:: 4/2007

Statistisches Monatsheft April 2007

Stationäre Pflege gewinnt weiter an Bedeutung

In Baden-Württemberg gab es zum Jahreswechsel 2005/06 über 1 200 nach dem 11. Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) zugelassene voll- bzw. teilstationäre Pflegeheime sowie fast 1 000 ambulante Pflegedienste. Zusammen wurden von diesen Pflegeeinrichtungen fast 125 000 Pflegebedürftige versorgt. Etwa 101 000 weitere Pflegebedürftige wurden von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt. Insgesamt bezogen Ende 2005 in Baden-Württemberg also über 225 000 Pflegebedürftige Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Alternde Erwerbsbevölkerung: Problem oder Chance für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg?

Mit dem Jahr 2000 hat in Baden-Württemberg eine demografische Zeitenwende stattgefunden: Erstmals in der Geschichte des Landes leben mehr ältere als jüngere Menschen im Land. Da auch weiterhin mit einer steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung und relativ geringen Geburtenzahlen zu rechnen ist, wird der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten noch weiter ansteigen.

Um abzuschätzen, welche Folgen die demografische Alterung auf die Zahl, die Altersstruktur und das berufliche Qualifikationsniveau der Erwerbspersonen haben könnte, wurde eine Erwerbspersonenvorausrechnung mit zwei Rechenvarianten erstellt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass bei konstant bleibender Erwerbsbeteiligung bereits für das Jahr 2020 mit rückläufigen Erwerbspersonenzahlen zu rechnen ist. Dies würde voraussichtlich auch dazu führen, dass weniger Fachkräfte als heute dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Außerdem hätte eine kleiner werdende Gruppe von Erwerbspersonen eine stetig wachsende Gruppe von nicht im Erwerbsleben stehenden Personen im Hinblick auf die Alterssicherung, die Pflegeversicherung und das Gesundheitswesen mitzutragen.

Baden-Württemberger verbringen im Durchschnitt mehr als 17 Jahre in Bildungseinrichtungen

Ein in nationalen und internationalen Bildungsvergleichen immer wieder gebrauchter Indikator ist die »Bildungserwartung in Jahren«. Sie gibt an, wie viel Zeit ein 5-jähriges Kind im Durchschnitt mit formalen Bildungsmaßnahmen in Kindergarten, Schule und Hochschule verbringen wird. In Baden-Württemberg lag dieser Wert im Jahr 2005 für Jungen bei 17,7 Jahren und bei Mädchen bei 17,2 Jahren. In den vergangenen 30 Jahren war ein deutlicher Anstieg der Bildungserwartung festzustellen. Dieser ist vor allem durch den zunehmenden Besuch von Gymnasien und den Ausbau der Hochschulen zu erklären. Manche aktuellen bildungspolitischen Maßnahmen zielen allerdings auf eine Verkürzung der Dauer der formalen (Erst-) Ausbildung ab. Dies könnte zukünftig den Anstieg der Bildungserwartung bremsen.

Deutliche Investitionszurückhaltung bei der Südwestindustrie im Jahr 2005

Ungeachtet der konjunkturellen Erholung hat die Südwestindustrie 2005 ihre Investitionstätigkeit deutlich reduziert. Mit nominal 8 Mrd. Euro sank das Investitionsvolumen auf das Niveau von 1998. Die Entwicklung betraf allerdings die verschiedenen Industriebranchen in unterschiedlichem Maße. Im Brennpunkt stand dabei der »Fahrzeugbau«, hier war ein Rückgang um mehr als ein Viertel zu verzeichnen. Im Gegensatz zu den Kaufinvestitionen haben die Leasinginvestitionen insgesamt zugelegt.

Verbesserung der Ergebnisqualität bei der Fortschreibung des Bruttoinlandsprodukts

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die zentrale Größe zur Beschreibung der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Aktuelle Ergebnisse zum BIP in den Bundesländern sind für die Wirtschafts- und Finanzpolitik von herausgehobener Bedeutung. Der »Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (AK VGR d L) greift bei der Berechnung des BIP auf eine Vielzahl von Datenquellen zu, die teilweise nicht unmittelbar nach Ablauf eines Berichtszeitraums vorliegen, sondern erst später zur Verfügung stehen. Für eine möglichst frühzeitige Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den Bundesländern kommt daher ein methodisch abgestimmtes, mehrstufiges »Fortschreibungsverfahren« zur Anwendung. Aufgrund der unvollständigen Datenbasis sind die Fortschreibungsergebnisse des BIP aber wenig belastbar und werden regelmäßig durch die Ergebnisse der späteren Originärberechnung zum Teil deutlich revidiert. Das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW) hat daher im Auftrag des Arbeitskreises VGR d L eine Methode entwickelt, mit der die Qualität der im Brennpunkt der Öffentlichkeit stehenden BIP-Fortschreibungsergebnisse verbessert werden konnte. Im vorliegenden Beitrag werden die Methoden, Berechnungsverfahren sowie die jüngsten Weiterentwicklungsbestrebungen der Berechnung des BIP dargestellt.

Iris Berben: »Älter werde ich später«

Grey Market: ein soziodemografisches Phänomen

Derzeit vollzieht sich in Deutschland wie in anderen Industrienationen, zum Beispiel in Japan, eine noch nie da gewesene Entwicklung: die Menschen werden immer älter und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung steigt. Folgen dieser demografischen Entwicklung werden in der deutschen Diskussion überwiegend unter Aspekten der Renten- oder Pflegeversicherung erörtert; Schlagworte wie »Pensionslasten«, »Rentnerschwemme« oder »Krieg der Generationen« verdeutlichen dies. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen dieses demografischen Wandels fanden bislang noch vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit, und das, obwohl unter konsumwirtschaftlichen Gesichtspunkten Ältere immer interessanter werden, denn der Seniorenmarkt bzw. Grey Market wird in Zukunft mehr Menschen umfassen als der Jugendmarkt. Entgegen tradierter Vorstellungen zeichnet sich ab, dass Ältere bis ins hohe Alter an einem konsumorientierten und eher lustbetonten Leben interessiert zu sein scheinen. Der Wandel im Verständnis des Alter(n)s lässt sich kaum kürzer und amüsanter fassen als Iris Berbens Ausspruch »Älter werde ich später«. Im Rahmen eines Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg und dem Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter wurde untersucht, inwieweit der Grey Market Fiktion oder Realität ist.

interMaptiv – Interaktive Online-Kartografie im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg

Getreu einer nun bald zwei Jahrhunderte währenden Tradition hat das Statistische Landesamt Baden-Württemberg sein topografisches Angebot weiterentwickelt. Nach dem Motto, dass ein Bild oft mehr als viele Worte und eine thematische Karte oft mehr als eine ellenlange Tabelle aussagen, wurde das interaktive Kartenverzeichnis »interMaptiv« für das Online-Angebot des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg entwickelt. Damit können statistische Daten schneller recherchiert und regionale Vergleiche zwischen Kommunen oder Kreisen erleichtert werden.

Zu über 100 Indikatoren der verschiedenen Bereiche der amtlichen Statistik sind interaktive Karten abrufbar. Es können Informationen zu den Lebens-, Umwelt- und wirtschaftlichen Bedingungen auf der Gemeinde-, Kreis-, Regionen-, Regierungsbezirks- und Landesebene abgerufen werden. Ein Klick genügt und die zugehörigen Detailinformationen werden in einer Tabelle aus der Regionaldatenbank am Bildschirm angezeigt. Im Jahr 2006 wurden via Internet 179 000 interaktive Karten abgerufen.

Im Blickpunkt: Die Gemeinde Kappel-Grafenhausen im Ortenaukreis

Aus der Vielzahl der Daten, die im Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) sowie unter www.statistik-bw.de (Regionaldaten) verfügbar sind, lassen sich für jede der 1 109 Gemeinden in Baden-Württemberg (Stand: 1. Januar 2007) weitere interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Für Kappel-Grafenhausen sind beispielsweise folgende Ergebnisse aufschlussreich (vgl. Tabelle):

Der föderale Grundcharakter der europäischen und der deutschen Statistik

Das europäische und etliche nationale Statistiksysteme besitzen einen föderalen Charakter. So baut die europäische Statistik auf den Erhebungen und Daten der eigenständig agierenden nationalen Ämter, diese in den größeren Mitgliedsländern auf Arbeiten der regionalen Ämter und diese teilweise auf Zuarbeiten kommunaler Ämter oder sonstiger staatlicher oder halbstaatlicher Einrichtungen auf. Selbst die zentralplangelenkten ehemaligen kommunistischen Staaten nutzten diese Form der Aufbauorganisation – allerdings mit wesentlichen Unterschieden: die Formulierung der Arbeitsprogramme und die Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse behielten sich die Zentralen weitgehend selbst vor und die »statistische Geheimhaltung« folgte den Prinzipien je aggregierter desto geheimhaltungswürdiger und je individueller desto offener.