:: 2/2025

Unfälle von Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr in Baden-Württemberg

Ältere Menschen spielen allein durch die demografische Entwicklung als Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Straßenverkehr eine zunehmend größere Rolle. Der Anteil der Menschen im Alter ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 1952, dem Jahr der Gründung des Landes, lag der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe noch bei unter 10 %, 2003 bei rund 17 % und 2023 bereits bei gut 21 %. Die steigende Präsenz der älteren Generation im Straßenverkehr ist jedoch nicht nur demografisch bedingt, sondern auch Folge ihrer zunehmenden Mobilität: Immer mehr Menschen der Generation 65+ besitzen einen Führerschein, nutzen ihr Auto bis ins hohe Alter und sind mit dem Fahrrad oder Pedelec unterwegs. Auf Basis der Daten der amtlichen Unfallstatistik beschäftigt sich der vorliegende Beitrag zum einen mit der Frage, ob ältere Menschen ein höheres Risiko haben im Straßenverkehr zu verunglücken als jüngere. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, ob Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr ein besonderes Risiko darstellen, ob sie vor dem Hintergrund nachlassender mentaler und/oder körperlicher Kräfte bzw. möglicher altersbedingter Erkrankungen wie Demenz häufiger für Unfälle verantwortlich sind als jüngere Menschen.

Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Zahl älterer Menschen ist es wenig verwunderlich, dass in Baden-Württemberg auch die Gesamtzahl der verunglückten Seniorinnen und Senioren in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat. Ungeachtet dessen ist jedoch das Risiko der Älteren zu verunglücken insgesamt betrachtet nicht gestiegen. Allerdings zeigen die amtlichen Zahlen, dass die 65-Jährigen und Älteren bei Unfällen statistisch gesehen schwerwiegendere Folgen zu tragen hatten, das heißt, häufiger als Jüngere starben oder schwer verletzt wurden. Die von Medien teilweise reißerisch formulierte These, dass Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr ein besonderes Risiko darstellen, lässt sich mit den Daten der amtlichen Straßenverkehrsstatistik nicht belegen. Unter den Personen, die für Unfälle hauptverantwortlich sind, sind Seniorinnen und Senioren in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil klar unterrepräsentiert.1

Seniorinnen und Senioren haben ein unterdurchschnittliches Risiko zu verunglücken …

Im Jahr 2023 verunglückten insgesamt 5.866 ältere Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren auf den Straßen Baden-Württembergs. Davon wurde die große Mehrheit (rund 75 % (4.416 Personen)) leicht verletzt, nahezu 23 % (1.332 Personen) erlitten schwere Verletzungen und 2 % der verunglückten Seniorinnen und Senioren (118 Personen) wurden getötet (Tabelle).

Damit lag der Anteil der Seniorinnen und Senioren an allen im Straßenverkehr Verunglückten in Baden-Württemberg im Jahr 2023 bei knapp 14 %. Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil von gut 21 % ist das Risiko der älteren Menschen bei einem Verkehrsunfall zu verunglücken unterdurchschnittlich. Entsprechend haben die jüngeren, unter 65-jährigen in Baden-Württemberg (Anteil an Verunglückten rund 86 %, Bevölkerungsanteil knapp 79 %) ein überdurchschnittlich hohes Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken. Insbesondere für junge Menschen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren (Anteil an den Verunglückten gut 15 %, Bevölkerungsanteil knapp 8 %) besteht statistisch gesehen ein besonders hohes Unfallrisiko.

… erleiden jedoch im Falle eines Unfalls schwerwiegendere Folgen

Allerdings erlitten ältere Menschen schwerere Unfallfolgen als jüngere. So wurden rund 23 % der Unfallopfer im Seniorenalter schwer verletzt, der entsprechende Anteil in der Bevölkerung im Alter von unter 65 Jahren lag mit rund 13 % deutlich niedriger. Darüber hinaus haben ältere Menschen eine geringere Chance, einen Verkehrsunfall zu überleben. So lag der Anteil der Getöteten unter den verunglückten Seniorinnen und Senioren bei 2 %, bei den unter 65-Jährigen hingegen bei 0,7 %. Hierin spiegelt sich zum einen die mit zunehmendem Alter grundsätzlich nachlassende physische Konstitution wider. Außerdem könnte das höhere Risiko von Seniorinnen und Senioren eine schwere Verletzung zu erleiden oder zu sterben durch die Art der Verkehrsteilnahme bedingt sein: Wie im nächsten Abschnitt beschrieben wird, verunglückten prozentual gesehen mehr ältere Menschen als – ungeschützte – Fußgängerinnen und Fußgänger bzw. mit dem Fahrrad und sind damit einem potenziell größeren Risiko ausgesetzt, schwerwiegende Verletzungen zu erleiden.

Risiko älterer Menschen zu verunglücken in den letzten Jahrzehnten nicht gestiegen

Die Gesamtzahl der im Straßenverkehr in Baden-Württemberg verunglückten Seniorinnen und Senioren hat in den letzten 20 Jahren zugenommen: Für das Jahr 2003 verzeichnete die amtliche Statistik 4.625 verunglückte Personen dieser Altersgruppe, 2023 waren es 5.866. Ungeachtet dieser erheblichen Zunahme um nahezu 27 % ist für ältere Menschen das Risiko im Straßenverkehr zu verunglücken insgesamt betrachtet nicht gestiegen: Im Jahr 2003 verunglückten 254 Seniorinnen und Senioren je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von mindestens 65 Jahren, 2023 waren es 245. In den dazwischen liegenden Jahren erwies sich das Risiko zu verunglücken als volatil: In einigen Jahren war das Unfallrisiko deutlich niedriger, zum Beispiel 2010 mit 217 Verunglückten dieser Altersgruppe, in anderen Jahren lag es deutlich höher, wie 2018 mit 270. Ein Anstieg ist jedoch nicht erkennbar (Schaubild 1).

Verunglückte Seniorinnen und Senioren nach Art der Verkehrsbeteiligung

Knapp 40 % der verunglückten älteren Menschen in Baden-Württemberg kam bei einem Pkw-Unfall zu Schaden und gut 36 % mit dem Fahrrad bzw. Pedelec. Als Fußgängerinnen und Fußgänger verunglückten rund 12 % der Seniorinnen und Senioren und mit einem Kraftrad mit amtlichem Kennzeichen gut 5 %.

Der Vergleich mit der Altersgruppe der unter 65-Jährigen zeigt einerseits Parallelen, aber auch ein durch die altersspezifische Unterschiede in den jeweiligen Lebenssituationen geprägtes Bild: So verunglückten auch die unter 65-Jährigen am häufigsten als Pkw-Insassinnen und -Insassen, allerdings ist diese Unfallform bei dieser Altersgruppe mit einem Anteil von rund 49 % weitaus häufiger als bei den Seniorinnen und Senioren. An zweiter Stelle stehen auch hier Unfälle mit dem Fahrrad bzw. dem Pedelec (gut 24 %), gefolgt von Unfällen mit Krafträdern mit amtlichen Kennzeichen (10 %) und als Fußgängerinnen und Fußgänger (gut 6 %).

Verunglückte nach Geschlecht

Unter den in Baden-Württemberg im Jahr 2023 verunglückten Personen im Alter von unter 65 Jahren waren deutlich mehr Männer (rund 59 % aller Verunglückten) als Frauen (gut 41 %), wobei Männer bei den unter 65-Jährigen mit einem Anteil von gut 51 % leicht in der Überzahl waren. Betrachtet man die Gruppe der 65-Jährigen und Älteren, so fällt auf, dass unter den verunglückten Seniorinnen und Senioren Männer noch erheblich stärker überrepräsentiert waren: Obwohl der Bevölkerungsanteil der Männer im Seniorenalter nur noch bei 44,5 % liegt, sind von den Verunglückten dieser Altersgruppe rund 58 % Männer. Hingegen stellten Frauen dieser Altersgruppe in der Bevölkerung mit 55,5 % zwar deutlich die Mehrheit, sind jedoch unter den Verunglückten mit rund 43 % deutlich schwächer vertreten. Als Gründe für das höhere Unfallrisiko von Männern werden häufig deren höhere Risikobereitschaft bzw. ein weniger defensiver bzw. weniger vorsichtiger Fahrstil genannt. Das im Seniorenalter noch höhere Risiko für Männer zu verunglücken dürfte darüber hinaus auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Häufigkeit der Teilnahme am Verkehr zurückzuführen sein.

Seniorinnen und Senioren als Unfallverursacherinnen und -verursacher

Ein vor dem Hintergrund der demografischen Alterung der Gesellschaft oftmals sehr emotional diskutiertes Thema ist die Frage, ob ältere Menschen im Straßenverkehr ein besonderes Risiko darstellen. So schrieb »Der Spiegel« im Juli 2023 unter der Schlagzeile »Verwirrt auf der Autobahn« unter anderem: »Ältere Menschen sind aufgrund einer Demenz oder anderer gesundheitlicher Probleme oft nicht mehr fahrtauglich. Das führt immer wieder zu schlimmen Unfällen … Schon heute leben rund 1,8 Mio. Menschen mit einer Demenzerkrankung in Deutschland, viele von ihnen haben eine Fahrerlaubnis… Älteren fehlt oft die Einsicht, dass sie fahruntüchtig sind.«2 Eine Regelung, wonach (ältere) Führerscheininhaberinnen und -inhaber regelmäßig nachweisen müssen, dass sie noch fahrtauglich sind, besteht in Deutschland nicht.

Was sagen die Daten der amtlichen Statistik dazu: Stellen ältere Menschen im Straßenverkehr tatsächlich eine besondere Gefahr dar? Verursachen Seniorinnen und Senioren häufiger Unfälle als jüngere Menschen? Die Entwicklung seit 2010 (siehe Schaubild 2) zeigt, dass die Zahl der Seniorinnen und Senioren, die als Hauptverursachende von Unfällen mit Personenschaden in die Statistik eingegangen sind, erheblich – um über 37 % – gestiegen ist. Im Gegenzug ist die Zahl der unter 65-Jährigen, die für einen Unfall mit Personenschäden hauptverantwortlich ist, seit 2010 um über 6 % gesunken, eine Entwicklung, die hauptsächlich auf die Gruppe der 18- bis unter 25-Jährigen zurückzuführen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass ältere Menschen, die an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt waren, in ca. 6 von 10 Fällen die Hauptverursachenden waren. Im Vergleich hierzu waren bei den unter 65-Jährigen nur ca. 52 % der Beteiligten Hauptverursachende, von den 18-bis unter 65-Jährigen wiederum gut 62 %.

Dennoch belegen die Zahlen der amtlichen Unfallstatistik die These, wonach Seniorinnen und Senioren überproportional häufig für Unfälle mit Personenschaden verantwortlich sind, aktuell nicht, ganz im Gegenteil: Betrachtet man die Altersstruktur der Hauptunfallverursachenden so zeigt sich, dass ältere Menschen unter den Personen, die für Unfälle mit Personenschaden hauptverantwortlich sind, nach wie vor unterrepräsentiert sind: So waren 2023 gut 21 % der Baden-Württemberger 65 Jahre oder älter. Der Seniorinnen- und Seniorenanteil unter den Hauptunfallverursachenden liegt hingegen nur bei knapp 17 % (Tabelle). Entsprechend waren im Jahr 2023 für rund 83 % der Unfälle im Land Personen hauptverantwortlich, die unter 65 Jahre alt waren, ihr Bevölkerungsanteil lag jedoch nur bei knapp 79 %. Zu den Altersgruppen, die in Bezug auf die Verursachung von Unfällen besonders auffallen, gehören vor allem die jungen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer: So waren 2023 zwar nur knapp 8 % aller Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger im Alter von 18 bis unter 25 Jahren. Hingegen war diese Altersgruppe für gut 16 % aller Unfälle hauptverantwortlich. So sollten die Gefahren, die aus altersbedingten Erkrankungen wie Demenz für die Sicherheit im Straßenverkehr erwachsen können, keineswegs ignoriert werden. Der Blick in die amtliche Statistik zeigt jedoch, dass ein Verkehrsverhalten, welches Unfälle verursacht, aktuell häufiger in der jüngeren Bevölkerung zu finden ist.

Ausblick

Die demografische Alterung wird aufgrund des aktuell stattfindenden Übergangs der bevölkerungsstarken Babyboomer-Generation in das Seniorenalter und die stetig wachsende Lebenserwartung der Menschen in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter voranschreiten. Ob die Seniorinnen und Senioren auch in Zukunft noch ein unterdurchschnittliches Risiko haben werden im Straßenverkehr zu verunglücken, bzw. Unfälle zu verursachen, lässt sich nicht vorhersagen. Da die Mobilität künftiger Seniorengenerationen eher noch zunehmen dürfte und eine steigende Lebenserwartung bislang meistens leider nicht mit konstanter Gesundheit bis ins hohe Alter einhergeht, könnte dies auch eine Zunahme des Risikos zu verunglücken bzw. Unfälle zu verursachen nach sich ziehen. Die Antworten auf diese Fragen werden in den Unfallstatistiken der kommenden Jahre zu finden sein.

1 In der vorliegenden Analyse werden die altersspezifischen Unfalldaten den altersspezifischen Bevölkerungsanteilen genübergestellt, da Daten zur altersspezifischen Fahrleistung, mit denen genauere Aussagen zum altersspezifischen Unfallrisiko getroffen werden könnten, für Baden-Württemberg nicht zur Verfügung stehen. Bei den Seniorinnen und Senioren, insbesondere bei den hochbetagten Menschen ist – ungeachtet einer zunehmenden Mobilität in dieser Altersgruppe – davon auszugehen, dass die Mobilität unter anderem aus gesundheitlichen Gründen insgesamt geringer ist als bei jüngeren.

2 DER SPIEGEL, Nr. 31 vom 29.07.2023.