:: 5/2009

Evaluation der Zukunftsforen: Großer Bedarf an demografischen Analysen und Handlungsempfehlungen

Neues Forum zum Meinungs- und Informationsaustausch eröffnet

Um die Gemeinden und Kreise im Land für den demografischen Wandel zu sensibilisieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen, hat die LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg die FamilienForschung im Statistischen Landesamt mit der Durchführung von Zukunftsforen beauftragt. Die LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg setzt sich in ihren Programmen auch mit den Auswirkungen der demografischen Entwicklung auseinander. Familienfreundlichkeit ist dabei ein zentraler Aspekt, der gerade für Gemeinden, Städte und Kreise Baden-Württembergs als Standortfaktor immer wichtiger wird. Mit den Zukunftsforen will die Landesstiftung einen Prozess in Gang setzen, der die beteiligten Gemeinden, Städte und Kreise dabei unterstützt, neue Möglichkeiten für mehr Familienfreundlichkeit zu entwickeln und zu verwirklichen. Dieser Beitrag stellt erste Evaluationsergebnisse des Projekts Zukunftsforen dar. Er geht schwerpunktmäßig der Frage nach, mit welchen Maßnahmen die Zukunftsforen-Kommunen auf den demografischen und gesellschaftlichen Wandel reagieren.

Die FamilienForschung Baden-Württemberg bietet unterschiedliche Veranstaltungsarten für Kommunen, um sie bei der Steigerung der Familienfreundlichkeit und der Verbesserung der Lebensqualität für alle Bürger vor Ort zu unterstützen. Ziel der Beratungstätigkeit ist es, dass die Kommunen dem demografischen Wandel und sich ändernden Erwartungen der Bevölkerung produktiv begegnen können. Die Zukunftsforen sind halbtägige Informationsveranstaltungen für einzelne Gemeinden und Kreise oder Gemeinschaftsveranstaltungen mehrerer Kommunen, in denen über den demografischen Wandel in den Kommunen informiert wird und erste Handlungsansätze erarbeitet werden1. Sie sind ein Instrument des Beratungsangebots der FamilienForschung. Daneben werden Zukunftswerkstätten, RegioKonferenzen und Fachtagungen für kommunale Entscheider angeboten2.

Insgesamt 17 Zukunftsforen wurden bis März 2009 durchgeführt. 4 fanden in Kreisen (Sigmaringen, Schwäbisch Hall, Tuttlingen und Ravensburg) statt. Ebenfalls 4 Zukunftsforen wurden im Verbund mehrerer Veranstalter durchgeführt (Ingersheim (Württemberg) – Ingersheim (Elsaß), Durmersheim – Au am Rhein – Bietigheim – Elchesheim-Illingen, Kißlegg – Landkreis Ravensburg, Neulingen – Walzbachtal). 10-mal war eine einzelne Gemeinde Gastgeber eines Zukunftsforums (Weinstadt, Steißlingen, Illmensee, Sontheim an der Brenz, Schuttertal, Mühlheim an der Donau, Böhmenkirch, Schramberg, Grünkraut, Oberhausen-Rheinhausen).

Zukunftsforen orientieren sich am Bedarf der Gemeinden

Bei Konzeption und Durchführung der Zukunftsforen wurden die spezifischen Bedingungen vor Ort und die Fragestellungen der Antragsteller berücksichtigt. Daraus ergaben sich ganz unterschiedliche Veranstaltungsformen und inhaltliche Schwerpunktsetzungen. In den meisten Veranstaltungen wurde die gesamte Bürgerschaft durch die Bekanntmachung im Mitteilungsblatt und örtlicher Zeitung eingeladen, Experten und kommunale Funktionsträger wurden persönlich angeschrieben. In 4 Fällen wurde im Rahmen einer Gemeinderatsklausur unter Einschluss von Experten gearbeitet.

Einige Veranstaltungen waren als offene Bürgerbeteiligung konzipiert, in denen ohne engere Themenvorgabe von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Bestandsaufnahme und Bewertung der kommunalen Angebote vorgenommen werden konnte. Anschließend wurden Ideen zu deren Weiterentwicklung gesammelt. Andere Veranstalter wandten sich mit speziellen Fragestellungen und Problemen, die im Zukunftsforum bearbeitet werden sollten, an die Familien-Forschung. 4-mal ging es ganz konkret um den Einstieg in die Kleinkindbetreuung. Zunehmende Anfragen von Eltern und die Einführung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr im Jahr 2013 waren dafür der Auslöser.

Vor allem in kleineren ländlichen Gemeinden besteht Unsicherheit über den tatsächlichen Bedarf und die angemessene Höhe der Elternbeiträge für Kinderkrippen. Durch Beispiele aus vergleichbaren Gemeinden und die Einbeziehung der Fachplaner der Kreise und der Kompetenz des Kommunalverbands für Jugend und Soziales konnte in den Gemeinden (zum Beispiel in Sontheim an der Brenz, Böhmenkirch und Mühlheim an der Donau) durch das Zukunftsforum ein konkreter Planungsprozess angestoßen werden, der in einem Ausbauplan für die Kleinkindbetreuung mündete.

Franz Josef Schnell, der Dezernent für Jugend und Soziales des Landkreises Sigmaringen, fasste eine Motivation hinter dem Ausbau der Kinderbetreuung wie folgt zusammen: »Die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der großen Herausforderungen, der wir uns stellen müssen.«

Sontheim an der Brenz führte nach dem Zukunftsforum eine Befragung von Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren durch, um den Betreuungsbedarf genauer festzustellen. In der Folge wurde ein Kinderhaus mit einer Krippe für unter 3-Jährige und die Einrichtung einer Ganztagesbetreuung für Kinder über 3 Jahre auf den Weg gebracht. Auf der, im Rahmen der Initiative Zukunftsforen begleiteten, Gemeinderatsklausur in Illmensee wurde der Grundstein für die Errichtung eines neuen Kindergartens gelegt. Im Landkreis Tuttlingen diente das Zukunftsforum dazu, über verschiedene Optionen beim Einstieg in die Kleinkindbetreuung zu informieren und vor allem die kleineren Gemeinden zu kooperativen Lösungen zu motivieren.

Interessante Veranstaltungen mit viel Teilnehmerzuspruch waren auch die Zukunftsforen mit offener Bürgerbeteiligung, in denen nach einer Einführung in die demografischen Entwicklungen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen gebildet wurden. Auch in den Zukunftsforen mit offener Bürgerbeteiligung nahm der Themenkomplex »Kinderbetreuung und Bildung« großen Raum ein. Darüber hinaus gab es weitere Themen, die ebenfalls in den meisten Kommunen von Bedeutung waren (Senioren, Angebote für Jugendliche, Treffpunkte zur Begegnung von Jung und Alt). Die in wenigen Stunden erarbeiteten Themenkataloge und zum Teil auch ganz konkreten Aktionsideen bereichern die kommunalpolitische Agenda. »Über das Ergebnis des heutigen Abends bin ich kolossal beeindruckt. Es wird nicht als Muster an der Wand hängen bleiben. Daraus wollen wir mit dem Gemeinderat einen kommunalpolitischen Leitfaden entwickeln3

Eine wichtige kommunale Aufgabe: Transparenz über vorhandene Angebote schaffen

Häufig zeigte sich, dass selbst die engagierten Bürger, die sich am Zukunftsforum beteiligten, nicht über alle für sie interessanten Angebote der Gemeinde informiert waren. Aufgrund dieser Erkenntnis wurden infolge der Zukunftsforen in mehreren Gemeinden die Informations- und Beratungsangebote verbessert. Zum einen wurden in Broschüren die Familienleistungen aktuell und übersichtlich dargestellt sowie Transparenz über vorhandene Angebote und Ansprechpartner hergestellt (zum Beispiel in Durmersheim und Schuttertal in Vorbereitung). Zum anderen wurden Anlaufstellen (zum Beispiel Familienbüro in Steißlingen) geschaffen, die für Informationsbündelung und -weitergabe in den Gemeinden verantwortlich sind. Auch das infolge des Zukunftsforums in Schwäbisch Hall gegründete Lokale Bündnis für Familie hatte dies als eine wichtige Aufgabe auf der Tagesordnung. In Steißlingen wurde darüber hinaus ein Familientag ins Leben gerufen. An diesem Aktionstag stellen sich Vereine, Institutionen und Initiativen den Familien in der Gemeinde vor.

Offene Bürgerbeteiligung schafft Akzeptanz und fördert die Engagementbereitschaft

Beim Zukunftsforum mit offener Bürgerbeteiligung in Schuttertal konnten die Bürger über die Angebote ihrer Gemeinde abstimmen. Es wurde deutlich, dass die Bürger mit dem Angebot der Gemeinde im Großen und Ganzen zufrieden waren. Ein besonderer Handlungsdruck zeigte sich allerdings bei den Angeboten für Jugendliche. Hier hat die Gemeinde reagiert und einen Arbeitskreis »Jugend« ins Leben gerufen, in dem Bürger und Vertreter der katholischen Jugendgemeinschaften Ziele der Jugendarbeit definieren und verschiedene Angebote schaffen. Eine Gruppe für Mädchen, in der Probleme besprochen und Aktionen geplant und umgesetzt werden, wurde gegründet und hat schon das erste Mal getagt.

Illmensee bewegt sich besonders konsequent auf dem Weg einer intensiven Bürgereinbindung in kommunale Planungsprozesse. Neben einer Bürgerwerkstatt »Freizeit in Illmensee« wurden auch zwei Beteiligungsverfahren mit Schülern und Kindergartenkindern erfolgreich durchgeführt, die die Gestaltung des Schulhofes und eines Spielplatzes zum Gegenstand hatten.

In Durmersheim wurde auf einem Familiengipfel ein verbindliches Konzept zur familienfreundlichen Kommune erarbeitet. Dort ist es darüber hinaus in vorbildlicher Weise gelungen, Jugendliche für das Zukunftsforum zu interessieren. Die knapp 10 Jugendlichen in der Arbeitsgruppe »Attraktivität für Jugendliche gewährleisten« beeindruckten durch ihre Kreativität und die Vielzahl der Vorschläge. Sie machten auch deutlich, dass sie nicht nur Forderungen stellen, sondern auch mitgestalten und Verantwortung übernehmen wollen, zum Beispiel durch selbstverwaltete Jugendtreffs. Elternunabhängige Mobilität durch eine Verbesserung des Angebots im öffentlichen Nahverkehr ist ihnen ebenfalls ein wichtiges Anliegen.

Frühzeitige Einbindung der Bürger und Experten in die kommunale Planung trägt Früchte

Um die Wirkung des Projekts Zukunftsforen exakter bestimmen zu können, wurden die Veranstalter zur Veranstaltung selbst und deren Wirkungen in der Kommune befragt. Da sich aktuell noch nicht alle Kommunen rückgemeldet haben, können an dieser Stelle nur erste Befunde dieser Evaluation dargestellt werden. Ein ausführlicher Ergebnisbericht wird im Sommer 2009 in der Schriftenreihe der Landesstiftung Baden-Württemberg erscheinen4. Durch ein Abonnement des Newsletters »Familienfreundliche Kommune« der FamilienForschung erfolgt eine automatische Information über das Erscheinen des Ergebnisberichts und über andere interessante Veranstaltungen und Aktivitäten zum Thema Familienfreundlichkeit5.

Gefragt, was ihnen am Zukunftsforum gefallen bzw. nicht gefallen hat, gab es folgende Anmerkungen der Veranstalter:

Gefallen hat:

  • Beteiligung einer breiten Masse/angenehme Atmosphäre/umfassende Situationsdarstellung/professionelle Moderation/unkomplizierte Zusammenarbeit/Bewusstseinsbildung zum demografischen Wandel/Dokumentation – gutes Infomaterial/Möglichkeit für die Bürger, sich unkonventionell zu einzelnen Handlungsfeldern zu äußern/Gemeinschaftsprojekt mehrerer Gemeinden/es waren recht viel Gemeinderäte, Schulleiter und auch Bürgermeister anwesend/unser Ziel – Ausbau Kindertagespflege – wurde erreicht.

Nicht gefallen hat:

  • Zeit zu kurz – Themen konnten nur angerissen werden/zu wenig Diskussion/mehr Zeit für die Arbeitsgruppen zur Verfügung stellen/demografischer Wandel sollte komprimierter dargestellt werden/eine weitere Begleitung wäre wünschenswert gewesen, damit man noch gezielter Ideen erarbeiten, koordinieren und somit das Ziel hätte schneller erarbeiten können/zu viele Vorträge, zu wenig Diskussion/wünschenswert wäre eine Evaluation über Maßnahmenfeld »Familienfreundlichkeit« im ca. 2-jährigen Turnus.

Befragt nach den Eindrücken, die sie für die weitere Arbeit mitnehmen, wurde bisher Folgendes zurückgemeldet:

  • Bürger müssen frühzeitiger in Überlegungen eingebunden werden/Einbindung möglichst vieler Akteure verschafft Transparenz und motiviert zum Mitgestalten/Erwartungen nicht zu hoch ansetzen/es lohnt sich, möglichst viele unterschiedliche Perspektiven in die Planung einzubeziehen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass alle Gemeinden, die auf dem Zukunftsforum mit ihren Bürgern über den demografischen Wandel und die kommunalen Angebote zur Familienfreundlichkeit ins Gespräch gekommen sind, dies als Bereicherung ihrer Arbeit erfahren haben und es zur Nachahmung empfehlen. »Die Arbeitskreise des Zukunftsforums sind spitze gelaufen. Wenn man Menschen anspricht und einlädt, sind sie dazu bereit mitzuwirken6

Auch nach dem Abschluss des von der LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg geförderten Projekts Zukunftsforen bietet die FamilienForschung weiter Zukunftswerkstätten, RegioKonferenzen, Bürgermeisterworkshops und Beratung für Kommunen auf dem Weg zu mehr Familienfreundlichkeit an7. Ein neues Angebot zum Austausch der familienpolitisch Engagierten in Baden-Württemberg ist das FaFo-Forum (http://forum.fafo-bw.de, siehe auch i-Punkt). Dort sind Veranstaltungen der FamilienForschung dokumentiert, es findet sich eine ständig aktualisierte Nachrichten- und Linksammlung zum Thema und es besteht die Möglichkeit, sich zu unterschiedlichen Aufgabenfeldern mit anderen Aktiven aus dem Land auszutauschen.