:: 1/2009

»Vereinte Nationen im Ländle«

Binationale Paare in Baden-Württemberg

Die Erweiterung der Europäischen Union, die Entwicklungen in Europa seit Fall des Eisernen Vorhangs sowie die zunehmende Zahl beruflicher, studienbedingter und touristischer Auslandsaufenthalte ermöglichen vermehrt Begegnungen zwischen Frauen und Männern verschiedener Nationalitäten. Kommt es in der Folge auch zu einer steigenden Zahl binationaler Paare? Am Beispiel Baden-Württembergs wird gezeigt, dass die Anzahl deutsch-ausländischer Paare in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist. Die Befunde lassen erkennen, dass innerhalb der ausländischen Bevölkerung deutliche Unterschiede in der Häufigkeit der Wahl eines deutschen Partners bzw. einer deutschen Partnerin bestehen. So unterscheidet sich beispielsweise die Partnerwahl von Österreichern und Griechen deutlich.

Neben kulturellen und individuellen Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob jemand eine Partnerin oder einen Partner mit einer anderen Nationalität wählt, spielen zunächst die strukturellen Bedingungen im Lebensumfeld eine Rolle. Eine strukturelle Bedingung ist die Zusammensetzung der Bevölkerung, das heißt, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einer Person mit einer anderen Staatsangehörigkeit begegnet? Trotz regionaler und lokaler Unterschiede im Bevölkerungsanteil der Ausländerinnen und Ausländer (Definition siehe i-Punkt) sind binationale Partnerschaften heute viel eher möglich als noch vor wenigen Jahrzehnten. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Baden-Württemberg ist seit Ende der 50er-Jahre fast kontinuierlich von rund 1 % bis auf etwa 12 % in den 90er-Jahren angestiegen.1

Vor dem Hintergrund, dass in Baden-Württemberg gemessen am Bevölkerungsanteil mehr Ausländerinnen und Ausländer als in den übrigen Flächenländern Deutschlands leben, ist das Thema binationaler Paare für dieses Bundesland besonders interessant.

Binational ist nicht gleich binational

Zusammenlebende Paare (im Folgenden auch »Paargemeinschaften« genannt) können im Rahmen der Statistik nach unterschiedlichen Kriterien betrachtet werden. Die Einteilung von Paargemeinschaften in eheliche, nicht eheliche und gleichgeschlechtliche Paar- bzw. Lebensgemeinschaften ist eine Differenzierung. Aus demografischer Sicht interessieren zusätzlich die Staatsangehörigkeiten der Partner. Im Folgenden werden die binationalen Paare näher beleuchtet. Die Paare, bei denen beide Partner dieselbe Staatsangehörigkeit haben (uninationale Paare), werden außer Betracht gelassen.

Eine binationale Partnerschaft besteht, wenn die Partner unterschiedliche Nationalitäten haben. In Deutschland können zwei Kombinationen von Binationalität unterschieden werden:

  • im ersten Fall besitzt einer der Partner die deutsche Staatsangehörigkeit, der andere Partner2 eine ausländische (hier: deutsch/ausländische Paare);
  • bei der anderen Gruppe binationaler Paare haben beide Partner eine ausländische Staatsangehörigkeit, jedoch nicht dieselbe, zum Beispiel im Falle eines italienisch-kroatischen Paares (hier: ausländisch/ausländische Paare).

Anhand dieser Differenzierung binationaler Paarkombinationen wird verdeutlicht, dass »binational« nicht gleich »binational« ist. Im weiteren Verlauf nimmt dieser Artikel ausschließlich die deutsch/ausländischen binationalen Paare in den Blick.

Anzahl deutsch/ausländischer Paare kontinuierlich gestiegen

Wie viele Ausländerinnen und Ausländer in Baden-Württemberg leben mit einer deutschen Partnerin bzw. einem deutschen Partner in einer Paargemeinschaft? Wie ist die zahlenmäßige Entwicklung dieser Paare im Zeitverlauf? Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Folgenden die Daten des Mikrozensus, der größten amtlichen Haushaltsbefragung in Deutschland, herangezogen (siehe i-Punkt).

Bis 1996 ließen sich Angaben zu nicht ehelichen Paargemeinschaften nur schätzen, weil das Merkmal »nicht eheliche Lebensgemeinschaft« nicht direkt erhoben wurde. Daher beziehen sich die Daten vor 1996 nur auf Ehepaare mit einem deutschen und einem ausländischen Partner. Die Tabelle zeigt wie sich die Anzahl binationaler (hier: deutsch/ausländischer) Paargemeinschaften in Baden-Württemberg seit 1985 – mit den genannten Einschränkungen – entwickelt hat. Damals lebten 82 100 deutsch/ausländische Ehepaare in Baden-Württemberg. Während ihre Anzahl bis 1990 nur leicht (um 2 800 Paare) gestiegen ist, sind in den darauf folgenden 5 Jahren bis 1995 weitere 25 000 deutsch/ausländische Ehepaare dazugekommen. Die 151 000 binationalen Paare im Jahr 2000 schließen bereits die nicht ehelichen Paargemeinschaften mit ein. Mit rund 226 000 Paaren wurde 2007 die bisher höchste Anzahl deutsch/ausländischer Paargemeinschaften gezählt.

Die historischen Umbrüche Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre, die gewachsene Freiheit und Mobilität innerhalb der erweiterten Europäischen Union sowie die verstärkten weltweiten wirtschaftlichen und touristischen Kontakte haben maßgeblich dazu geführt, die Gelegenheiten für Kontakte zwischen deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern auszuweiten.

Hier schließt sich die Frage an, wie sich die Paargemeinschaften, bei denen beide Partner die deutsche oder beide eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, entwickelt haben?

Jedes 12. Paar hat eine deutsche und eine ausländische »Hälfte«

Im Jahr 1985 wurden im Rahmen des Mikrozensus in Baden-Württemberg knapp 2,60 Mill. Ehepaare gezählt. Es überrascht nicht, dass beim überwiegenden Anteil dieser Paare (89 %) beide Partner die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Interessant sind hier die anderen Paargemeinschaften. 1985 wurden zwar noch keine nicht ehelichen Lebensgemeinschaften aufgeführt, jedoch wird anhand des Schaubildes 1 deutlich, wie klein damals der Anteil der deutsch/ausländischen Ehepaare an allen Ehepaaren war (3 %). Bei rund 8 % der Ehepaare hatten beide Partner eine ausländische Staatsangehörigkeit.

Gut 20 Jahre später, im Jahr 2007, wiesen die Ergebnisse des Mikrozensus rund 2,76 Mill. eheliche, nicht eheliche und gleichgeschlechtliche Paargemeinschaften aus. Während sich der Anteil ausländisch/ausländischer Paare an allen Paargemeinschaften im Vergleich zu 1985 kaum verändert hat, ist der Anteil deutscher Paare bis 2007 auf 82 % gesunken. Der Anteil deutsch/ausländischer Paare ist demgegenüber im selben Zeitraum auf 8 % aller Paargemeinschaften gestiegen. So besteht heute etwa jedes 12. Paar in Baden-Württemberg aus einer ausländischen und einer deutschen »Hälfte«.

Höchster Anteil binationaler Paare in Baden-Württemberg und Hessen

In Baden-Württemberg leben damit mehr deutsch/ausländische Paargemeinschaften als in den anderen Flächenländern. Lediglich Hessen hat einen vergleichbar hohen Anteil an deutsch/ausländischen Paaren (2006: 8 %). Die 5 neuen Bundesländer bilden dagegen mit den geringsten Anteilen deutsch/ausländischer Paargemeinschaften (zwischen knapp 2 % in Sachsen-Anhalt und fast 3 % in Brandenburg, ebenfalls 2006) eine eigene Kategorie. Die anderen Flächenländer bewegen sich im Mittelfeld (Schaubild 2).

Mehr ausländische Frauen als Männer in binationalen Paargemeinschaften

Wählen ausländische Frauen und Männer gleich häufig deutsche Partner? Maßgeblich bedingt durch die Gastarbeiteranwerbungen leben seit Mitte der 50er-Jahre bis heute mehr ausländische Männer als ausländische Frauen im Land. Dies spiegelte sich auch lange Zeit in den deutsch/ausländischen Paargemeinschaften wieder: 1985 waren 62 % (50 900) der ausländischen Partner in deutsch/ausländischen Ehen männlich (Tabelle Seite 26).

Allerdings haben sich zwischen 1995 und 2000 die Strukturen stark verändert. Im Jahr 2000 hat die absolute Zahl der ausländischen Frauen, die mit einem deutschen Partner leben (76 300), die Zahl der ausländischen Männer mit einer deutschen Partnerin (74 900) übertroffen. Waren zuvor die ausländischen Männer stärker in den binationalen Partnerschaften vertreten, sind es 2007 die Frauen (mit einem Anteil von 54 % aller deutsch/ausländischen Paare). Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund, dass in Baden-Württemberg noch immer mehr männliche als weibliche Ausländer leben.3

Was die Österreicher von den Griechen unterscheidet

Gibt es nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen verschiedenen ausländischen Nationalitäten Unterschiede in der Häufigkeit der Wahl eines deutschen Lebenspartners? Um dieser Frage nachzugehen wurden zunächst Staatsangehörigkeiten anhand der Mikrozensusdaten ausgewählt, die am stärksten in Baden-Württemberg vertreten sind; dies sind überwiegend ehemalige »Gastarbeiterländer« wie zum Beispiel Italien, Türkei, Griechenland, Spanien und das ehemalige Jugoslawien; dazu kommen die Russische Föderation, Österreich und Polen. Die Gruppe der Personen aus der Region Süd- und Südostasien (außer Vietnam und Afghanistan)4 wurde aufgrund ihres hohen Anteils an der Partnerwahl mit deutschen Staatsangehörigen ebenfalls zum Vergleich ausgewählt.

Schaubild 3 zeigt den Anteil der Ausländerinnen und Ausländer, die mit einem deutschen Partner bzw. einer deutschen Partnerin zusammenleben, gemessen an allen Personen mit der jeweiligen Staatsangehörigkeit, die in einer Partnerschaft leben. Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Staatsangehörigkeiten. So leben gerade die historisch am längsten und am stärksten in Baden-Württemberg vertretenen Nationalitäten am seltensten mit einen deutschen Partner zusammen. Sind es noch ein Viertel der italienischen und 16 % der türkischen Staatsangehörigen, so bilden die Griechen mit rund 10 % die kleinste Gruppe ausländischer Personen mit deutschen Partnern. Von den in einer Partnerschaft lebenden Personen aus der Russischen Föderation und Polen hat knapp die Hälfte einen deutschen Partner. Hier spielt vermutlich auch der Zuzug von Spätaussiedlern eine größere Rolle. Besonders hoch sind die Anteile folgender Nationalitäten: Drei Viertel aller österreichischen Staatsangehörigen, die in Baden-Württemberg in einer Partnerschaft leben, haben einen deutschen Partner; bei den Personen aus Süd- und Südostasien sind es knapp über 70 %.

Deutsch/ausländische Paare mit Beachtung des Migrationshintergrundes

Seit 2005 ist es möglich, aus den Ergebnissen des Mikrozensus abzulesen, ob bei den Befragten ein Migrationshintergrund (siehe i-Punkt Seite 29) vorliegt. Beim Thema der binationalen Paare ist es interessant, dass im Fall der deutsch/ausländischen Paare nochmals genauer betrachtet werden kann, ob der deutsche Partner einen Migrationshintergrund aufweist oder nicht. Die Befragungsergebnisse von 20055 zeigen, dass lediglich bei einem Drittel der knapp 220 000 deutsch/ausländischen Paargemeinschaften der deutsche Partner einen Migrationshintergrund hat.

Fazit

Die wachsenden internationalen Kontakte haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einem kontinuierlichen Anstieg binationaler Paargemeinschaften in Baden-Württemberg geführt. Im Vergleich der Flächenländer leben in Baden-Württemberg neben Hessen anteilig die meisten deutsch/ausländischen Paare. Anders als in den 90er-Jahren haben heute mehr ausländische Frauen als ausländische Männer deutsche Lebenspartner. Bei der Wahl eines deutschen Partners gibt es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Staatsangehörigkeiten der Ausländerinnen und Ausländer in Baden-Württemberg. Lediglich bei einem Drittel der deutschen Partner in binationalen Paargemeinschaften liegt ein Migrationshintergrund vor.

Inwieweit die steigende Anzahl binationaler deutsch/ausländischer Paare als Indikator für eine positive Entwicklung der Integration der ausländischen Bevölkerung herangezogen werden kann, lässt sich aufgrund der heterogenen Strukturen nicht bewerten.

1 Siehe »Entwicklung der gesamten und der ausländischen Bevölkerung in Baden-Württemberg seit 1950«

2 Unter der Bezeichnung »Partner« werden hier weibliche und männliche Personen zusammengefasst. Die weibliche Form »Partnerin« wird nur verwendet, wenn eine Unterscheidung nach Geschlecht statistisch relevant ist.

3 Laut Bevölkerungsfortschreibung lebten zum 31. Dezember 2007 rund 648 500 männliche und 622 900 weibliche Ausländer in Baden-Württemberg.

4 Im Fragebogen des Mikrozensus werden lediglich die vietnamesische und die afghanische Staatsangehörigkeit separat abgefragt, alle anderen Staaten Süd- und Südostasiens (zum Beispiel Indien, Indonesien, Kambodscha, Philippinen, Thailand) werden zusammengefasst unter dem Begriff »sonstiges Süd- und Südostasien«.

5 Zum Zeitpunkt der Analyse lagen noch keine Daten für die Jahre 2006 und 2007 vor.