:: 4/2008

Mobilität und Flexibilität der Erwerbstätigen

Mobilität und Flexibilität, im Sinne von beruflicher und räumlicher Mobilität, aber auch hinsichtlich der zeitlichen Flexibilität, prägen die heutige Arbeitswelt. So wechselten bzw. begannen von den rund 5,17 Mill. im Rahmen des Mikrozensus nachgewiesenen Erwerbstätigen im Jahr 2006 nahezu 13 % innerhalb des vorangegangenen Jahres ihre derzeitige Tätigkeit. Kennzeichnend für oben genannte Entwicklung ist auch der hohe Anteil von Erwerbstätigen, die täglich in eine andere Gemeinde zur Arbeit pendeln. Neben der beruflichen und räumlichen Mobilität scheint während der letzten Jahre auch zunehmend die Bereitschaft zur zeitlichen Mobilität im Sinne von flexiblen Arbeitszeiten erforderlich zu sein. So zeigt sich bei den baden-württembergischen Erwerbstätigen ein deutlicher Trend zu mehr Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit. Weitere Aspekte der beruflichen Mobilität und Flexibilität stellen die Möglichkeit dar, die Arbeit in den eigenen vier Wänden auszuüben, also sogenannte Heimarbeitsplätze, aber auch die Möglichkeit oder das Erfordernis neben der Haupttätigkeit noch einer zusätzlichen zweiten Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Hohe berufliche Mobilität vor allem bei jungen Erwerbstätigen

Kennzeichnend für die heutige Arbeitswelt ist die zunehmende Mobilität der Berufstätigen, und zwar sowohl im Sinne von beruflicher Mobilität, das heißt durch den Wechsel der Tätigkeit bzw. des Arbeitgebers, als auch in Bezug auf räumliche Mobilität. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus hatten im Jahr 2006 rund 676 000 der insgesamt rund 5,17 Mill. Erwerbstätigen innerhalb der letzten 12 Monate ihre derzeitige Tätigkeit begonnen bzw. gewechselt. Dies entsprach einem stattlichen Anteil von 13 %, wobei bei den weiblichen Erwerbstätigen (14 %) der Anteil etwas höher lag als bei den männlichen Erwerbstätigen (12 %). Damit wird deutlich, dass die berufliche Mobilität merklich zugenommen hat: Im Jahr 1996 lag der Anteil der Erwerbstätigen, die angegeben haben, während des letzten Jahres den Betrieb und/oder den Beruf gewechselt zu haben, noch bei 10 %.1

Unter den abhängig Erwerbstätigen, die im Mikrozensus 2006 angegeben haben, innerhalb der letzten 12 Monate ihre derzeitige Tätigkeit begonnen zu haben, sind die jüngeren Altersgruppen erwartungsgemäß überrepräsentiert. Mit steigendem Alter der Erwerbstätigen sinkt der Anteil der »Jobwechsler« deutlich. Während er in den Altersgruppen der unter 35-Jährigen noch überdurchschnittlich ausfiel, zeigt sich bei allen übrigen Altersgruppen nur noch ein unterdurchschnittlicher Anteil der »Jobwechsler«. Die mit der Berufseinstiegsphase verbundene Unsicherheit, die bei jüngeren Arbeitskräften überdurchschnittlich häufig anzutreffenden befristeten Verträge2, die höhere familiäre Ungebundenheit, das Streben nach beruflichem Fortkommen und die vergleichsweise höhere Bereitschaft zu einer beruflichen Neuorientierung dürften mit zu dieser hohen Mobilität der jüngeren Erwerbstätigen beigetragen haben.

Räumliche Mobilität in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch die räumliche Mobilität der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg erheblich erhöht. So arbeiteten nach den Ergebnissen des Mikrozensus 20043 knapp 45 % der 4,94 Mill. Erwerbstätigen außerhalb ihrer Wohnsitzgemeinde. Im Jahr 1970 (Ergebnisse der Volkszählung 1970) waren es lediglich 31 %. Damit stieg die Zahl der Berufspendler seit 1970 von 1,3 Mill. auf rund 2,2 Mill. an. 24 % dieser Pendler legten auf dem Weg zum Arbeitsplatz eine Strecke von mehr als 25 Kilometer zurück. 28 % brauchten für eine Strecke über eine halbe Stunde.

Die zunehmende räumliche Mobilitätsbereitschaft zeigt sich insbesondere auch daran, dass die Zahl der Erwerbstätigen, die von ihrem Wohnsitz in Baden-Württemberg zu ihrem Arbeitsplatz in andere Bundesländer oder ins Ausland pendeln, sich seit 1970 von 40 000 auf gut 143 000 mehr als verdreifacht hat. Das häufigste Zielland dieser Berufspendler war Bayern mit gut 41 000 Erwerbstätigen bzw. knapp 29 % der über die Landesgrenze pendelnden Personen. Nach Rheinland-Pfalz pendelten rund 22 000 Baden-Württemberger (knapp 16 %) und nach Hessen 20 000 (14 %). Weitere knapp 50 000 Erwerbstätige pendelten ins Ausland. Aufgrund der räumlichen Nähe dürfte es sich hierbei überwiegend um die Länder Schweiz oder Frankreich handeln.

Anforderungen an zeitliche Flexibilität gestiegen

Die Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Erwerbstätigen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. So zeigt sich in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zu mehr Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit. Rund 60 % aller Erwerbstätigen gaben 2006 an, ständig, regelmäßig oder gelegentlich Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit zu leisten (Mehrfachnennungen sind möglich). Dagegen waren es 1996 nur knapp 49 % aller Erwerbstätigen. Von 100 Erwerbstätigen gaben an, zu folgenden Arbeitszeiten

19962006
Samstagsarbeit4046
Sonn- und/oder Feiertagsarbeit2125
Abendarbeit (18 bis 23 Uhr)3247
Nachtarbeit (23 bis 6 Uhr)1113
Wechselschicht1113

ständig, regelmäßig oder gelegentlich tätig gewesen zu sein.

Der deutliche Anstieg der Abend- und Samstagsarbeit gegenüber dem Jahr 1996 dürfte auf die verschiedenen gesetzlichen Neuregelungen zur Lockerung der Ladenöffnungszeiten der letzten Jahre zurückzuführen sein. Dieser Trend könnte sich auch in den kommenden Jahren noch fortsetzen.

Anteil der »Heimarbeiter« stagniert

Die Ausübung des Berufs in den eigenen vier Wänden scheint nach wie vor nur für wenige Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber realisierbar bzw. wünschenswert zu sein. Trotz neuer Medien und Technologien, die ein Arbeiten von zu Hause aus vereinfachen dürften, arbeiten von den insgesamt rund 5,17 Mill. Erwerbstätigen in Baden-Württemberg gerade einmal 5 % bzw. knapp 248 000 Personen hauptsächlich – also mindestens die Hälfte der Arbeitszeit – zu Hause. Weitere gut 9 % übten ihren Job manchmal in der eigenen Wohnung aus. Daran hat sich in den letzten 10 Jahren nur wenig geändert: Gegenüber 1996 sind die Anteile der »Heimarbeiter« an den Erwerbstätigen nahezu konstant geblieben.

Der Anteil der Frauen, die hauptsächlich in ihren eigenen vier Wänden arbeiteten, an allen weiblichen Erwerbstätigen, liegt mit knapp 6 % kaum höher als bei den männlichen Erwerbstätigen (rund 4 %). Die Annahme, dass die räumliche Verbindung von Berufs- und Privatleben in erster Linie von Frauen angestrebt wird, trifft somit nur bedingt zu. Stark überrepräsentiert unter den Erwerbstätigen, die überwiegend zu Hause arbeiten, sind erwartungsgemäß die Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen sowie die Beamten. Bei Letzteren dürfte es sich zu einem erheblichen Teil um Lehrerinnen und Lehrer handeln, die in ihren Wohnungen den Unterricht vorbereiten oder Klassenarbeiten korrigieren.

Zweitjobs werden häufiger

Zudem zeigt sich in den vergangenen Jahren bei den Erwerbstätigen in Baden-Württemberg ein deutlicher Trend – in einigen Fällen sicherlich vor dem Hintergrund eines finanziellen Erfordernisses – neben der Haupttätigkeit einen Zweitjob auszuüben. Eine mögliche Ursache für diese Entwicklung könnte die Zunahme sogenannter »prekärer Arbeitsverhältnisse« sein, also von Beschäftigungen, die unter anderem durch niedrige Einkommen bzw. befristete Arbeitsverträge gekennzeichnet sind.4 Personen, die mit dieser Beschäftigungssituation konfrontiert sind, dürften sich zur Sicherung ihres Lebensstandards häufig gezwungen sehen, zusätzlich zu ihrer Haupttätigkeit noch eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Im Jahr 2006 traf dies in Baden-Württemberg auf knapp 254 000 bzw. knapp 5 % aller Erwerbstätigen zu. Unter den Erwerbstätigen mit einem zweiten beruflichen Standbein waren Männer etwas häufiger anzutreffen als Frauen. Knapp 55 % der Erwerbstätigen mit einem Zweitjob waren Männer, gut 45 % Frauen. Gegenüber 1996 (169 000 Personen mit zwei Jobs) ist die Zahl der Erwerbstätigen mit zwei Arbeitsstellen mit einem Plus von 50 % überproportional stark angestiegen. Die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt stieg im selben Zeitraum nur um knapp 9 % an.

Die ausgeübten Zweitjobs konzentrieren sich dabei im Wesentlichen auf den tertiären Sektor. Knapp 77 % der Erwerbstätigen arbeiteten im Rahmen ihrer zweiten Tätigkeit im Dienstleistungsbereich. Ebenfalls überproportional vertreten sind mit einem Anteil von fast 8 % die Zweiterwerbstätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft. Hierbei dürfte es sich zum Großteil um sogenannte Nebenerwerbslandwirte handeln, die vom Ertrag ihrer Landwirtschaft alleine nicht leben können und daher einen anderen Hauptberuf ausüben, jedoch in ihrer Freizeit ihren Bauernhof bewirtschaften. Der Anteil der Erwerbstätigen insgesamt in diesem Sektor lag dagegen im Jahr 2006 nur bei knapp 2 %. Weitere rund 15 % der Erwerbstätigen mit Zweittätigkeit haben im Produzierenden Gewerbe einen Nebenjob gefunden.

Bei den hier angegebenen Zweittätigkeiten handelt es sich überwiegend um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, zumindest liegt die wöchentliche Arbeitszeit in fast 86 % der Fälle unter 15 Stunden, in knapp 10 % der Fälle lag die wöchentliche Arbeitszeit zwischen 15 bis einschließlich 20 Stunden. Je nach Branche sind jedoch hinsichtlich des im Rahmen der Nebentätigkeit geleisteten Stundenumfangs deutliche Unterschiede zu verzeichnen. Während die Erwerbstätigen mit einem Nebenjob im Dienstleistungsbereich im Durchschnitt 7,7 Stunden pro Woche arbeiteten und im Produzierenden Gewerbe 8,0 Stunden pro Woche, lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Berufstätigen, die »nebenbei« in der Land- und Forstwirtschaft tätig waren, bei stattlichen 15,2 Stunden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die gerade von Wirtschaftsvertretern geforderte räumliche sowie berufliche Mobilität, aber auch die zeitliche Flexibilität – zumindest im Sinn der hier dargestellten Aspekte – auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt aktuell anzutreffen ist und in vielen Bereichen sogar in den letzten Jahren zugenommen hat.