Landwirtschaft allein reicht häufig nicht aus
Nebenerwerb traditionell weit verbreitet – zusätzliche Betriebszweige gewinnen an Bedeutung
Das Einkommen aus der landwirtschaftlichen Primärproduktion allein reicht vielen Betrieben nicht aus. Aus diesem Grund werden Betriebe nur im Nebenerwerb geführt oder es werden zusätzliche Betriebszweige aufgebaut. Da die Landwirtschaft stark von externen Faktoren beeinflusst wird, hat die Diversifizierung auch den Zweck des Risikoausgleichs. Sie stellt also eine gewisse Absicherung vor Einnahmeausfällen durch beispielsweise Extremwetterereignisse, Tierseuchen oder die Volatilität der Agrarmärkte dar. Einkommenskombinationen, wie diese Betriebszweige in der amtlichen Statistik genannt werden, weisen ein breites Spektrum an Tätigkeiten auf. In Baden-Württemberg dominiert die Erzeugung erneuerbarer Energien sowie die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Mehr als die Hälfte der Betriebe im Nebenerwerb
Von den 37.500 landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg wurden 32.130 und damit der überwiegende Teil (86 %) als Einzelunternehmen im Jahr 2023 geführt. 21.760 dieser Einzelunternehmen und damit 58 % aller Betriebe wirtschafteten im Nebenerwerb. Für diese Betriebe stellt das Einkommen aus der landwirtschaftlichen Primärproduktion nicht die überwiegende Einkommensquelle dar. Während die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in den letzten 20 Jahren um 30 % zurückging, wurde bei den Nebenerwerbsbetrieben nur ein Rückgang um 23 % festgestellt (Tabelle). Innerhalb dieses Zeitraums stieg ihr Anteil damit um 5 Prozentpunkte an. Unter den Flächenländern hatte nur Hessen mit 59 % einen leicht höheren Anteil vorzuweisen. Der Niedrigste wurde mit 31 % in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt, während bundesweit die Quote bei 47 % lag.
Grund für die hohe Nebenerwerbsquote in Baden-Württemberg ist vor allem die sehr kleinstrukturierte Landwirtschaft. Sie zeigt sich in einer geringen durchschnittlichen Betriebsgröße von 37,5 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche (ha LF) und einem hohen Anteil an Betrieben mit weniger als 20 ha LF (54 %). Bedingt wird diese Struktur auch durch die Vielzahl an kleinen Dauerkulturbetrieben im Land. Von den 6.970 spezialisierten Dauerkulturbetrieben1 bewirtschafteten 65 % weniger als 5 ha LF. Bei den Betrieben mit Fokus auf den Weinbau lag dieser Wert sogar bei 73 %. Demnach lag der Nebenerwerbsanteil bei den Dauerkulturbetrieben mit 66 % deutlich über dem allgemeinen Durchschnitt.
Nebenerwerb: Anteil an Anbauflächen und Viehbestand deutlich geringer
Nebenerwerbsbetriebe waren mit 18,6 ha im Mittel nur halb so groß im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt, aus diesem Grund ist auch der Anteil an der bewirtschafteten Fläche weniger hoch. Von den insgesamt 1,41 Millionen ha LF in Baden-Württemberg wurden 29 % nebenerwerblich bewirtschaftet (Schaubild 1). In Betrachtung der Hauptnutzungsarten wies das Dauergrünland einen überdurchschnittlichen Anteil (33 %), das Ackerland und die Dauerkulturfläche unterdurchschnittliche Anteile (jeweils 26 %) auf. Gemüsebetriebe stellen im Ackerbau jedoch eine Besonderheit dar. Zwar wurde ein Drittel der Einheiten im Nebenerwerb geführt, diese nahmen jedoch nur 6 % an der Gemüsefläche ein. Die intensive Kulturführung, der Anbau von mehreren Sätzen und dadurch mehreren Erntezeitpunkten und der hohe Vermarktungsaufwand sind Gründe, warum der Gemüsebau nur in gewissem Umfang im Nebenerwerb stattfinden kann. Zudem kann durch die hohe Intensität des Anbaus schon auf kleiner Fläche eine ausreichende Wertschöpfung stattfinden.
Auch unter den viehhaltenden Betrieben waren mehr als die Hälfte (52 %) nebenerwerblich tätig, im Gegensatz dazu entfielen nur 17 % aller Großvieheinheiten im Land auf diese Betriebe. Zwischen den einzelnen Tierkategorien gibt es jedoch deutliche Unterschiede in Bezug auf den Nebenerwerbsanteil am jeweiligen Bestand. Während die intensiven Tierhaltungen, wie Milchvieh (5 %), Schweine (8 %) oder Legehennen (13 %) niedrige Werte aufwiesen, waren sie bei den extensiv geprägten Tierhaltungen, wie Mutterkühe (52 %), Schafe (35 %) oder Ziegen (53 %) deutlich höher. Der unterschiedliche Nebenerwerbsanteil in der Haltung von Milch- und Mutterkühen hat in Baden-Württemberg auch einen strukturellen Hintergrund. Während die Milchviehbetriebe auf einen mittleren Rinderbestand von 100 Großvieheinheiten (GV) je Betrieb kamen, waren es bei den Betrieben mit Mutterkuhhaltung lediglich 25 GV je Betrieb.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Nebenerwerbsbetriebe kann anhand des Standardoutputs (SO)1 beschrieben werden. Der SO der Gesamtlandwirtschaft in Baden-Württemberg konnte 2023 auf rund 4,01 Milliarden (Mrd.) Euro beziffert werden, ein Durchschnittsbetrieb kam damit auf 107.000 Euro. Mit 2,65 Mrd. Euro entfielen zwei Drittel auf die dominierenden Einzelunternehmen, während der SO der Nebenerwerbsbetriebe nur bei 0,68 Mrd. Euro lag. Sie wiesen lediglich einen Anteil von 17 % am SO insgesamt auf. Aufgrund ihrer geringeren Flächen- und Viehausstattung befand sich auch der einzelbetriebliche SO mit 31.000 Euro weit unter dem Durchschnitt. Im Vergleich dazu war der Wert bei den Haupterwerbsbetrieben mit 190.000 Euro sechsmal höher.
Zusätzliche Betriebszweige gewinnen an Bedeutung
Neben Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit, wie zum Beispiel durch die Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, wird in zunehmendem Maße das Einkommen durch innerbetriebliche oder rechtlich ausgelagerte Betriebszweige diversifiziert. Hierfür bauen sich landwirtschaftliche Betriebe zusätzliche Standbeine neben der landwirtschaftlichen Primärproduktion auf, die jedoch auf die betrieblichen Ressourcen zurückgreifen. Dadurch soll eine bessere Ausschöpfung der Kapazitäten erreicht werden. Auch durch den Einstieg einer weiteren Familienarbeitskraft kann für den Betrieb die Möglichkeit geschaffen werden, neue wirtschaftliche Tätigkeiten zu etablieren. Diese zusätzlichen Betriebszweige können landwirtschaftsnah, zum Beispiel das Arbeiten als Lohnunternehmen für andere Höfe, oder landwirtschaftsfern, wie das Anbieten einer Ferienwohnung, sein.
Insgesamt 19.520 Betriebe im Land (52 %) wiesen im Jahr 2023 eine Einkommenskombination auf. Das sind 3 Prozentpunkte mehr als 2020 und 12 Prozentpunkte mehr als 2010, als dieser Sachverhalt erstmalig erfasst wurde (Schaubild 2).2 Durch die große Abhängigkeit der Landwirtschaft von externen Faktoren, wie Extremwetterereignissen, Tierseuchen oder die Volatilität der Agrarmärkte, findet eine Anpassung statt, um Risiken von Einkommensausfällen zu minimieren. Bei mehr als 20 % der 16.190 Betrieben mit innerbetrieblichen Einkommenskombinationen nahmen diese sogar einen Anteil von über 50 % am Gesamtumsatz ein. Weitere 30 % gaben an, dass der Anteil im Bereich von 10 % bis unter 50 % lag.
Die Möglichkeit zur Auslagerung der Einkommenskombination in einen rechtlich eigenständigen Betrieb wurde von 6.060 Einzelunternehmen genutzt. Dies geschieht häufig dann, wenn es sich um gewerbliche Einkünfte handelt und diese mehr als 50 % am Gesamtumsatz ausmachen. Ohne Auslagerung müsste der landwirtschaftliche Betrieb ein Gewerbe anmelden und würde somit seine steuerlichen Vorteile verlieren. Zu gewerblichen Einkünften zählen zum Beispiel der Handel mit fremden Erzeugnissen im Hofladen oder Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage.
Schwerpunkt Erzeugung erneuerbarer Energien
Wie das Schaubild 3 zeigt, können sehr unterschiedliche Einkommenskombinationen bei den landwirtschaftlichen Betrieben vorliegen. Während die Fischzucht oder die Herstellung von handwerklichen Erzeugnissen keine Relevanz aufwiesen, wurde die größte Bedeutung bei der Erzeugung erneuerbarer Energien verzeichnet. Mit 9.090 Betrieben traf dies auf nahezu jeden vierten Betrieb im Land zu. In den meisten Fällen (97 %) handelte es sich um die Stromerzeugung mit einer Photovoltaikanlage. Solarthermieanlagen zur Wärmeproduktion wurden nur von 460 Betrieben als Einkommensquelle genutzt und Biogasanlagen waren auf 690 Höfen vorhanden.
In der Landwirtschaft bieten sich viele Möglichkeiten zur Installation einer Photovoltaikanlage. Infrage kommen dabei große Dachflächen auf Ställen oder anderen Betriebsgebäuden, Grünlandfreiflächen oder sie werden als Agri-Photovoltaik konzipiert. Bei der Agri-PV findet im Gegensatz zur Freiflächenanlage eine Doppelnutzung, parallel zum Pflanzenbau oder auch der Viehhaltung, statt. Vor allem im Anbau von Sonderkulturen könnten die aufgeständerten PV-Module, ähnlich wie bei bisher genutzten Hagelnetzen, auch einen Schutzzweck erfüllen. Da in Baden-Württemberg mehr als ein Drittel der Baumobstfläche von Deutschland bewirtschaftet wird,3 ergibt sich auch für die Zukunft ein Potenzial.
Breitgefächertes Spektrum an weiteren Einkommenskombinationen
Auf Platz 2 der Einkommenskombinationen lag die Direktvermarktung (6.750 Betriebe), unter welcher der Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen direkt an die Kunden zu verstehen ist. Hofläden, Marktstände, Automaten oder Online-Shops sind hier beispielhaft zu nennen. Auch die Vermarktung von weiterverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie Milchprodukte, Fleisch oder Säfte, direkt an den Endkunden hat diesbezüglich eine Bedeutung. Nahezu drei Viertel der 1.840 Betriebe mit Verarbeitung nutzten gleichzeitig auch die Möglichkeit zur Direktvermarktung.
Des Weiteren sind land- und forstwirtschaftliche Lohnarbeiten als zusätzlicher Betriebszweig weit verbreitet. Dabei geht es vorzugsweise um Arbeiten für andere landwirtschaftliche Betriebe, wie zum Beispiel die Ernte von Feldfrüchten. Die Dienstleistung bezieht neben der Arbeitskraft auch häufig die Nutzung der betriebseigenen Maschinen mit ein. In Baden-Württemberg boten 3.760 Betriebe landwirtschaftliche und 2.220 Betriebe forstwirtschaftliche Dienstleistungen im Jahr 2023 an. Zusätzlich führten 1.650 Betriebe Auftragsarbeiten außerhalb der Landwirtschaft, wie zum Beispiel Winterdienst oder Landschaftspflege, durch.
Weitere relevante Einkommenskombinationen waren im Jahr 2023 die Pensions- bzw. Reitsportpferdehaltung, die Be- und Verarbeitung von Holz, worunter auch der Verkauf von Brennholz gezählt wird, und touristische Angebote wie Fremdenverkehr, Beherbergung und Freizeitaktivitäten. Das zuletzt genannte ist eher unter den Bezeichnungen »Urlaub auf dem Bauernhof« bekannt. Dabei werden häufig Hofgebäude in Fremdenzimmer oder sogar Ferienwohnungen/-häuser umgewidmet.
Schaffung von Arbeitsplätzen durch Diversifizierung?
Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeuten die Betriebszweige zusätzliche Einnahmequellen, aber für die nähere Umgebung können dabei auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Jahr 2023 war mit 22.900 Personen jede vierte Arbeitskraft4 in die Tätigkeiten rund um innerbetriebliche Einkommenskombinationen involviert. Da dies vor allem teilbeschäftigte Personen betraf, lag der Anteil am gesamten Arbeitsvolumen der Betriebe bei nur 9 % (4.200 Arbeitskrafteinheiten6). Im Jahr 2010 waren es noch 23.500 Personen bei 3.600 Arbeitskrafteinheiten. Während also die einbezogene Anzahl an Personen leicht zurückgegangen ist, ist das Arbeitsvolumen um über 16 % angestiegen.
Fazit
Nebenerwerbsbetriebe zeichnen sich durch eine kleine Flächen- und Viehausstattung aus, wodurch auch die wirtschaftliche Bedeutung im Vergleich zu den Einzelunternehmen im Haupterwerb deutlich geringer ist. In ihrer Vielzahl prägen sie jedoch stark die Agrarstruktur in Baden-Württemberg und tragen beispielsweise mit ihrem hohen Anteil an Dauergrünland zur Pflege und Offenhaltung der Landschaft bei.
Die landwirtschaftlichen Betriebe besinnen sich schon seit langem nicht nur auf die Primärproduktion, sondern etablieren in zunehmendem Maße neue Betriebszweige. Vor allem durch geeignete Flächen für Photovoltaikanlagen, aber auch in der Nutzung von Wirtschaftsdünger in Biogasanlagen, bietet sich die Erzeugung erneuerbarer Energien in der Landwirtschaft an.