:: 6/2017

Setzt sich der Trend zu kleineren Privathaushalten fort?

Ergebnisse einer neuen Haushaltsvorausberechnung für Baden-Württemberg

Die Einwohnerzahl Baden-Württembergs ist in den vergangenen Jahren enorm angestiegen. Dabei wurde diese Entwicklung durch einen Alterungsprozess geprägt, der selbst aufgrund der zuletzt starken Zuwanderung von überwiegend jüngeren Menschen nur abgeschwächt wird. Konsequenzen hat dieser Trend naturgemäß auch für die Struktur und die zahlenmäßige Entwicklung der Privathaushalte, welche zahlreiche Entscheidungen von sozialer, wirtschaftlicher und politischer Bedeutung treffen. So sind beispielsweise die Haushalte – und nicht einzelne Personen – bei der Ermittlung der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen die Bedarfsträger und damit die geeignete Bezugsgröße für entsprechende Berechnungen. Vorausrechnungen zur künftigen Entwicklung der Privathaushalte sind deshalb für Planungszwecke von grundsätzlicher Bedeutung.

Im folgenden Beitrag werden die Ergebnisse der aktuellen Haushaltsvorausberechnung für Baden-Württemberg vorgestellt, die vom Statistischen Bundesamt in Abstimmung mit den statistischen Landesämtern für die Bundesländer sowie für Deutschland insgesamt durchgeführt wurde. Zentrales Ergebnis dieser Vorausberechnung ist, dass die Zahl der Privathaushalte im Südwesten bis 2035 stetig ansteigen und die durchschnittliche Zahl der Personen je Haushalt weiter zurückgehen wird. Zuvor soll aber die vergangene Entwicklung kurz skizziert werden.

Ein Blick zurück: Zahl der Haushalte ist stärker als die der Bevölkerung gestiegen

Die Zahl der Privathaushalte (vergleiche i-Punkt: »Was ist überhaupt ein Haushalt?«) und deren Struktur haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Allein seit 1990 hat sich deren Zahl in Baden-Württemberg um ein Fünftel erhöht, während die Zunahme der Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum nur etwa halb so hoch lag. Getragen wurde diese Entwicklung bei den Privathaushalten von einem überdurchschnittlichen Zuwachs bei den kleinen Haushalten. Die Zahl der Einpersonenhaushalte stieg seit 1990 um immerhin 30 % an, die der Zweipersonenhaushalte sogar um 43 %. Demgegenüber sind die Haushalte mit 4 und mehr Personen um 7 % zurückgegangen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße hat sich dadurch nicht unerheblich verändert. 1990 lebten in einem Haushalt im Schnitt noch 2,3 Personen, 2015 waren es nur noch 2,1 Haushaltsmitglieder.

Warum werden Privathaushalte immer kleiner?

Die Ursachen für diese Entwicklung hin zu im Schnitt immer weniger Personen je Haushalt sind vielfältig. Zum einen ermöglichten eine steigende Lebenserwartung und eine bessere Lebensqualität im höheren Alter immer mehr Menschen das selbstständige Leben in Ein- oder Zweipersonenhaushalten. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Zweipersonenhaushalte mit älteren Menschen auch deshalb stark anstieg, weil die Lebenserwartung der Männer stärker als die der Frauen zunimmt und sich damit der Unterschied in der Lebenserwartung der Partnerinnen und Partner reduziert.1

Zum anderen beeinflussen das Heiratsverhalten und die Familiengründungsprozesse die Veränderung der Haushaltsgröße. So sank die Zahl der Eheschließungen in Baden-Württemberg zwischen 1990 und 2015 um ein Siebtel, während die der Scheidungen um ein Fünftel zunahm. Das durchschnittliche Heiratsalter im Südwesten stieg in diesem Zeitraum für ledige Männer von 28,6 auf 33,3 Jahre und für ledige Frauen von 26,2 auf 30,7 Jahre. Und schließlich werden die Frauen im Schnitt immer später Mutter. Im Jahr 1990 waren die Frauen in Baden-Württemberg bei der Geburt ihres ersten in der Ehe geborenen Kindes durchschnittlich 27 Jahre alt, im Jahr 2015 lag dieses Durchschnittsalter bereits rund 3 Jahre höher (30,1 Jahre).

Welche Einflussfaktoren bestimmen die künftige Entwicklung der Haushalte?

Die künftige zahlenmäßige Entwicklung der Privathaushalte wird vor allem durch die weitere Bevölkerungsentwicklung und deren altersstrukturelle Zusammensetzung sowie durch das Haushaltsbildungsverhalten determiniert. Was die Bevölkerungsentwicklung betrifft, so könnte die Einwohnerzahl des Landes nach der dieser Haushaltsvorausberechnung zugrunde liegenden Bevölkerungsvorausberechnung (i-Punkt: »Annahmen und Methodik der Vorausberechnungen«) noch bis zum Jahr 2033 um rund 440 000 auf 11,32 Mill. ansteigen und anschließend geringfügig zurückgehen.

Die Altersstruktur der Bevölkerung in Verbindung mit den derzeit absehbaren Trends bei der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung werden dazu führen, dass auch die künftige Entwicklung durch einen enormen Alterungsprozess der Bevölkerung geprägt sein wird. Dieser demografische Wandel wird sich auch dann, wenn die zuletzt sehr starke Zuwanderung nach Baden-Württemberg länger andauern sollte, lediglich abschwächen, aber nicht aufhalten lassen.2

So wird beispielsweise die Zahl der 60-Jährigen und Älteren im Südwesten im Jahr 2035 deutlich stärker vertreten sein als die der unter 20-Jährigen: 100 Personen im Alter von unter 20 Jahren werden voraussichtlich rund 180 mindestens 60-jährige gegenüberstehen. Dagegen war es bis Ende der 1990er-Jahre noch so, dass die Zahl der Jüngeren immer größer als die der Älteren war. Bereits diese Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung werden erhebliche Auswirkungen auf die Zahl und Struktur der Privathaushalte haben. Denn die durchschnittliche Haushaltsgröße variiert sehr stark in Abhängigkeit vom Alter der Bevölkerung.

Schaubild 1 zeigt diesen Zusammenhang zwischen dem Alter der Bevölkerung – differenziert nach dem Geschlecht – und der jeweiligen durchschnittlichen Personenzahl je Haushalt im Detail. In »jungen Jahren« ist die Haushaltsgröße noch relativ hoch, da Kinder und Jugendliche in der Regel mit ihren Eltern und gegebenenfalls noch mit ihren Geschwistern zusammenleben. Im frühen Erwachsenenalter erreicht die Haushaltsgröße dann aber nur noch einen Wert von unter zwei Personen je Haushalt, weil relativ viele der jungen Erwachsenen ihr Elternhaus verlassen haben und zunächst noch alleine leben. Danach steigt die durchschnittliche Haushaltsgröße aufgrund von Familiengründungen wieder an, um dann etwa ab dem 45. Lebensjahr wieder abzusinken, weil Kinder ihre Familie verlassen, Ehen geschieden werden oder der Lebenspartner verstorben ist.

Trend zu kleineren Haushalten wird sich bereits demografisch bedingt fortsetzen …

Um diese Auswirkungen des demografischen Wandels auf die künftige Entwicklung der Haushaltszahl und -struktur zu zeigen, wurde eine sogenannte Status-Quo-Variante gerechnet. Bei diesem Ansatz wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Haushaltsmitgliederquoten als Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2015 ermittelt und für den gesamten Vorausberechnungszeitraum konstant gehalten (i-Punkt »Annahmen und Methodik der Vorausberechnungen«). Nach dieser Variante wird die Zahl der Privathaushalte im Land bis 2035 um etwas mehr als 300 000 oder um 6 % auf dann 5,48 Mill. ansteigen.

Der Trend der letzten Jahre hin zu immer mehr kleineren und immer weniger großen Haushalten wird sich demografisch bedingt in Zukunft fortsetzen. Die Zahl der Einpersonenhaushalte könnte bis zum Jahr 2035 um 7 % und die der Zweipersonenhaushalte sogar um 12 % ansteigen, während die Zahl der Drei- sowie der Vier- und Mehrpersonenhaushalte leicht zurückgehen würde. Damit wird sich der Anteil der Einpersonenhaushalte von derzeit 39,2 % geringfügig auf 39,4 % bis zum Jahr 2035 erhöhen. Deutlicher ist der Anstieg bei den Zweipersonenhaushalten, nämlich um immerhin 1,7 Prozentpunkte auf 43,7 %. Dagegen wird der Anteil der Drei- sowie der Vier- und Mehrpersonenhaushalte um jeweils etwa 1 Prozentpunkt zurückgehen. Die durchschnittliche Anzahl der Personen je Haushalt wird sich von 2,10 im Jahr 2015 nochmals auf voraussichtlich 2,06 verringern.

Ursache des weiteren Anstiegs der Zahl kleinerer Haushalte ist damit das »Hineinwachsen« stark besetzter Altersgruppen in solche Altersgruppen, die – wie bereits gezeigt – überwiegend in kleinen Haushalten leben. Dies gilt insbesondere für die älteren Menschen. So leben derzeit knapp 90 % der 60-jährigen und älteren Baden-Württemberger in Ein- oder Zweipersonenhaushalte. Die Zahl der Personen in dieser Altersgruppe könnte bis zum Jahr 2035 um rund ein Drittel ansteigen, während die übrige Bevölkerung, die im Schnitt in größeren Haushalten lebt, um 6 % zurückgehen wird.

… und sich nach der Trendvariante noch verstärken

Aus heutiger Sicht ist das in der Status-Quo-Variante unterstellte konstante Haushaltsbildungsverhalten eher unwahrscheinlich. Vielmehr sind auch für die Zukunft Verhaltensänderungen der Bevölkerung zu erwarten. So sprechen insbesondere die Zunahme der Zahl der Partnerschaften mit separater Haushaltsführung sowie die hohe berufliche Mobilität für einen weiteren Anstieg der Ein- und Zweipersonenhaushalte im mittleren und jüngeren Erwachsenenalter. Dagegen könnten – ausgehend von neueren Tendenzen zu wieder etwas mehr Eheschließungen3 und Geburten4 – die bisher stark rückläufigen Trends bei den Haushalten mit drei und mehr Personen in der Zukunft voraussichtlich an Tempo verlieren.5 Basierend auf diesen Überlegungen wurde eine 2. Variante, die sogenannte Trendvariante gerechnet, die diese möglichen Verhaltensänderungen der Bevölkerung berücksichtigt (i-Punkt »Annahmen und Methodik der Vorausberechnungen«). Sie stellt somit ein umfassenderes Zukunftsmodell als die Status-Quo-Variante dar.

Nach der Trendvariante wird sich die Zahl der Privathaushalte bis zum Jahr 2035 stärker als in der Status-Quo-Variante erhöhen, nämlich um über 500 000 Haushalte (+10 %;). Ursächlich hierfür ist, dass die Zahl der Einpersonenhaushalte nach dieser Variante verhaltensbedingt erheblich stärker ansteigen wird. Gleichzeitig wird die Zahl der Drei- sowie der Vier- und Mehrpersonenhaushalte allerdings deutlich zurückgehen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße wird auf 1,98 Personen absinken.

Fazit: Möglichkeit und Grenzen der Haushaltsvorausberechnung

Die Zahl der Privathaushalte in Baden-Württemberg wird sowohl nach der Status-Quo- als auch nach der Trendvariante noch bis zum Jahr 2035 ansteigen. Bereits allein aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung wird sich auch künftig die Entwicklung hin zu mehr und kleineren Haushalten fortsetzen. Durch die Berücksichtigung von möglichen Verhaltensänderungen wird dieser Trend nochmals deutlich verstärkt. Dadurch könnte die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt von derzeit 2,1 weiter auf knapp unter 2 zurückgehen.

Die Ergebnisse dieser Vorausberechnung dürfen aber nicht als »Vorhersagen« interpretiert werden. Mithilfe dieser Rechnungen kann beispielsweise »nur« gezeigt werden, wie sich die Zahl der Privathaushalte unter der Berücksichtigung bestimmter Annahmen entwickeln könnte. Es handelt sich damit um reine »Wenn-dann-Aussagen«. Diese Annahmen betreffen dabei nicht nur die in der Bevölkerungsvorausrechnung getroffenen Vorgaben zur Geburtenhäufigkeit, zur Lebenserwartung und zur Zuwanderung nach Baden-Württemberg. Vielmehr hat auch die Annahme, dass sich der in den vergangenen Jahrzehnten stattgefundene verhaltensbedingte »Singularisierungsprozess« weiter fortsetzen wird, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die vorgestellten Ergebnisse.

Hinzu kommt, dass der Begriff »Privathaushalt«– wie beschrieben – zwar klar definiert, in der Praxis aber dennoch oftmals nicht eindeutig ist. Vor allem der Trend, wonach sich die traditionellen Haushalts- und Familienstrukturen immer mehr aufweichen, macht die exakte Ermittlung der Privathaushalte und eine Abschätzung der künftigen Entwicklung zunehmend schwieriger. Insbesondere bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften ist nicht immer zweifelsfrei, ob diese einen Mehrpersonenhaushalt oder aber mehrere Einpersonenhaushalte bilden – je nachdem, ob diese Personen gemeinsam wirtschaften oder nicht. Diese Unschärfen sind bei der Bewertung der vorgelegten Ergebnisse zu berücksichtigen.