:: 7/2004

Statistisches Monatsheft Juli 2004

Lebenserwartung in den Kreisen: bis zu drei Jahre Unterschied

Was sind die Gründe für die zum Teil erstaunlich hohen Sterblichkeitsunterschiede in Baden-Württemberg auf Kreisebene? Mit dieser Frage beschäftigt sich die diesem Text zugrunde liegende Studie. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Differenzen allein auf Zufallsschwankungen oder Fehlern im Meldewesen beruhen. Eine Ursachenanalyse zeigt, dass Haupterklärungsgrund für die Sterblichkeitsunterschiede der sozioökonomische Status ist: In Kreisen mit hohem Einkommen leben die Menschen im Durchschnitt länger als in Kreisen mit geringem Einkommen. Der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Mortalität scheint durch höhere Bildung verstärkt oder sogar verursacht zu werden. Luftbelastung und Gesundheitsversorgung konnten nicht als diskriminierende Faktoren der Sterblichkeit in Baden-Württemberg festgestellt werden.

Diese Studie entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demografischer Wandel (MEA) und dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Eine ausführliche Version ist erschienen in der Reihe Statistische Analysen, Regionale Mortalitätsunterschiede, herausgegeben vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg.

Kinderreichtum und Bildung

Kinderreiche Mütter und Väter besitzen besonders häufig keinen schulischen und beruflichen Abschluss. Allerdings trifft ebenso zu: Kinderreiche Eltern verfügen ähnlich oft wie Eltern mit einem oder zwei Kindern über eine Hoch-schulreife beziehungsweise über einen Hoch-schulabschluss, ferner besitzen Mütter wie Väter mit drei Kindern sogar überdurchschnittlich oft höchste Schul- und Berufsabschlüsse. Auch in kinderreichen Familien ist die Ausbildung der Eltern entscheidend für die Schulbeteiligung der Kinder.

Mit vereinten Kräften – Erzieherische Einzelbetreuung gewinnt in der Jugendhilfe weiter an Bedeutung

Seit Beginn der 90er-Jahre hat die erzieherische Einzelbetreuung stetig an Bedeutung gewonnen. In Baden-Württemberg nimmt die soziale Gruppenarbeit im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet einen besonders starken Stellenwert ein. Dabei kommt diese Hilfeform häufiger bei jüngeren Kindern zum Einsatz als in anderen Bundesländern. Seit 1998 steigt auch die Zahl der jungen Menschen, die Hilfe durch einen Erziehungsbeistand erhalten. Eher selten ist in Baden-Württemberg die Unterstützung durch Betreuungshelfer. Jungen nehmen diese Erziehungsmaßnahmen stärker in Anspruch als Mädchen, während die jungen Frauen oder Mädchen vergleichsweise lange betreut werden.

Krankenstand im Jahr 2003 auf Tiefststand

Günstige Witterungsbedingungen ebenso wie Angst um den Arbeitsplatz könnten Ursachen für relativ geringe Krankenstände in den vergangenen 2 Jahren sein. Bereits seit Anfang der 90er-Jahre ist der Krankenstand in Baden-Württemberg im Jahresdurchschnitt rückläufig. Parallel hierzu sind auch die vom Arzt attestierten Krankheitstage je Kassenmitglied deutlich zurückgegangen.

Agrarsektor unter 0,8 % – im EU-Vergleich nach Luxemburg der niedrigste Anteil an der Gesamtwirtschaft

Die Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft als Wirtschaftsfaktor nimmt im Südwesten mehr und mehr ab. Der Anteil des Agrarsektors an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung, die ein Maßstab für die wirtschaftliche Leistung aller Wirtschaftsbereiche ist, ging in Baden-Württemberg in den letzten Jahren stetig zurück und lag 2003 mit knapp 0,8 % leicht unter dem Bundesdurchschnitt von gut 1 %. Im Vergleich mit den 25 EU-Mitgliedstaaten läge Baden-Württemberg damit vor Luxemburg an der »Spitze« der EU-Länder mit dem geringsten Beitrag der Landwirtschaft zur gesamten Wirtschaftsleistung insgesamt.

Das Handwerk 2003 im Konjunkturtal

Das selbstständige Handwerk Baden-Württembergs hat das Geschäftsjahr 2003 mit einem spürbaren Umsatzminus beendet. Die Umsätze im Jahr 2003 von insgesamt 61,5 Milliarden Euro unterschritten landesweit um 3,3 % die Umsätze des Jahres 2002 mit insgesamt 63,7 Mrd. Euro. Parallel dazu baute das Handwerk weiter Personal ab. Die Zahl der Beschäftigten im selbstständigen Handwerk verringerte sich von 700400 im Jahr 2002 um 4,5 % oder 31200 Beschäftigte auf 669200 im Jahr 2003.

Ergebnisse der Handwerksberichterstattung ab dem 1. Vierteljahr 2004 werden aufgrund einer Änderung der Handwerksordnung mit denen früherer Jahre nur noch eingeschränkt vergleichbar sein.

Stellung der Südwestindustrie im Ländervergleich

Ein Zehntel der Fläche, 13 % der Bevölkerung, etwa ein Siebtel der gesamtwirtschaftlichen Leistung – so lauten die üblichen Maßstäbe, um Baden-Württemberg der Größe nach im Bund-Länder-Vergleich einzuordnen. Beim Verarbeitenden Gewerbe (vgl. i-Punkt 1) fallen die Landesanteile mit rund einem Fünftel deutlich höher aus. Aufgrund seiner Größe und wirtschaftlichen Bedeutung erreicht der Südweststaat bei den verschiedenen Kenngrößen jeweils Platzierungen unter den ersten drei Bundesländern. Bemerkenswert ist auch, dass das Verarbeitende Gewerbe im Südwesten mit einem Anteil von 31 % an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche mit Abstand den relativ höchsten Beitrag unter allen Ländern vor Rheinland-Pfalz (25 %) erreicht. Die anhand industriestatistischer Kennziffern verdeutlichten unterschiedlichen Positionen des Verarbeitenden Gewerbes in den Ländern weisen Baden-Württemberg einen Spitzenplatz zu.

Gewinnt Südwestindustrie weiter an Boden?

Baden-Württemberg, gerühmt für seine landschaftlichen Reize, Gourmet-Tempel, das beste Opernhaus der Republik und die meisten Hoch-schulen, ist nach Nordrhein-Westfalen (NRW) das am stärksten industrialisierte Bundesland. Das Land ist stolz auf die Vielfalt und Stärke seines Verarbeitenden Gewerbes. Es scheint sogar, dass die baden-württembergische Indus-trie ihre Stellung innerhalb Deutschlands in den letzten Jahren weiter verbessern konnte. Die Verbesserung basiert allerdings fast aus-schließlich auf der Entwicklung des Fahrzeug-baus.

Informations- und Kommunikationstechnologie in Unternehmen

Auf den zunehmend globalisierten Märkten stellt die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie ein wesentliches Element für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft dar. Zur Positionsbestimmung auf diesem Feld werden auf Initiative der Europäischen Union seit 2002 in den Mitgliedstaaten abgestimmte Unternehmenserhebungen auf freiwilliger Basis durchgeführt. Baden-Württemberg beteiligte sich 2003 erstmals an dieser Erhebung. Dank der erfreulichen Auskunftsbereitschaft der angeschriebenen Firmen können nachfolgend einige Eckzahlen präsentiert werden, die insgesamt eine starke Aufgeschlossenheit der Wirtschaft gegenüber neuen Techniken belegen, auch wenn insbesondere bei kleineren Unternehmen noch ein gewisser Nachholbedarf zu erkennen ist.

Luftschadstoff-Emissionen maßgeblich vom Straßenverkehr verursacht

Bei den Stickoxiden (NOX) beträgt der Anteil des Straßenverkehrs an den gesamten Emissionen im Land rund 55 %, bei den Kohlenmonoxid (CO)-Emissionen sind es sogar über 60 %. Die straßenverkehrsbedingten Staub-Emissionen machen mit rund 39 % ebenfalls einen beträchtlichen Teil der Gesamtfracht aus und auch bei den leicht flüchtigen Kohlenwasserstoffen (NMVOC) liegt der Anteil des Straßenverkehrs immerhin noch bei rund 25 % der jährlichen Emissionen. Lediglich bei den Schwefeldioxid-Emissionen (SO2) spielt der Straßenverkehr mit einem Prozentanteil von knapp 4 % eine nur untergeordnete Rolle. Der Anteil des Straßenverkehrs an den jährlichen Schadstoff-Emissionen ist trotz der seit Mitte der 80er-Jahre anhaltenden Bemühungen, die Emissionen des Straßenverkehrs zu verringern, in Teilbereichen sogar angestiegen. Die Entwicklung ist vor allem vor dem Hintergrund der massiven Zuwächse sowohl im Personen- als auch Güterverkehr zu sehen. Trotz der Steigerung der Fahrleistungen um insgesamt über 50 % wurde vor allem durch nachgeschaltete Abgasreinigung eine deutliche, teilweise sogar durchgreifende Minderung der Emissionsfracht erzielt.

Hotellerie: Zimmerauslastung deutlich höher als Bettenauslastung

Seit Beginn des Jahres 2003 wird nach einer Gesetzesänderung auf Betreiben wichtiger Datenkonsumenten in der Hotellerie als klassi-schem Übernachtungsgewerbe neben der Bettenauslastung auch die Zimmerauslastung regelmäßig erfasst. Begründet wurde dieser Datenwunsch insbesondere damit, dass die Bettenauslastung durch die zunehmend übliche Belegung von Doppelzimmern mit Einzelgästen die tatsächliche Belegungssituation der Betriebe zu niedrig und damit unzureichend darstellt. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand der nunmehr vorliegenden Daten für das Jahr 2003 für beide Auslastungsgrößen auch quantitativ belegen. Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse zeigen aber auch, dass sich beide Größen und ihr Verhältnis zueinander insbesondere nach Gemeindegröße und im Jahresverlauf deutlich unterscheiden.

Zukünftige Flächennutzung in Baden-Württemberg

Neben Luft, Wasser, Klima, der Tier- und Pflanzenwelt rückt das Naturgut Boden immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Da Grund und Boden als knappes Gut nur begrenzt verfügbar ist, müssen alle raumbezogenen Planungen einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Bestandsbeurteilungen zwei grundsätzliche Aspekte berücksichtigen, und zwar den einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Flächen und Einrichtungen für die Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse (zum Beispiel Wohnungen, Arbeitsstätten, Infrastruktureinrichtungen etc.) sowie den Schutz und sorgsamen Umgang mit der Ressource Boden.

Umwelt-, Raumordnungs- und Städtebaupolitik des Bundes und der Länder, Landschafts- und Verkehrsplanung sowie Regional- und kommunale Gemeindeentwicklungsplanung be-nötigen zur Erfüllung ihrer Aufgaben somit differenzierte Angaben über Art und Umfang der tatsächlichen und der geplanten Nutzung aller Bodenflächen.

2003: Über 6000 Insolvenzverfahren verschuldeter Privathaushalte in Baden-Württemberg

Mit der Einführung der neuen Insolvenzordnung im Jahr 1999 wurde unter anderem die rechtliche Handhabung der Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen auf eine gesetzliche Basis gestellt, die auch soziale Gesichtspunkte beachtet. Um verschuldeten natürlichen Personen die finanzielle Perspektivlosigkeit zu nehmen, wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren so konzipiert, dass unter bestimmten Voraussetzungen nach 6 Jahren (bzw. bis 2002 noch nach 7 Jahren) eine Restschuldbefreiung erreicht werden kann. Entsprechend der alten Rechtslage hatten die Gläubiger 30 Jahre lang die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung.

Ende 2001 kam es zu einer weiteren Novellierung der Insolvenzordnung; diese Ergänzung wirkte sich insbesondere auf die Insolvenzzahlen der natürlichen Personen aus: Die Kosten eines Insolvenzverfahrens können bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden (§ 4b der Insolvenzordnung), was auch zu einer geringeren Anzahl mangels Masse abgelehnter Verfahren führte. So wurde im Jahr 2003 nur noch rund ein Siebtel (13,6 %) der Privatkonkurse mangels Masse abgelehnt. Die Zahl der Privatkonkurse nahm im Jahr 2003 gegenüber dem Vorjahr um 19,5 % zu; damit stieg auch die Gesamtzahl der gerichtlich entschiedenen Insolvenzverfahren um 11 %. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen lag dagegen um 2,4 % unter dem Vorjahreswert. Im Jahr 2002 waren noch beachtliche Steigerungsraten sowohl bei den Unternehmensinsolvenzen mit 22 % als auch bei Privatkonkursen mit einer Verdoppelung der Verfahrenszahl zu verzeichnen.

Wozu in die Zukunft schauen?

Wenn Statistiker den demografischen Kollaps voraussagen und dieser dann tatsächlich eintrifft, weil niemand korrigierend eingegriffen hatte, oder wenn sie voraussagen, dass im Jahr 2012 die Ausbildungskapazitäten knapp werden, weil im selben Jahr gleich zwei Abiturjahrgänge entlassen werden und infolgedessen die Universitäten überfüllt sind und die Lehrstellen ausgehen, weil niemand beizeiten vorbeugend reagiert hatte, so kann man diese Fehlentwicklungen nicht den Statistikern anlasten. Ursächlich für sie ist vielmehr, dass die wichtigen Zahlen nicht von den richtigen Leuten zur richtigen Zeit und am richtigen Platz zur Kenntnis genommen wurden und damit die erforderlichen Gegenmaßnahmen ausblieben. Kurz: »Es ist geschehen, weil nichts geschehen ist.«