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Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg 2010 bis 2017

Teil 1: Grundsätze und Entwicklungen

Stets stoßen (Ober-)Bürgermeisterwahlen auf ein großes mediales und öffentliches Interesse in den Städten und Gemeinden im Land. Dieses Interesse steigert sich vor allem dann, wenn der bisherige Amtsinhaber1 nicht mehr zur Wahl steht, was zunehmend der Fall ist, wie im Folgenden noch ausgeführt wird. Betrachtet man die besondere Stellung des (Ober-)Bürgermeisters in der baden-württembergischen Kommunalverfassung (Gemeindeordnung), so wird dies schnell nachvollziehbar. (Ober-)Bürgermeister sind im Konzert der kommunalpolitischen Akteure, um im Bilde zu bleiben, die Dirigenten, die an der Spitze und im Blickpunkt stehen und den Takt angeben.

Der vorliegende Aufsatz befasst sich mit den Grundsätzen und Entwicklungen der baden-württembergischen (Ober-)Bürgermeisterwahlen im Zeitraum von 2010 bis 2017, also einer kompletten achtjährigen Amtsperiode. Ein zweiter Aufsatz, bei dem die Analyse der Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen im Fokus steht, schließt sich in der nächsten Ausgabe der Reihe an.

Wahlgrundsätze

In Baden-Württemberg werden die Ober­bürgermeister in Städten ab 20 000 Einwohner und die Bürgermeister in den Städten und Gemeinden bis 20 000 Einwohner traditionell direkt von den Bürgern der Gemeinde gewählt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur noch die Bezeichnung Bürgermeister beziehungsweise Bürgermeisterwahlen verwendet.

Einen landeseinheitlichen Wahltermin gibt es nicht. 2 Rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des Bürgermeisters3, die grundsätzlich 8 Jahre beträgt, muss eine Wahl durchgeführt werden; dies gilt auch, wenn die Amtszeit voraussehbar früher endet (durch Eintritt in den Ruhestand oder infolge Erreichens der Altersgrenze) 4. Bei vorzeitiger Beendigung der Amtszeit (zum Beispiel durch Tod, Entlassung auf Antrag oder im Disziplinarverfahren) ist die Wahl spätestens 3 Monate nach Freiwerden der Stelle durchzuführen. Entsprechend verteilen sich die einzelnen Wahltermine im Land über das ganze Jahr.

Der Bürgermeister ist in Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern (180 Gemeinden = 16 % aller baden-württembergischen Gemeinden) 5 stets Ehrenbeamter auf Zeit und in Gemeinden mit 2 000 Einwohnern und mehr immer hauptamtlicher Beamter auf Zeit (§ 42 Abs. 2 GemO). In Gemeinden mit mehr als 500, aber weniger als 2 000 Einwohnern (151 Gemeinden = 14 % aller Gemeinden) kann er aber hauptamtlicher Beamter auf Zeit sein, wenn dies in der örtlichen Hauptsatzung so durch Gemeinderatsbeschluss bestimmt ist. In dieser Größenklasse (151 Gemeinden) fanden von 2010 bis einschließlich 2017 insgesamt 135 Bürgermeisterwahlen (für hauptamtliche Bürgermeister) statt. In Gemeinden mit 500 Einwohner und weniger (29 Gemeinden = 3 % aller Gemeinden) ist der Bürgermeister immer Ehrenbeamter. Für ehrenamtliche Bürgermeister ist eine Stellenausschreibung nicht vorgesehen, aber möglich. Tatsächlich erfolgt ist eine solche nur in fünf Fällen in den letzten 8 Jahren (vgl. Tabelle 1).

Der Bürgermeister wird von den Gemeindebürgern nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl unmittelbar gewählt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hat. Wird diese Mehrheit von keinem Bewerber erreicht, findet eine Neuwahl statt, bei der die höchste Stimmenzahl und bei Stimmengleichheit das Los entscheidet (§ 45 GemO). Bei der Neuwahl sind neue Bewerbungen möglich; die Bewerbungen für die erste Wahl gelten fort, sofern diese nicht innerhalb der Einreichungsfrist für die Neuwahl zurückgenommen werden. Die Neuwahl ist also eine eigenständige Wahl und keine Stichwahl, wie in vielen anderen Bundesländern oder in der früheren württembergischen Tradition, die zunächst auch Eingang in die vorläufige Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (1953 – 1955) fand.

Bei beiden »Wahlgängen« besteht keine Bindung an die zugelassenen Bewerber. Es können vielmehr auch Personen zum Bürgermeister gewählt werden, die sich nicht beworben haben (durch Eintragung in die freie Zeile auf dem Stimmzettel), sofern diese die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllen und ihrer Wahl zustimmen.

Zahl der Bürgermeisterwahlen

In dem 8 Jahre umfassenden Erhebungszeitraum 2010 bis 2017 dieser Untersuchung wurden insgesamt 1 088 Bürgermeisterwahlen und weitere 123 Neuwahlen absolviert. Analog zur jeweiligen Anzahl an Gemeinden wurden dabei die meisten Bürgermeisterwahlen im Regierungsbezirk Stuttgart durchgeführt (348 = 32 %); es folgen die Regierungsbezirke Freiburg (292), Tübingen (228) und Karlsruhe (220). Mit Abstand am häufigsten finden Bürgermeisterwahlen in Gemeinden mit 2 000 bis unter 5 000 Einwohnern (418 = 38 %) und mit 5 000 bis unter 10 000 Einwohnern (269 = 25 %) statt (vgl. Tabelle 1).

Auch über die Einzeljahre verteilt schwankt die Zahl der Stadtoberhauptswahlen zwischen 103 (2013) beziehungsweise 106 (2011) und 165 (2015) beziehungsweise 189 (2010) beträchtlich (vgl. Tabelle 1). Im Durchschnitt fanden im Betrachtungszeitraum 136 Wahlen im Jahr statt. Die Häufung 2015 mit 165 Wahlen ist kein Zufall, sondern erklärt sich als Spätfolge der baden-württembergischen Gemeindereform zum 1. Januar 1975, als viele Kommunen nach ihrer Neugliederung 1975 den ersten Bürgermeister der neu gebildeten Gesamtgemeinde wählten. 6 Eine zweite, noch größere Häufung von Bürgermeisterwahlen trat im Jahr 2010 mit 189 Wahlen auf, die zurückzuführen ist auf den Wahlrhythmus in vielen Städten und Gemeinden in der Nachkriegszeit, als 1948 erstmals die Bürgermeister in den drei Ländern Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden für 6 Jahre und dann 1954 auf der Rechtsgrundlage des Gesetzes zur vorläufigen Angleichung des Kommunalrechts (GAK), dem Vorläufer der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, die Bürgermeister für 8 Jahre, bei Wiederwahlen bis 1975 für 12 Jahre gewählt wurden. Mit der Neufassung der Gemeindeordnung vom 22. Dezember 1975 wurde die Wahlperiode auch bei Wiederwahlen auf 8 Jahre vereinheitlicht.

Neuwahlen

Neuwahlen werden nur selten notwendig. Insgesamt 123 Bürgermeisterwahlen, also 11 %, wurden im 8-jährigen Betrachtungszeitraum erst im zweiten Wahlgang entschieden. Offensichtlich hat sich die Neuwahlquote in den letzten Jahren stark reduziert; so stellte Klein (2014, S. 170) fest, dass im Zeitraum 1990 bis 2009 knapp 20 % der Bürgermeisterwahlen »in die Verlängerung« gingen.

Rechnerisch höchst unwahrscheinlich sind Neuwahlen in jedem Fall, wenn bei einer Bürgermeisterwahl nur ein oder nur zwei Kandidat(en) vorkommen (dann müsste schon eine Person über die freie Zeile eine völlig ungewöhnlich hohe Stimmenzahl erzielen). Tatsächlich waren im 8-jährigen Betrachtungszeitraum (2010 bis 2017) nur drei Neuwahlen notwendig geworden, bei denen zwei Kandidaten im ersten Wahlgang auftraten. Das heißt nun, dass bei deutlich über die Hälfte (58 %) aller Bürgermeisterwahlen im Land von vorneherein nicht mit einer Neuwahl gerechnet werden braucht.

Bei Wahlen mit drei und mehr Kandidaten steigt indessen die Neuwahl-Eintrittswahrscheinlichkeit stark an. Bürgermeisterwahlen, bei denen die Entscheidung erst in einer Neuwahl gefallen ist, weisen im Durchschnitt (2010 bis 2017) ein doppelt so umfangreiches Bewerberfeld auf: 5,2 Bewerber gegenüber 2,6 Bewerber pro Wahl bei allen Bürgermeisterwahlen.

Während die Gemeindegröße die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Neuwahl nicht erhöht, kommt es in fast einem Drittel (31 %) der Wahlen, bei denen der Amtsinhaber nicht wieder antritt, zu einer Neuwahl. Oder aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: Bei drei von vier Neuwahlen (76 %) hat der bisherige Amtsinhaber bei der anstehenden Bürgermeisterwahl nicht mehr kandidiert (vgl. Tabelle 2).

Die Neuwahl muss frühestens am zweiten und spätestens am vierten Sonntag nach der Bürgermeisterwahl stattfinden. Aus wahlorganisatorischer Sicht ermöglicht ein 3-wöchiger Abstand eine geregelte Vorbereitung insbesondere mit Blick auf die Abwicklung der Briefwahl und die öffentliche Bekanntmachung der zugelassenen Bewerber. 7 Ein 2-wöchiger Abstand erfordert hingegen hinsichtlich einer fristgerechten und rechtssicheren Wahldurchführung eine sehr straffe Organisation, entspricht aber eher dem Interesse der Öffentlichkeit und der Bewerber an einem möglichst zeitnahen Abschluss der Wahl und einer zeitlichen Begrenzung des Wahlkampfes. Deshalb überwiegen zwar Neuwahlen mit 2-Wochen-Abstand in der Praxis meistens (außer 2015 und 2016; vgl. Tabelle 2). Im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2017 wurden 68 % der Neuwahlen 2 Wochen nach der Bürgermeisterwahl anberaumt, in den letzten 3 Jahren des Betrachtungszeitraums sind freilich 3-Wochen-Abstände häufiger geworden.

Wenn in einem 3-Wochen-Abstand gewählt wird (2010 – 2017: 30 % der Neuwahlen), hat das gerne terminliche Gründe, da am Oster- und Pfingstsonntag sowie am Totengedenktag keine Wahlen durchgeführt werden dürfen (§ 2 Abs. 3 KomWG) oder kirchliche und sonstige Feiertage (Allerheiligen, 1. Mai) oder die Faschingszeit vor dem Wahltermin eine ordnungsgemäße Wahlvorbereitung erschweren. Der gesetzlich mögliche 4-Wochen-Abstand wurde zuletzt je einmal 2010, 2011 und 2017, aufgrund terminlicher Notwendigkeiten, in Anspruch genommen.

Bewerbungen für Bürgermeisterwahlen – Amtsinhaber kandidiert wieder oder kandidiert nicht mehr

Bei der Besetzung der Bürgermeisterposten in Baden-Württemberg ist eine hohe personelle Kontinuität kennzeichnend. Bei beinahe zwei Drittel der Wahlen im 8-jährigen Betrachtungszeitraum (63 %) kandidierte der Amtsinhaber erneut; nur bei gut einem Drittel (37 %) der Wahlen wurden die »Karten neu gemischt« (vgl. Tabelle 3). Allerdings: Im Entwicklungsverlauf der Zeitreihe von 2010 bis 2017 lässt sich trotz der relativ kurzen Betrachtungsspanne eine abnehmende Tendenz von Wahlen mit wieder antretendem Amtsinhaber identifizieren. Sind bis 2012 bei rund 33 bis 35 % der Wahlen die Amtsinhaber nicht mehr angetreten, liegt diese Quote seit 2013 zwischen 40 und 44 % (Ausnahme: 2015).

Amtszeiten der Bürgermeister

42 % der Gewählten starten in ihre erste Amtsperiode (vgl. Schaubild 1); sie sind gewissermaßen Berufsanfänger in dieser Funktion, sofern sie nicht in Ausnahmefällen schon in einer anderen (dann meist kleineren) Gemeinde das Bürgermeisteramt ausübten. Auch in diesem Punkt zeigt sich die Tendenz rückläufiger Wiederbewerbungsquoten beziehungsweise der im Zeitfenster 2010 bis 2017 gestiegene Anteil von Gewählten, die ihre erste Amtszeit vor sich haben – eine Entwicklung, die ab 2013 einsetzte. Dass dieser Trend kein neues Phänomen ist, sondern sich offenbar nur weiter fortentwickelt, zeigt die Untersuchung von Klein (2014, S. 134), die für Ende 2009 nur eine entsprechende Quote von 36 % und für Anfang der 1990er-Jahre sogar nur von 33 % Gewählte, die ihre erste Amtszeit antraten, 8 feststellte und dies vor allem mit einer höheren Amtsbelastung und der dadurch geringeren Neigung mehr als die versorgungsrechtlich notwendigen zwei Amtsperioden zu machen, erklärte. 9

Die übrigen 58 % gewählte Bürgermeister sind für eine zweite (35 %) oder dritte Amtsperiode (15 %) wiedergewählt. Dass Bürgermeister für eine vierte Amtszeit gewählt werden, ist sehr selten (bei 6 % der Wahlen) und konzentriert sich fast ausschließlich auf Gemeinden und kleinere Städte bis 20 000 Einwohner. Verschwindend gering ist nicht nur der Anteil gewählter Bürgermeister, die in ihre fünfte (1 %) oder gar sechste Amtszeit (0,1 %) gehen; dies kommt auch fast nur in Gemeinden unter 5 000 Einwohnern vor (vgl. Tabelle 4).

Zahl der Bewerber

Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2017 traten 2,6 Kandidaten bei baden-württembergischen Bürgermeisterwahlen an. In den Jahren 2010 bis 2012 schwankte dieser Wert zwischen 2,2 und 2,5. Ab 2013, mit dem Auftreten der »Nein!-Idee«- Partei, stieg der Wert auf 2,6 bis 3,2 Kandidaten pro Wahl an. 2017 betrug die durchschnittliche Kandidatenzahl pro Wahl 2,6; in diesem Jahr wurden nur noch in zwei Fällen bis zur Auflösung der »Nein!-Idee«-Partei am 1. April 2017 Kandidaturen dieser Partei registriert. Für 2018 ist durch die verstärkten Bewerbungsaktivitäten der Dauerbewerberin Fridi Miller wieder ein neuerlicher Anstieg zu erwarten.

Die Zunahme der durchschnittlichen Kandidatenzahl, die seit 2013 zutage getreten ist, lässt sich zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich auf die Bewerbungsaktivitäten der »Nein!-Idee«-Kandidaten zurückführen. Auch der Rückgang der Zahl der Wahlen mit Beteiligung des amtierenden Bürgermeisters dürfte das Bewerberinteresse bei Bürgermeisterwahlen in den letzten Jahren etwas befördert haben.

Knapp ein Drittel (31 %) aller Bürgermeisterwahlen von 2010 bis 2017 waren Ein-Kandidaten-Wahlen; bei 28 % dieser Wahlen traten zwei und bei 18 % drei Kandidaten auf. Bei weniger als einem Viertel der Bürgermeisterwahlen waren es vier oder mehr Bewerber (vgl. Schaubild 2).

Das größte Kandidateninteresse ist nachvollziehbarerweise dann festzustellen, wenn bei einer Bürgermeisterwahl der Amtierende nicht mehr antritt; bei dieser Ausgangslage bewerben sich durchschnittlich 3,9 Bewerber pro Wahl und damit doppelt so viele wie bei Wahlen mit wiederkandidierenden Amtsinhabern (1,9) (vgl. Tabelle 5).

Auch bei der Betrachtung der Bewerberzahlen nach der Amtszeit des Gewählten erkennt man eine abrupte Abnahme der Bewerberzahlen von durchschnittlich 3,8 auf 1,8 Kandidaten pro Wahl ab der zweiten Kandidatur des Amtsinhabers. Die gleiche Kandidatenzahl wird im Mittel bei der dritten Kandidatur des Amtsinhabers erreicht. Bei weiteren Kandidaturen geht die Kandidatenzahl abermals zurück; aus Tabelle 6 wird auch deutlich, dass sich seit 2013 Kandidaturen von Vertretern der »Nein!-Idee«-Partei vor allem in der Erhöhung der Kandidatenzahl bei wiederholten Bewerbungen von Amtsinhabern niedergeschlagen haben.

Neuwahlen sind in der Regel die Folge von einem mehrköpfigen Bewerberfeld; im Durchschnitt kandidieren bei Bürgermeisterwahlen, die nicht auf Anhieb im ersten Wahlgang mit einer absoluten Stimmenmehrheit enden, 5,2 Bewerber. Der eine oder andere Bewerber zieht dann zur Neuwahl seine Kandidatur mangels Erfolgsaussichten zurück; die durchschnittliche Bewerberdichte sinkt so auf 3,1 Bewerber pro Neuwahl (vgl. Tabelle 7).

Je größer die Einwohnerzahl einer Gemeinde ist, desto größer ist tendenziell auch das Bewerberfeld bei einer Bürgermeisterwahl (vgl. Tabelle 8). In den Kleingemeinden unter 2 000 Einwohner kandidieren im Schnitt 2,3 Kandidaten pro Wahl. Bis zur Größenklasse 10 000 bis unter 20 000 Einwohnern steigt die durchschnittliche Bewerberzahl pro Wahl auf 3,1. Die höchsten Durchschnittswerte werden in den Städteklassen 50 000 bis unter 100 000 Einwohnern (3,9) und 100 000 bis unter 500 000 Einwohnern (3,4) erzielt, bei allerdings stark variierenden Werten in den einzelnen Städten. Aus der Reihe fielen die Landeshauptstadt mit 14 und Konstanz mit 13 Bewerbungen bei ihren Oberbürgermeisterwahlen 2012. Im Jahr 2017 fallen die Bürgermeisterwahlen in Empfingen (Kreis Freudenstadt) mit 13 und Crailsheim (Kreis Schwäbisch Hall) mit 12 Kandidaten aus dem üblichen Rahmen.

Dass Bürgermeisterwahlen in Baden in der Vergangenheit stärker durch Gegenspieler geprägt waren als in Württemberg (vgl. Klein, 2014, S. 174), kann man noch andeutungsweise an den durchschnittlichen Bewerberzahlen ablesen, die von 2010 bis 2017 in den Regierungsbezirken Freiburg und Karlsruhe bei 2,6 und 2,8 liegen, während in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen 2,5 beziehungsweise 2,6 Bewerber pro Wahl aufgetreten sind (vgl. Tabelle 9). Noch deutlicher würden die historisch niedrigeren Bewerberwerte im Regierungsbezirk Stuttgart zutage treten, hätte nicht 2016 ein ungewöhnlicher »Bewerberandrang« mit durchschnittlich 3,1 Bewerbungen pro Wahl geherrscht, der den Durchschnittswert der Jahre 2010 bis 2017 nach oben gedrückt hat.

Das Phänomen der Dauerkandidaten bei baden-württembergischen Bürgermeisterwahlen

In den 1970er-Jahren kam das Phänomen der Dauerkandidaten bei Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg auf. War es zunächst Helmut Palmer (»Remstal-Rebell«), der als »Einzelkämpfer« und schwäbisches Original bei rund 300 Bürgermeisterwahlen im Land10 kandidierte (darunter drei Mal in Stuttgart) und dabei 1974 in Schwäbisch Hall fast zum Oberbürgermeister gewählt wurde (erster Wahlgang: 40,7 %, zweiter Wahlgang: 41,4 %), kamen später mit Werner Tereba (Mannheim) und Florian Burlafinger (Karlsruhe) zwei »Postkarten-Bewerber« hinzu. Tereba brachte es, bis er 2006 die gesetzliche Altersgrenze für Kandidaturen erreichte, auf über 2 500 Bewerbungen. 11

Zumindest in Städten über 20 000 Einwohner verschwanden diese Dauerkandidaten auf den Stimmzetteln ab 1997, als mit der Änderung der Gemeindeordnung ein Unterstützungsunterschriftsquorum zur Eindämmung der nicht wirklich ernsthaften Kandidaturen installiert wurde.

Kandidaten der »Nein!-Idee«-Partei

Am 13. Januar 2013 stand erstmals in Baden-Württemberg bei Bürgermeisterwahlen in der Gemeinde Oberried (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) ein Vertreter der »Nein!-Idee«-Partei auf einem Stimmzettel. Im Zeitraum 2013 bis 2017 haben seit dieser Premiere rund 191 Bürgermeisterwahlen mit (in der Regel einem) ortsfremden Kandidaten der »Nein!-Idee«-Partei stattgefunden (vgl. Tabelle 10). Nach eigenem Bekunden sind die »Nein«-Kandidaten angetreten, »um die Wahlen wieder zu echten und demokratischen Wahlen zu machen«, als Alternative zum Nichtwählen, vor allem bei Wahlen mit nur einem Kandidaten. Wäre der Fall eingetreten, dass ein »Nein«-Kandidat gewählt worden wäre, hätte dieser die Wahl nicht angenommen12 und die Bürgermeisterwahl hätte neu angesetzt werden müssen. Nicht selten blieben diese Bewerber auch den öffentlichen Bewerbervorstellungen in den Gemeinden vor den Wahlen fern.

Eine rechtliche Bewertung des Phänomens »Nein!-Idee«-Partei fällt indessen eher ambivalent aus. Einerseits könnte man von einer rechtlichen »Grauzone« oder einer »Scheinkandidatur« sprechen13, andererseits liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl insoweit nicht vor, als die Vertreter der Partei die Nichtannahme des Amtes im Falle einer Wahl im Wahlkampf explizit kommuniziert haben.

Im Wesentlichen handelte es sich bei den »Nein«-Bewerbern um wenige Personen, die abwechselnd in den verschiedenen Gemeinden kandidierten. Auf insgesamt vier (ausschließlich männliche) Kandidaten gingen von 2013 bis 2015 78 % aller »Nein«-Kandidaturen bei Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg zurück; 2016 kamen alle »Nein«-Bewerbungen von nur vier Bewerbern.

Im Zeitraum 2013 bis 2016 kandidierten bei 40 % aller Bürgermeisterwahlen in Gemeinden unter 20 000 Einwohner Bewerber der »Nein!-Idee«-Partei. Deren Kandidaten traten im Normalfall nicht in Städten ab 20 000 Einwohner auf, in denen als weitere Zulassungsvoraussetzung ein Unterschriftenquorum erforderlich ist (vgl. Tabelle 10).

Überwiegend in Folge dieser Entwicklung ging die durchschnittliche Kandidatenzahl leicht nach oben (2012: 2,3; 2013 bis 2016: 2,6 bis 3,2 Kandidaten pro Wahl). Vor allem gingen die Wahlen mit nur einem Kandidaten zurück. Waren noch von 2010 bis 2012 knapp die Hälfte (45 %) der Bürgermeisterwahlen im Land Ein-Kandidaten- Wahlen, ging dieser Anteil 2013 bis 2016 auf 17 % zurück; entsprechend stark gestiegen ist der Anteil von Wahlen mit zwei Kandidaten von 20 % (2010 bis 2012) auf 35 % (2013 bis 2016) (vgl. Schaubild 3).

Im Durchschnitt erzielten die Bewerber der »Nein!-Idee«-Partei Stimmenanteile zwischen 4 und 5 %. Dabei ist allerdings eine ausgesprochen große Bandbreite an Stimmenanteilen festzustellen. Sie reicht von marginalen Stimmenanteilen von unter 1 % bis zu zweistelligen Ergebnissen zwischen 10 und 20 %; die höchsten Ergebnisse waren 34,9 % in Ochsenhausen (2015) und 26,8 % in Löwenstein (2016). In diesen Fällen konnten die Bewerber der »Nein!-Idee«-Partei die vorhandenen Unzufriedenheitspotenziale mit den sich wiederbewerbenden Amtsinhabern auf sich ziehen.

Gut 4 Jahre währten die Aktivitäten der Partei »Nein!-Idee«, bis am 1. April 2017 die Mitglieder auf ihrem Bundesparteitag in Heubach (Ostalb­kreis) ihre Auflösung beschloss (www.nein-idee.de). Der letzte Auftritt blieb der kleinen Gemeinde Sölden (1 300 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald am 12. März 2017 vorbehalten, als der »Nein«-Kandidat Heiko Gold noch einmal einen erstaunlich hohen Stimmenanteil von 16,5 % erzielte.

Kandidaten von »Die Partei«

Vereinzelt tauchen auf den Stimmzetteln von Bürgermeisterwahlen im Land Vertreter der Partei »Die Partei« auf, eine 2004 von Mitgliedern der Titanic-Redaktion gegründeten »Satire-Partei«. Deren Kandidaten erzielten zum Teil beachtliche Wahlergebnisse, so in Stutensee (2015) und Rottenburg (2016) mit jeweils 13,4 %.

Fridi Miller

Anstelle der Dauerkandidaturen der Vertreter der »Nein!-Idee«-Partei trat nahtlos, wenn auch ein sachlicher Zusammenhang hier nicht unterstellt werden kann, die Dauerkandidatin Friedhild Miller aus Sindelfingen auf den Plan. In der Regel wird Friedhild Miller mit der Kurzform ihres Vornamens Fridi bei den Wahlen zugelassen.

Ihr erster Auftritt fand bei der Oberbürgermeisterwahl in ihrer Heimatstadt am 7. Mai 2017 statt, wo sie 4,3 % der Stimmenanteile erhielt. 2017 schlossen sich zunächst nur vier weitere Bürgermeisterwahlen, überwiegend in ihrem Herkunftslandkreis Böblingen, an. 2018 »explodierten« die Bewerbungszahlen indessen, alleine im 1. Halbjahr brachte sie es auf 85 Bewerbungen, verteilt nun auf alle Landesteile. Zumeist blieben ihre Stimmenanteile unter 1 % oder erreichten höchstens höhere einstellige Werte, gelegentlich gab es aber auch schon 2018 Ergebnisse im unteren zweistelligen Bereich (Zweiflingen: 12,7 %; Eschach: 10,7 %).

Wahlergebnisse der gewählten Bürgermeister

Bürgermeister in Baden-Württemberg werden im Durchschnitt des Betrachtungszeitraums mit 77,9 % der gültigen Stimmen gewählt. Dabei sind diese Stimmenanteile in den letzten Jahren, korrespondierend zur Zunahme der Bewerberzahlen ab 2013, hauptsächlich in Folge des Auftretens der Vertreter der »Nein!- Idee«-Partei, leicht gesunken (vgl. Tabelle 11); 2017 stieg das Durchschnittsergebnis wieder an, nachdem die Partei ihre Auflösung beschloss und vollzog.

Erwartungsgemäß verringert sich das erzielte Wahlergebnis der Gewählten mit steigender Konkurrenz: Je mehr Mitbewerber bei einer Wahl auftreten, desto niedriger fällt tendenziell das Ergebnis des Wahlsiegers aus (vgl. Tabelle 11). Bei Bürgermeisterwahlen mit nur einem Bewerber gewinnen diese mit durchschnittlich 95 % der Stimmenanteile die Wahl.

Das Wahlergebnis der gewählten Bürgermeister steigt, auch das überrascht grundsätzlich nicht, mit der Amtszeit an. In die erste Amtszeit gehen gewählte Bürgermeister gewöhnlich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit (66,0 %) (vgl. Tabelle 12). Diese Wählerbasis erhöht sich bei der ersten Wiederwahl, einhergehend mit einer durchschnittlichen Halbierung der Bewerberzahlen, um rund 20 Prozentpunkte. Teilweise schon ab der dritten, spätestens aber ab der vierten Amtszeit, sind dann »Traumergebnisse« von 95 bis 99 % nicht selten.

Auch die allermeisten Neuwahlen werden mit absoluter Stimmenmehrheit entschieden; lediglich bei 23 % der Neuwahlen im Zeitraum 2010 bis 2017 wurden die Bürgermeister mit weniger als 50 % der gültigen Stimmen ins Amt gewählt.

Wahl einer Bürgermeisterin

Obwohl knapp zwei Drittel (65 %) der insgesamt im kommunalen Bereich Beschäftigten (Angestellte und Beamte) 14 und sogar fast drei Viertel (71 %) der Studierenden an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung (ehemals Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung) in Kehl und Ludwigsburg15 Frauen sind, stehen Frauen noch immer höchst selten als gewählte Bürgermeisterinnen an der Spitze einer Gemeindeverwaltung. 16 Gerade einmal bei 7,3 % aller Bürgermeisterwahlen (insgesamt 79 Wahlen) im Zeitraum 2010 bis 2017 wurde eine Frau zur Bürgermeisterin gewählt (vgl. Tabelle 13).

Ungeachtet der raren Repräsentanz der Frauen im Bürgermeisteramt ist im Zeitraum 2010 bis 2017 ohne Zweifel ein Trend zu mehr Bürgermeisterinnen beobachtbar. Die Zahl der gewählten Bürgermeisterinnen hat sich in den letzten 4 Jahren (2014 bis 2017) auf einem unteren zweistelligen Niveau verfestigt. 2016 wurde der bislang höchste Anteil gewählter Bürgermeisterinnen in einem Jahr mit 11,1 % erreicht.

Der steigende Anteil weiblicher Bürgermeister in den letzten Jahren dürfte sich alleine deshalb in Zukunft als Trend verstetigen, weil fast drei Viertel (72 %) der gewählten Bürgermeisterinnen im Betrachtungszeitraum (2010 – 2017) zum ersten Mal in ihr Amt gewählt wurden, während diese Quote bei gewählten Männern 40 % beträgt. 23 % der gewählten Bürgermeisterinnen gingen in ihre zweite und nur 5 % in ihre dritte Amtszeit.

Auch die Bewerberzahlen von Frauen nahmen in den letzten 4 Jahren zu. Zwischen 10 und 14 % aller Bewerber waren in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 weiblich.

Seit 2014 nimmt die Zahl der Bürgermeisterwahlen, bei denen eine Kandidatin antritt, spürbar zu. Gut jede vierte Wahl (26 bis 27 %) fand 2014 bis 2017 mit (mindestens) einer Frau im Bewerberfeld statt; im Zeitraum 2010 bis 2013 lag diese Quote zumeist unter 20 %. Bei fast jeder dritten Wahl, bei der eine Frau in den vergangenen 8 Jahren kandidierte, wurde auch am Ende eine Bürgermeisterin gewählt. Das ergibt eine Erfolgsquote der weiblichen Bewerber von 1:3. Dass dabei im Betrachtungszeitraum auch die Erfolgsaussichten der Frauen bei einer Kandidatur gestiegen sind, lässt sich indessen nicht feststellen.

Gewählte Bürgermeisterinnen treten in allen Gemeindegrößenklassen ohne erkennbare Schwerpunkte auf; Karte 1 zeigt die Verteilung der Bürgermeisterwahlen im Land, in denen eine Frau in der Zeitspanne 2010 bis 2017 gewählt wurde. Nur etwa jede vierte Bürgermeisterin (24 %) hatte zum Zeitpunkt ihrer Wahl ein »Parteibuch« (Männer 42 %). Von den 19 Bürgermeisterinnen mit Parteibuch gehörten 18 der CDU und eine der SPD an.

Gewählte mit oder ohne Parteizugehörigkeit

Die Mehrheit der baden-württembergischen Bürgermeister (59 %) gehört zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei oder Freien Wählervereinigung an. Dabei schwankt diese Quote in den einzelnen Wahljahren durchaus kräftig, genau zwischen 48 % 2011 und 69 % 2014 (vgl. auch Tabelle 14). Eine Veränderungstendenz ist in dem beobachteten Zeitspektrum 2010 bis 2017 nicht erkennbar.

41 % der gewählten Bürgermeister haben also zum Wahlzeitpunkt im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2017 eine Parteizugehörigkeit vorzuweisen. Ganz eindeutig die meisten partei- oder an eine Wählervereinigung gebundenen Bürgermeister gehören der CDU an (73 %), gefolgt von der SPD (14 %), den Freien Wählervereinigungen (8 %), der FDP (3 %) und den GRÜNEN (2 %) (vgl. Tabelle 14).

Nach Gemeindegrößenklassen sortiert zeigt sich eine ebenso eindeutige Tendenz: Je kleiner die Gemeinde, umso eher ist der Bürgermeister parteilos (vgl. Tabelle 15). In Kleingemeinden unter 2 000 Einwohner sind gut zwei Drittel (69 %) der Gewählten ohne »Parteibuch«, in Gemeinden von 2 000 bis 10 000 Einwohnern 62 %. In Gemeinden der Klasse von 10 000 bis 20 000 Einwohnern sinkt die Quote auf etwas mehr als die Hälfte (52,5 %), während die gewählten Oberbürgermeister in den Größenklassen von 20 000 Einwohnern aufwärts mehrheitlich einer Partei (oder Freien Wählervereinigung) zugehörig sind.

Gewählte Bürgermeister mit einem CDU-Parteibuch sind in allen Gemeindegrößenklassen (außer in der Klasse 500 000 Einwohner und mehr) mit weitgehend gleich hohen Anteilen vertreten (vgl. Tabelle 16). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister SPD-angehörig ist, steigt hingegen mit der Gemeindegröße (vgl. Tabelle 17, Schaubild 4); 23 % der Oberbürgermeister in Städten von 50 000 bis unter 100 000 Einwohnern und immerhin 38 % der Oberbürgermeister in Großstädten von 100 000 bis unter 500 000 Einwohnern werden von der SPD »gestellt«.

Innerhalb des Landes Baden-Württemberg gibt es erhebliche regionale Unterschiede bei dem Umstand, ob ein Bürgermeister ein »Parteibuch« hat oder nicht. Gehören im württembergischen Regierungsbezirk Stuttgart zwei Drittel (67 %) und im württembergisch-hohenzollerischen Regierungsbezirk Tübingen 64 % der Gewählten keiner Partei (oder Freien Wählervereinigung) an, sind es in den weitgehend badisch geprägten Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg nur etwas mehr als die Hälfte (Karlsruhe: 55 %) oder wie im Falle Freiburg exakt die Hälfte (50 %) der gewählten Bürgermeister, die parteiungebunden sind (vgl. Tabelle 18). Karte 2 deutet diese Massierung parteiungebundener Bürgermeister vor allem im Regierungsbezirk Stuttgart an. Hier offenbaren sich auch heute noch tradierte Unterschiede zwischen Baden und Württemberg – in Baden die Tradition des »politischen« Bürgermeisters und in Württemberg des »unpolitischen« Fachbürgermeisters. 17

Ein Drittel der Gewählten im Regierungsbezirk Karlsruhe und 38 % im Regierungsbezirk Tübingen haben das Parteibuch der CDU. Im Regierungsbezirk Freiburg liegt der CDU-Bürgermeister-Anteil sogar bei 47 %, während er im Regierungsbezirk Stuttgart nur 20 % (vgl. Tabelle 19 und Karte 3) beträgt. SPD-Bürgermeister finden sich indessen in allen Regierungsbezirken in etwa gleich verteilt (6 – 8 %), nur im Regierungsbezirk Tübingen sind Bürgermeister mit SPD-Zugehörigkeit eine Rarität (2 %) (vgl. Tabelle 20 und Karte 4).

Auf den weiteren Kartenbildern von Karte 4 sind ferner Gemeinden dargestellt, in denen gewählte Bürgermeister einer Freien Wählervereinigung (37 Gemeinden), der FDP (13 Gemeinden) oder der GRÜNEN (7 Gemeinden) zum Zeitpunkt ihrer Wahl angehörten.

Stimmen für »Sonstige« auf der freien Zeile des Stimmzettels

In Baden-Württemberg kann man zum Bürgermeister gewählt werden, ohne kandidiert zu haben. Jeder Stimmzettel, auch wenn ein oder mehrere Bewerber kandidieren, enthält im Anschluss an das Bewerberfeld eine freie Zeile zur Eintragung einer wählbaren Person. Gleichwohl wurde auf diese Art (»wilde Wahl«) noch nie eine Wahl entschieden, außer in Kleinstgemeinden mit ehrenamtlichen Bürgermeistern, in denen sich kein Bewerber fand. So geschehen in den Schwarzwaldgemeinden des Landkreises Lörrach in den Gemeinden Tunau (2015 und 2017), Wieden (2015) und Schönenberg (2018).

Die freie Zeile wird zumeist kaum zur Stimmabgabe herangezogen. Frequentiert wird die freie Zeile aber vor allem dann, gewissermaßen als »Protestzeile«, wenn den Wählern keiner der zugelassenen Kandidaten zusagt, oft in der Konstellation, dass sich der Amtsinhaber zum wiederholten Male bewirbt und kein Gegenkandidat antritt. Steht allerdings bei einer solchen Wahlkonstellation ein Dauerkandidat auf dem Stimmzettel, zieht dieser in vielen Fällen die Stimmen der Unzufriedenen auf sich.

In den Ergebnisdarstellungen werden die Stimmen auf der freien Zeile zu »Sonstige« zusammengefasst. Die spektakulärsten Fälle in den letzten 8 Jahren ereigneten sich in Wangen (Kreis Göppingen) 2010 (34 %), Nürtingen 2011 (32 %), Dürbheim 2012 (47 %) und Albstadt 2015 (44 %). Alles in allem wurden bei rund 30 Wahlen zweistellige Ergebnisse für »Sonstige« in den letzten 8 Jahren gezählt.

Abwahl des amtierenden Bürgermeisters

Abwahlen von sich wiederbewerbenden Bürgermeistern stoßen natürlich dann, wenn sie passieren, auf ein hohes öffentliches und mediales Interesse. Man denke nur an das jüngste Beispiel der Abwahl von Dieter Salomon in der viertgrößten Stadt des Landes Freiburg am 6. Mai 2018.

In der Wahrnehmung entsteht dadurch der subjektive Eindruck, dass solche Abwahlen öfter und auch zunehmend öfter vorkommen als es tatsächlich der Fall ist. Abwahlen von sich wiederbewerbenden Bürgermeistern sind nämlich eine ausgesprochen seltene Erscheinung. Nur bei 57 Bürgermeisterwahlen, also bei 5,2 % der von 2010 bis 2017 abgehaltenen Bürgermeisterwahlen beziehungsweise bei 8,3 % aller Bürgermeisterwahlen, bei denen der Amtsinhaber erneut angetreten war, wurde der Amtsinhaber nicht mehr gewählt (vgl. Tabelle 21 und Karte 5).

Bei 32 dieser Wahlen passierte dies schon im ersten Wahlgang, weil ein Herausforderer auf Anhieb die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhielt und bei 25 Wahlen erfolgte die Abwahl im zweiten Wahlgang (Neuwahl). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister bei einer erneuten Kandidatur »durchfällt«, liegt demnach bei etwa 1:12. Im Übrigen ist auch ein Anstieg der Abwahlrate im Betrachtungszeitraum nicht festzustellen.

Das Risiko der Abwahl steigt mit der Gemeindegrößenklasse bis 50 000 Einwohner; eine Abwahl in Städten über 50 000 Einwohner ist von 2010 bis 2017 nur in Pforzheim vorgekommen (vgl. Tabelle 22).

Zusammenfassung

Die vorliegende Untersuchung zu den Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg basiert auf der systematischen wöchentlichen Berichterstattung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg über die stattgefundenen Wahlen im Land. 1 088 Wahlen gab es im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2017. Dabei schwankte die Zahl der Wahlen pro Jahr beträchtlich (zwischen 103 und 189 Wahlen). Zwei Mal innerhalb eines 8-jährigen Amtszeitzyklus kommt es zu einer Häufung von Bürgermeisterwahlen, was seine Ursachen zum einen im historischen Wahlrhythmus seit den ersten Bürgermeisterdirektwahlen nach Kriegsende im Jahr 1948 und zum anderen im Wahlrhythmus der vielen neu angesetzten Wahlen nach Abschluss der Gebietsreform 1975 hat.

Geprägt wird das Bild der Bürgermeisterwahlen von der Vielzahl an Wahlen in Gemeinden unter 10 000 Einwohnern, auf die insgesamt gut drei Viertel (76 %) aller Bürgermeisterwahlen entfallen.

Nur sehr selten werden Bürgermeisterwahlen nicht auf Anhieb mit der absoluten Mehrheit der gültigen Stimmen entschieden, was eine Neuwahl, zumeist 2 Wochen nach dem ersten Wahlgang, zur Folge hat. Von 1 088 Bürgermeisterwahlen im Zeitraum 2010 bis 2017 werden nur 123 (11 %) erst durch eine Neuwahl entschieden. Zu Neuwahlen kommt es in der Regel nur, wenn mindestens drei Kandidaten auftreten, was im Übrigen lediglich auf 42 % aller Bürgermeisterwahlen im Land zutrifft. Tritt der Amtsinhaber nicht mehr an, kommt es fast bei jeder dritten Wahl (31 %) erst bei der Neuwahl zu einer Entscheidung. Bei gut drei Viertel (76 %) aller Neuwahlen war der bisherige Amtsinhaber nicht mehr angetreten.

Die Besetzung der Bürgermeisterposten im Land zeichnet nach wie vor eine hohe personelle Kontinuität aus: Bei nahezu zwei Drittel (63 %) der Wahlen von 2010 bis 2017 kandidierte der Amtsinhaber erneut. Berücksichtigt man noch die Abwahlen, dann sind durchschnittlich 42 % der gewählten Bürgermeister erstmals in ihr Amt gewählt worden. Damit hat sich freilich die Zahl der Amtszeiten der Bürgermeister, sowohl im Betrachtungszeitraum als auch im längerfristigen Vergleich, wie der Blick auf ältere Studien zeigt, weiter verringert.

Im Schnitt bewarben sich bei den Bürgermeisterwahlen von 2010 bis 2017 2,6 Kandidaten pro Wahl. Waren zwischen 2010 und 2012 noch durchschnittlich 2,2 bis 2,5 Kandidaten pro Wahl angetreten, steigerte sich die Bewerberdichte ab 2013 auf 2,6 bis 3,2. Im Zeitraum 2013 bis 2016 kandidierte bei 40 % aller Bürgermeisterwahlen unter 20 000 Einwohner ein Bewerber der »Nein!-Idee«-Partei; am 1. April 2017 erledigte sich dieses Phänomen mit Auflösung der Partei. Dafür tritt nun landauf, landab Fridi Miller als Dauerkandidatin auf den Plan.

Wenn auch im Wesentlichen die umfangreichen Bewerbungsaktivitäten der Vertreter der »Nein!-Idee«-Partei die Bewerberzahlen »gepusht« haben (die durchschnittliche Bewerberzahl pro Wahl der Jahre 2010 bis 2017 läge ohne diese Kandidaturen bei 2,6 statt bei 2,4), ist eine weitere Ursache steigender Bewerberzahlen seit 2013 die Zunahme der Zahl der Bürgermeisterwahlen ohne wiederkandidierenden Amtsinhaber.

Tritt der Amtsinhaber nicht mehr an, ist das Bewerberinteresse mit durchschnittlich 3,9 Kandidaten etwa doppelt so hoch als bei den Folgekandidaturen der Amtsinhaber. Die Kandidatenzahl bei Bürgermeisterwahlen nimmt mit der Einwohnerzahl einer Gemeinde tendenziell zu.

Mit durchschnittlich 77,9 % der gültigen Stimmen werden Bürgermeister im Land in ihr Amt gewählt. Die Wahlergebnisse der gewählten Bürgermeister steigen mit der Amtszeit an; in die erste Amtszeit gehen Bürgermeister gewöhnlich mit etwa 66,0 % Stimmenanteilen. Auch die allermeisten Neuwahlen enden mit einer absoluten Stimmenmehrheit des gewählten Bürgermeisters.

Nur sehr selten wird ein wieder kandidierender Bürgermeister abgewählt; die Abwahlwahrscheinlichkeit liegt bei etwa 1:12.

Bürgermeisterinnen sind im Kommen; 7,3 % aller Bürgermeisterwahlen zwischen 2010 und 2017 wurden von Frauen gewonnen. Dabei hat sich in den letzten 4 Jahren die Zahl der Bürgermeisterwahlen mit weiblicher Beteiligung unzweifelhaft erhöht. Bei fast jeder dritten Wahl, bei der eine (oder hin und wieder auch mehr als eine) Frau kandidierte, wurde eine Bürgermeisterin gewählt. Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen (42 %) besitzen Bürgermeisterinnen deutlich seltener ein »Parteibuch« (24 %).

Die Mehrheit der baden-württembergischen Bürgermeister (59 %) gehörten zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei oder Wählervereinigung an. 41 % der gewählten Bürgermeister sind Mitglied einer Partei oder Wählervereinigung. Mit großem Abstand stellt die CDU (73 %) vor der SPD (14 %) die meisten parteigebundenen Bürgermeister. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister parteigebunden ist, steigt mit der Gemeindegröße. In Städten ab 20 000 Einwohner hat die Mehrheit der Oberbürgermeister ein Parteibuch. Alte historische Traditionen, eher parteigebundene Bürgermeister in Baden und parteilose Bürgermeister in Württemberg, lassen sich bis heute feststellen.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden bei Funktionsbezeichnungen die männliche Form benutzt; selbstverständlich gelten die jeweiligen Ausführungen auch für weibliche Personen und Bezeichnungen in gleicher Weise.

2 So sind zum Beispiel in Bayern und Hessen die Bürgermeisterwahlen mit den Gemeinderatswahlen zusammengelegt.

3 Frühestens 3 Monate und spätestens 1 Monat vor Ablauf der Amtszeit (§ 47 Abs. 1 GemO).

4 Seit der Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 17.12.2015 (m.W.v. 15.01.2016) tritt der hauptamtliche Bürgermeister mit Ablauf des Monats in den Ruhestand, in dem er das 73. Lebensjahr (bislang 68.) vollendet hat.

5 Stand: 30.06.2017; Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.

6 Soweit sich der 8-jährige Turnus nicht durch frühzeitiges Ausscheiden des Bürgermeisters veränderte; vgl. Klein, 2014, S. 151 und Schabert, Hans: Bürgermeister-Wahltermine kein Zufall. Schwarzwälder Bote vom 06.10.2015.

7 Zur Einhaltung der gesetzlichen Bekanntmachungsfrist ist es unter Umständen erforderlich, den regelmäßigen Erscheinungstermin des Amtsblatts auf Samstag zu verschieben.

8 Auch in der Städtetagsuntersuchung stellt Brugger (2008, S. 128) diese Tendenz fest.

9 Bürgermeister erhalten bereits nach Ablauf von mindestens 12 Dienstjahren ein Ruhegehalt; gleiches gilt auch für Bürgermeister, die mindestens 45 Jahre alt sind und insgesamt 18 Jahre als Beamte tätig waren (§ 37 Landesbeamtengesetz). Sie müssen sich mindestens einmal zur Wiederwahl stellen, um in den Ruhestand gehen zu können. Nach zwei vollständigen Amtsperioden können sie in den Ruhestand mit fast der Hälfte ihrer bisherigen Bezüge gehen (vgl. Klein, 2014, S. 135).

10 Wörner, Achim: Das Gen des Remstalrebellen, Stuttgarter Zeitung vom 02.08.2018; Helmut Palmer kandidierte obendrein bei Bundes- und Landtagswahlen.

11 Soltys, Michael: Dauerkandidaten und ihre Motive, Bietigheimer Zeitung online, 23.01.2014.

12 Vgl. Nein-Idee (www.nein-idee.de), 29.01.2016.

13 Vgl. Müller, Reinhard: Der getäuschte Wähler, FAZ vom 10.03 2016. In der Kommentierung des Kommunalwahlrechts Baden-Württemberg zu § 10 KomWG (Quecke/Gackenholz/Bock: Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg. Kommentar, 6. Auflage, Stuttgart 2014, RN 8c, S. 199) wird die Frage diskutiert, ob es sich hierbei überhaupt um »Bewerber« im Sinne des KomWG handelt oder der Bewerber »nicht wählbar« im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 2 KomWG ist, da diese Bewerbungen nicht auf die Aufnahme des Amts gerichtet sind, sondern andere, politische und Protestziele verfolgen. Für eine entsprechende Auslegung insbesondere über den Ausschluss der Wählbarkeit in § 46 Abs. 2 GemO wird aber bisher keine Stütze gesehen. Auch wird kein grundsätzlicher Unterschied zu »Postkarten«-Bewerber oder »Jux-Kandidaten«, deren Bewerbungen von vorneherein nicht ernsthaft sind, gesehen.

14 Vgl. Personal im öffentlichen Dienst nach Beschäftigungsbereichen in Baden-Württemberg am 30.06.2017 (Frauenanteil: 65 %); Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.

15 Statistische Berichte Baden-Württemberg, Unterricht und Bildung, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg mit Daten zum Wintersemester 2017/18.

16 Die erste Frau im Land, die zur (Ober-)Bürgermeisterin gewählt wurde, war Beate Weber in Heidelberg im Dezember 1990 (Remmert/Wehling, 2012, S. 70, 71); bis 2009 erhöhte sich die Bürgermeisterinnenquote auf 4 % der baden-württembergischen Bürgermeister (vgl. Klein, 2014, S. 137).

17 Wehling, Hans-Georg: Zur Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung im deutschen Südwesten, in: Pfizer/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. Stuttgart 1991, S. 43 sowie Koziol, Klaus: Nachkriegsbürgermeister in Baden-Württemberg: Typologie, Amtsmotivation, Leistung. Tübingen 1981. Mit der Kreisreform zum 1. Januar 1973, im Zuge der auch die vier Regierungsbezirke neu zugeschnitten und umbenannt wurden (Nordwürttemberg in Stuttgart, Südwürttemberg–Hohenzollern in Tübingen, Nordbaden in Karlsruhe und Südbaden in Freiburg), eignen sich die Regierungsbezirke allerdings nur noch mit Einschränkung zur Abgrenzung der historischen Landesteile Baden, Hohenzollern und Württemberg. Insbesondere im Bereich des heutigen Main-Tauber-Kreises, der Kreise Calw, Freudenstadt, Rottweil, Tuttlingen, Sigmaringen und des Bodenseekreises stimmen die historischen Zuordnungen nicht mehr (vgl. auch www.landeskunde-baden-wuerttemberg.de).