, Silja, u. a.: Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), 2009, S. 44.

12 Dorbritz, Jürgen: Teenager-Schwangerschaften und -Geburten im West-Ost-Vergleich, in: Bevölkerungsforschung aktuell, 2/2014, S. 4.

13 Dorbritz, Jürgen: Teenager-Schwangerschaften und -Geburten im West-Ost-Vergleich, in: Bevölkerungsforschung aktuell, 2/2014, S. 6.

14 Wienholz, Sabine: Die Rolle von Gynäkologinnen und Gynäkologen in der Beratung und Betreuung von minderjährigen Schwangeren und Müttern in Sachsen, zitiert aus: Teenagerschwangerschaften im Land Bremen – Situation und Handlungsbedarf; Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Hrsg.), 2008, S. 7.

15 Dagegen ist eine Aussage über die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in den Stadt- und Landkreisen nicht möglich, da diese Erhebung für die Bundesländer ohne weitere räumliche Differenzierung durchgeführt wird; Fachserie 12 Reihe 3: Gesundheit – Schwangerschaftsabbrüche, Statistischen Bundesamt (Hrsg.), 2016, S. 3.

16 Zu den Gründen für dieses »Stadt-Land-Gefälle« vergleiche Matthiesen, Silja, u. a.: Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), 2009, S. 21.

17 Block, Karin/Matthiesen, Silja: Teenagerschwangerschaften in Deutschland – Studienergebnisse zu Risikofaktoren und Verhütungsfehlern bei Schwangerschaften minderjähriger Frauen, in: BZgA Forum 2-2007, S. 13.

18 Empfänger von Leistungen in besonderen Lebenslagen, Empfänger von Grundsicherung bei Erwerbsminderung sowie Wohngeldempfänger.

19 Die Spannweite reicht von lediglich 5 % ausländischen minderjährigen Müttern im Landkreis Schwäbisch Hall bis zu 41 % in der Landeshauptstadt.

20 Krebs-Remberg, Annette: Wenn Teenager schwanger werden – Ergebnisse einer qualitativen Studie der BZgA, in: E&C Fachforum: Junge Familien im Brennpunkt – Förderung und Unterstützung von jungen Familien in E&C-Gebieten – Dokumentation der Veranstaltung vom 18. und 19. April 2005 in Berlin, S. 45.

21 Teenagerschwangerschaften in Deutschland – Stellungnahme der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. http://www.bzga.de/pdf.php?id=3bb96fe67da28b98e607e323dd116587 (Abruf: 13.01.2017).