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Wie verbringen Menschen in Baden-Württemberg ihre Zeit?

Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung 2022

Wie verteilen die Menschen in Baden-Württemberg ihre Zeit zwischen Erwerbsarbeit, Haushalt, Familie und Freizeit? Wie viel Zeit verwenden Frauen und Männer für unbezahlte Arbeit, zum Beispiel für die Haushaltsführung, Kinderbetreuung oder ehrenamtliche Tätigkeiten? Wie hoch ist der Anteil der Menschen, die sich oft einsam fühlen? Diese und weitere Fragen beantwortet die Zeitverwendungserhebung (ZVE) (i-Punkt) und schafft damit eine wichtige Datengrundlage für eine Vielzahl gesellschaftlicher Fragen und politischer Entscheidungen. Die ZVE stellt außerdem eine wichtige Datengrundlage für Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und die breite Öffentlichkeit dar. Sie wurde von Januar bis Dezember 2022 zum vierten Mal von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder durchgeführt.

Knapp die Hälfte des Tages für Schlafen, Essen und Trinken sowie Körperpflege

Menschen in Baden-Württemberg verbrachten 2022 mit gut 11 Stunden fast die Hälfte des Tages mit persönlichen Grundbedürfnissen wie Schlafen, Essen und Trinken sowie Körperpflege (Schaubild 1). Auf Schlafen entfielen gut 8,5 Stunden (8:37 Stunden), für Essen und Trinken wurden über 1,5 Stunden (1:40 Stunden) benötigt. Für Erwerbstätigkeit, Bildung, Haushalt und Familie sowie ehrenamtliche Tätigkeit etc. wurden im Schnitt über 6,5 Stunden investiert und somit mehr als ein Viertel des Tages. Die übrige Zeit wurde hauptsächlich mit Freizeitaktivitäten verbracht. Den größten Zeitanteil daran hatte die Mediennutzung wie Fernsehen, Lesen, Radio oder Musik hören und Tätigkeiten an Computer und Smartphone (ohne Spielen und Kontakte in sozialen Medien) mit knapp 3 Stunden täglich. Bei diesen Angaben ist zu beachten, dass es sich um Durchschnittswerte über alle Personen ab 10 Jahren handelt, unabhängig davon, ob die Personen die jeweiligen Aktivitäten ausübten oder nicht. Personen, die beispielsweise einer Erwerbstätigkeit nachgingen, benötigten dafür durchschnittlich rund 7,5 Stunden je Tag (Tabelle). Werden die Zeiten für Erwerbstätigkeit auf alle Personen ab 10 Jahren bezogen, ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von gut 2,5 Stunden. Der Mittelwert wurde außerdem über Werktage und Wochenenden gebildet. In den Zeiten für die verschiedenen Aktivitäten sind grundsätzlich auch die Wegezeiten enthalten. Zur Erwerbstätigkeit und Bildung zählen unter anderem auch die entsprechenden Pausenzeiten.

Gender Care Gap lag 2022 bei 48,7 %

Frauen in Baden-Württemberg leisteten im Jahr 2022 durchschnittlich gut 29,5 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche (Schaubild 2). Sie erbrachten damit über 9,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer (knapp 20 Stunden). In Baden-Württemberg lag der Gender Care Gap damit bei 48,7 %, das heißt Frauen ab 18 Jahren leisteten 48,7 % mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Der Gender Care Gap drückt die unterschiedliche Zeitverwendung von Männern und Frauen für »Sorgearbeit« bzw. »Care-Arbeit« aus. Diese unbezahlte Arbeit umfasst neben Hausarbeit und Haushaltsorganisation, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen auch freiwilliges und ehrenamtliches Engagement sowie die Unterstützung haushaltsfremder Personen.

Das bisschen Haushalt …

Insbesondere in klassische Hausarbeiten wie Kochen, Putzen und Waschen investierten Frauen in Baden-Württemberg mit über 13,5 Stunden wöchentlich gut 7 Stunden mehr Zeit als Männer (Schaubild 3). Deutliche Unterschiede zeigten sich auch bei der Betreuung, Pflege und Unterstützung von Haushaltsmitgliedern. Für diese Tätigkeiten wendeten Frauen durchschnittlich 3,5 Stunden pro Woche auf, Männer knapp 2 Stunden. Für Ehrenamt, freiwilliges Engagement und die Unterstützung anderer Haushalte nahmen sich sowohl Frauen als auch Männer fast 2 Stunden Zeit pro Woche.

Neben unbezahlter Arbeit leisteten Frauen ab 18 Jahren in Baden-Württemberg durchschnittlich knapp 17 Stunden Erwerbsarbeit und kamen damit auf fast 46,5 Stunden Arbeit insgesamt pro Woche. Männer gingen durchschnittlich gut 23,5 Stunden bezahlter Erwerbsarbeit pro Woche nach. Ihre Gesamtarbeitszeit belief sich auf 43,5 Stunden. Damit lag ihr Wert knapp 3 Stunden unter dem Wert der Frauen (Schaubild 2).

Eltern leisteten rund 57 Stunden Arbeit pro Woche

Das Arbeitspensum von Personen im Erwerbsalter zwischen 18 und 64 Jahren unterscheidet sich deutlich, je nachdem ob Kinder im Haushalt leben oder nicht. Alleinlebende und Personen in Paarhaushalten ohne Kind leisteten annähernd 46 Stunden (45:44 Stunden) bezahlte und unbezahlte Arbeit insgesamt, während Alleinerziehende und Elternteile in Paarhaushalten mit Kind(ern) mit gut 57 Stunden (57:02 Stunden) wöchentlich über 11 Stunden mehr arbeiteten. Dieser Unterschied resultiert aus dem deutlich höheren Umfang an unbezahlter Arbeit wie zum Beispiel Kinderbetreuung oder zeitintensivere Haushaltsführung in größeren Haushalten mit Kindern.

Betrachtet man Haushalte von Alleinerziehenden und Paare mit Kind(ern), in denen das jüngste Kind unter 6 Jahre ist, zeigen sich noch deutlichere Unterschiede. Alleinerziehende und Elternteile in diesen Haushalten kamen durchschnittlich auf über 62 Stunden (62:13 Stunden) Arbeitszeit wöchentlich, wobei auf die unbezahlte Arbeit rund 38,5 Stunden (38:35 Stunden) fielen. Zum Vergleich: Bei den Alleinlebenden und Personen in Paarhaushalten ohne Kind fielen pro Woche durchschnittlich rund 20 Stunden (20:07 Stunden) unbezahlte Arbeit an.

Rund 38 % der Bevölkerung ab 10 Jahren ehrenamtlich engagiert

Im Rahmen der Zeitverwendungserhebung 2022 gaben die Teilnehmenden auch Auskunft über ihr ehrenamtliches bzw. freiwilliges Engagement in den letzten 12 Monaten vor der Befragung. In Baden-Württemberg engagierten sich demnach fast 3,8 Millionen (Mio.) Personen ab 10 Jahren und somit gut 38 % der baden-württembergischen Bevölkerung ehrenamtlich. Der Anteil in Baden-Württemberg war damit rund 2 % höher als im Bundesdurchschnitt mit 36 %.

Die Bereiche, in denen sich Menschen engagieren, sind vielfältig. Am häufigsten fand ehrenamtliches Engagement in der Kirche und religiösen Gemeinschaften (annähernd 23 %), im Sport (fast 19 %), im sozialen Bereich wie beispielsweise in einem Wohlfahrtsverband oder einer anderen Hilfsorganisation (fast 18 %) sowie in Kultur und Musik (gut 17 %) statt.

Während die grundsätzliche Bereitschaft für ein ehrenamtliches oder freiwilliges Engagement bei der männlichen und weiblichen Bevölkerung mit jeweils gut 38 % gleich hoch ausfällt, zeigten sich die Unterschiede in der Wahl des Ehrenamtes. Bei Jungen und Männern war Sport mit fast 24 % der am häufigsten genannte Bereich für ehrenamtliche und freiwillige Tätigkeit. Frauen und Mädchen ab 10 Jahren engagierten sich am häufigsten in der Kirche und religiösen Gemeinschaften (annähernd 27 %).

Gut 2 Stunden Fernsehen und Streaming täglich

Neben Erwerbstätigkeit, unbezahlter Arbeit und Bildung blieb den Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger Zeit für Freizeitaktivitäten. Im Jahr 2022 standen durchschnittlich gut 6 Stunden je Tag für Freizeit zur Verfügung (Schaubild 4). Knapp die Hälfte dieser Zeit (2:54 Stunden) wurde für Fernsehen, Lesen und andere kulturelle Tätigkeiten wie beispielsweise Besuche im Kino, Theater, Konzert, Zirkus und Vergnügungssparks oder künstlerische Tätigkeiten und Musizieren benötigt (Schaubild 4). Allerdings entfielen allein auf Fernsehen, Streaming und Video-on-Demand gut 2 Stunden (2:03 Stunden). Gelesen (auch elektronisch) wurde in Baden-Württemberg durchschnittlich knapp eine halbe Stunde täglich (0:27 Stunden).

Soziale Kontakte wie Gespräche, Telefonate, Gesellschaftsspiele, Nutzung sozialer Medien, Ausgehen, Freunde treffen und besuchen oder Familienfeiern waren für die Menschen in Baden-Württemberg mit einem Zeitfenster von über einer Stunde täglich (1:12 Stunden) ebenfalls wichtig. Für Sport und körperliche Bewegung nahm man sich durchschnittlich 42 Minuten Zeit. Das Spielen am PC, Heimkonsole, Tablet, Smartphone und die Programmierung, Installation und Reparatur von Computern und Smartphones sowie Internetrecherche inklusive Up- und Downloads von Filmen und Bildern benötigte im Schnitt 32 Minuten Zeit pro Tag und Person. Bei diesen Tätigkeiten an Computer und Smartphone (ohne elektronische Kommunikation) waren größere zeitliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern festzustellen. Während Männer und Jungen ab 10 Jahren 45 Minuten dafür investierten, waren es bei den Mädchen und Frauen lediglich 18 Minuten.

Jede sechste Person in Baden-Württemberg fühlt sich oft einsam

Bei der Zeitverwendungserhebung 2022 wurden Personen ab 10 Jahren neben Fragen zum eigenen Zeitempfinden um ihre subjektive Einschätzung zum Thema »Einsamkeit« befragt. Dabei konnten die Teilnehmenden der Aussage »Ich fühle mich oft einsam.« anhand einer Skala von »Stimme voll und ganz zu« bis »stimme ganz und gar nicht zu« antworten.1 Demnach fühlten sich in Baden-Württemberg gut 17 % der Personen (mit Angaben zur Fragestellung) oft einsam. Das waren annähernd 1,7 Mio. Menschen oder rund jede sechste Person. Bei den Frauen und Mädchen ab 10 Jahren war der Anteil mit circa 18 % etwas höher als bei der männlichen Bevölkerung (rund 16 %). Im Vergleich der Altersgruppen waren junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren mit fast 22 % am häufigsten von Einsamkeit betroffen, Personen in älteren Altersklassen tendenziell weniger häufig.2 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass zu Beginn der Zeitverwendungserhebung Anfang 2022 noch gewisse Corona-Beschränkungen bestanden und möglicherweise insbesondere bei jüngeren Menschen die Kontaktbeschränkungen auch aus den Vorjahren nachwirkten.3

1 Insgesamt standen fünf Ausprägungen bzw. Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. Teilnehmende, die eine der beiden Kategorien »Stimme voll und ganz zu« oder »Stimme eher zu« ausgewählt hatten, werden in dieser Auswertung zu den Personen gerechnet, die sich oft einsam fühlen.

2 In einigen Altersgruppen waren die Fallzahlen für Baden-Württemberg zu gering, so dass die Werte statistisch relativ unsicher (10 bis 17 Jahre, 65 Jahre und älter) bzw. nicht sicher genug sind (75 Jahre und älter).

3 Vgl. hierzu auch »Wo bleibt die Zeit? Ergebnisse zur Zeitverwendung in Deutschland 2022«, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Zeitverwendung/Ergebnisse/_inhalt.html#805170 (Abruf: 25.11.2024).