:: 9/2018

Landwirtschaft – Opfer oder Täter des Klimawandels?

Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft

Der UN-Klimarat1 warnt: »Bei ungebremster Erderwärmung werden extreme Unwetter häufiger und stärker auftreten, feuchte Weltregionen werden noch feuchter, trockene dagegen noch trockener – teils mit erheblichen Folgen für die Landwirtschaft. Schon eine geringe globale Temperaturerhöhung kann zu sinkenden Getreideernten führen«.2

Die Landwirtschaft ist unmittelbar vom Klimawandel betroffen. Gleichzeitig gehört sie heute zu den wichtigsten Quellen anthropogener Treibhausgas-Emissionen. 2016 waren die landwirtschaftlichen Emissionen3 nach den energiebedingten4 Treibhausgas-Emissionen (ca. 89 %) mit einem Anteil von 6 % die zweitgrößte Verursachergruppe der Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg. Dabei dominieren die Methan (CH4)- und Lachgas (N2O)-Emissionen. Die Treibhausgase zeigen unterschiedliche Klimawirksamkeit. Methan ist 25-fach und Lachgas sogar 298-fach klimaschädlicher als Kohlendioxid. Der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Emissionen entfällt auf die Quellgruppen »Tierhaltung« beziehungsweise auf die landwirtschaftliche Bodennutzung sowie den dortigen Einsatz von Mineral- und Wirtschaftsdünger. Wie sieht die aktuelle und langfristige Emissionsentwicklung in der Landwirtschaft aus? Welche landwirtschaftlichen Aktivitäten tragen am meisten zu den Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg bei?

Emissionsrückgang verlangsamt

Nach vorläufigen Berechnungen wurden 2016 vom Sektor »Landwirtschaft«5 rund 4,8 Mill. t CO2-Äquivalente emittiert. Gegenüber 2015 sind die landwirtschaftlichen Emissionen 2016 nur geringfügig um ca.1 % angestiegen. Seit 2004 stagnieren jedoch die Emissionen. Der Anstieg ist in erster Linie durch die jährlich steigenden Methan-Emissionen aus Gärrestlagerung und durch gestiegene Lachgas-Emissionen bei der Ausbringung der Stickstoffdünger bedingt. Im Vergleich zu 1990 konnten bis jetzt insgesamt 1,1 Millionen Tonnen (Mill. t) (− 19,5 %) reduziert werden.

Landwirtschaft: Hauptverursacher bei den Methan- und Lachgas-Emissionen

Der Anteil von Methan- und Lachgas-Emissionen an den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg lag 2016 bei 9 %. Der Großteil dieser Klimagase ist auf die landwirtschaftlichen Aktivitäten (66 %), gefolgt von energiebedingten Emissionen (17 %) und Abfall- und Abwasserwirtschaft (16 %) zurückzuführen. 57 % der gesamten Methan-Emissionen und 80 % der Lachgas-Emissionen werden von der Landwirtschaft verursacht.

Der Anteil der Kohlendioxid-Emissionen an den gesamten Emissionen aus der Landwirtschaft lag 2016 bei 2 % und spielt damit eine untergeordnete Rolle. Diese Emissionen resultieren hauptsächlich aus Anwendung von Harnstoff- und Kalkdünger.

Die Methan-Emissionen sind überwiegend durch Verdauungsprozesse (enterische Fermentation) von Wiederkäuern bedingt. Durch Verdauungsvorgänge, die vor allem auf die Rinderhaltung (Milchkühe) zurückfuhren sind, werden 44 % der gesamten Methan-Emissionen in Baden-Württemberg emittiert. Das Wirtschaftsdüngermanagement (Lagerung und Ausbringung von Festmist und Gülle) sind für ca. 10 % der Methan-Emissionen verantwortlich. Die Methan-Emissionen aus Vergärung von Pflanzen (Fermenter-Leckage und Gärrestelagerung) verursachen nur 3 % der Methan-Emissionen, zeigen aber steigende Tendenz.

Die Nutzung landwirtschaftlicher Böden war 2016 für den Großteil der landwirtschaftlichen Lachgas-Emissionen verantwortlich. Emissionen dieser Kategorie sind überwiegend durch die Emissionen aus der Ausbringung von Mineral- und Wirtschaftsdüngern (45 %), durch die indirekten Lachgas-Emissionen6 (19 %) sowie durch Wirtschaftsdüngermanagement bedingt (15 %). Ausbringung und Lagerung von Energiepflanzengärresten haben 2016 ca. 7 % der gesamten Lachgasemissionen ausgemacht.

Fast ein Drittel weniger Methan-Emissionen

Die Methan-Emissionen aus der Landwirtschaft sind seit 1990 um 29 % zurückgegangen. Die Hauptursache für diese Entwicklung ist der Rückgang der Tierbestände bei Rindern. Die Anzahl der Milchkühe hat zwischen 1990 und 2016 um 40 % abgenommen. Die Tierbestände übriger Rinder (darunter auch Färsen) haben sich um ca. 36 % verringert. Parallel zur Verringerung des Milchkuhbestandes ist die durchschnittliche Milchleistung je Kuh von 11,5 kg/Tag 1990 auf 19 kg/Tag 2016 deutlich gestiegen. Diese Leistungssteigerung führt zu den niedrigeren produktbezogenen Emissionen (zum Beispiel pro Liter Milch), da die Futternähstoffe effektiver umgewandelt werden. Das liegt daran, dass der Energiebedarf einer Milchkuh zur Erhaltung der Lebensfunktionen bei der zunehmenden Milchleistung nicht mit ansteigt.7 Die steigende Milchleistung wirkt hingegen negativ auf die Verdauung und damit auf die spezifischen Methanemissionen (Emissionen pro Tier) aus. Das bedeutet, dass trotz abnehmender Tierzahlen höhere Gesamtemissionen aus der Tierhaltung resultieren können. Gegenüber 1990 sind die Methan-Emissionen aus der Verdauung pro Milchkuh um ca. 13,3 % gestiegen.

Bei den Lachgas-Emissionen ist ebenfalls ein Rückgang zu beobachten. Durch die reduzierte Stickstoffdüngung haben die Emissionen um 8 % gegenüber 1990 abgenommen. Der Mineraldüngereinsatz ist seit 1990 um 6 % zurückgegangen. Und durch Rückgang des Tierbestandes wurden 26 % weniger Wirtschaftsdünger ausgebracht. In den letzten Jahren wurde auch weniger Klärschlämme (– 95 % gegenüber 1990) angewendet. Um die Schadstoffeinträge in Boden und Grundwasser zu reduzieren, wurden die angefallenen Klärschlämme in Baden-Württemberg bevorzugt verbrannt statt auf landwirtschaftlichen Böden ausgebracht. 2016 lag die Verbrennungsquote des Klärschlamms bei ca. 96 %, der Anteil der stofflichen Verwertung in der Landwirtschaft bei nur 1 %.8

Deutschlandweit über 7 % der Treibhausgasen aus der Landwirtschaft

Im Jahr 2016 lagen die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft auf Bundesebene bei 65 Mill. t CO2-Äquivalenten. Das waren ca. 2 % weniger als im Vorjahr. Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist mit 7,3 % an den Treibhausgas-Emissionen der deutschen Landwirtschaft beteiligt. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 konnten bundesweit rund 18 % der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen verringert werden. Dieser Rückgang ist vorwiegend auf die Reduktion der Tierbestände in den neuen Bundesländern direkt nach der Wiedervereinigung zurückzuführen. Der höchste Emissionsrückgang seit 1990 ist in Thüringen mit ca. 43 %, der niedrigste in Niedersachen (− 0,4 %) zu verzeichnen. Baden-Württemberg liegt mit − 19 % Treibhausgasreduktion im Mittelfeld.

Im Jahr 2016 verabschiedete die Bundesregierung den Klimaschutzplan 2050. Der Plan nennt als Mittelfristziel für Deutschland eine Treibhausgasminderung bis 2030 um 55 % gegenüber 1990. Für die Landwirtschaft sieht der Klimaschutzplan die Minderungsziele zwischen 31 % und 34 % vor.9 Auch in Baden-Württemberg sind für den Sektor »Landwirtschaft« konkrete Reduktionsziele definiert. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept Baden-Württemberg (IEKK) (i-Punkt »Klimaschutzkonzept«) hat als Sektorziel für die Landwirtschaft eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 35 % bis 2020 bezogen auf 1990 festgeschrieben. Das bedeutet, dass bis zur Zielerreichung 2020 noch weitere 0,9 Mill. t einzusparen sind. Damit dieses Ziel erreicht wird, müssten in allen landwirtschaftlichen Bereichen weitere Einsparungen erzielt werden.

1 Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – Institution der Vereinten Nationen, https://www.de-ipcc.de (Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle) (Abruf: 20.08.2018):

2 Folgen des Klimawandels, https://www.greenpeace.de/themen/klimawandel/folgen-des-klimawandels (Abruf: 20.08.2018).

3 Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (Distickstoffoxid; N2O). Die übrigen im Kyoto-Protokoll aufgeführten Stoffgruppen der HFC- und PFC-Verbindungen sowie SF6 haben in Baden-Württemberg einen Anteil von ca. 2 % an den jährlichen Treibhausgas-Emissionen. Aufgrund ihrer geringen Bedeutung und wegen der nicht ausreichenden Datenlage werden sie nicht genauer betrachtet. Zur Umrechnung in Tonnen CO2-Äquivalente wurden die CH4-Emissionen gemäß den internationalen Vereinbarun­gen mit einem Treibhausgaspotenzialfaktor von 25 multipliziert, die N2O-Emissionen mit dem Faktor 298 (bezogen auf einen Zeithorizont von 100 Jahren).

4 Feuerungsanlagen, Verkehr, diffuse Emissionen aus Energieträgern.

5 Diese Emissionen umfassen nur die nicht-energiebedingten landwirtschaftlichen Emissionen wie zum Beispiel direkte Emissionen aus der Tierhaltung, Düngerwirtschaft sowie Nutzung landwirtschaftlicher Böden. Emissionen aus dem Energieverbrauch in landwirtschaftlichen Maschinen oder Trocknungsanlagen werden hier nicht berücksichtigt. Diese sind dem Sektor »sonstiger Verkehr« bzw. »Haushalte und Gewerbe, Handel, Dienstleis­tungen und übrige Verbraucher (GHD)« zugeordnet. Auch die Emissionen aus der Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft werden hier nicht betrachtet.

6 Indirekte Lachgas-Emissionen entstehen durch überschüssige, reaktive Stickstoffverbindungen in Böden. Diese werden freigesetzt und über den Luftpfad als atmosphärische Deposition verteilt. Des Weiteren entstehen Lachgas-Emissionen infolge von Stickstoff-Oberflächenabfluss und Auswaschung gedüngter Flächen. Quelle: Umweltbundesamt, Umwelt und Landwirtschaft, Ausgabe 2018.

7 Thünen-Institut (2018): Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft, in: Daten und Fakten. www.thuenen.de (Abruf: 20.08.2018).

8 Pressemitteilung 10/18 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg vom 19.01.2018. https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2018010 (Abruf: 20.08.2018).

9 Der Klimaschutzplan 2050 – Die deutsche Klimaschutzlangfriststrategie, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/nationale-klimapolitik/klimaschutzplan-2050/ (Abruf: 20.08.2018).