:: 10/2009

Kinderzahl von Frauen verschiedener Nationalitäten

Die ausländische Bevölkerung in Baden-Württemberg hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten eine wesentliche Rolle für die demografische Entwicklung im Lande gespielt. Rund ein Drittel des Bevölkerungswachstums seit 1952 geht per saldo auf sie zurück – nicht nur durch Zuwanderungen, sondern auch durch Familiengründungen. Dabei nähert sich im Ergebnis einer vieljährigen Entwicklung das Geburtenverhalten ausländischer Frauen dem der deutschen mehr und mehr an. Allerdings gibt es nach wie vor deutliche Unterschiede in der Kinderzahl der verschiedenen Nationalitäten. In Baden-Württemberg lebende Griechinnen und Spanierinnen haben im Durchschnitt sogar weniger Kinder als deutsche Frauen. Die türkischen Frauen bringen heute im Durchschnitt ein Kind weniger zur Welt als zu Beginn der 90er-Jahre.

Jährliche Geborenenzahl von ausländischen Frauen seit 1990 relativ stabil

Die Entwicklung der Zahl an Lebendgeborenen, die ausländische Frauen im Lande jährlich zur Welt bringen, verläuft seit Beginn der 90er-Jahre mit kleineren Schwankungen um etwa 20 000 Kinder relativ stabil. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts wurden hier zwar kurzzeitig – vermutlich auch als Folge der in den unmittelbaren Vorjahren hohen Zuwanderungen – Geborenenzahlen von 23 000 bis 24 000 Kindern registriert, gegenwärtig hat sich diese Zahl jedoch wieder auf rund 20 000 Geborene eingependelt. Damit wurden beispielsweise 2007 etwa 22 % der im Lande geborenen Kinder von einer ausländischen Mutter zur Welt gebracht.1 Dieser Anteil lag nur Mitte der 70er-Jahre höher als heute.

Nach wie vor stellen die von türkischen Müttern im Lande geborenen Kinder den größten Anteil an allen von ausländischen Frauen Lebendgeborenen. Dieser Anteil lag 2007 bei rund 24 % und war damit aber nur noch gut halb so hoch wie 1990. Ebenfalls deutlich abgenommen haben die Anteile der von Italienerinnen und Griechinnen geborenen Kinder. Demgegenüber verzeichnen die Anteile der von Frauen aus dem heutigen Serbien geborenen Kinder in den jüngeren Jahren eine gewisse Stabilität, wenngleich die Zahl der jährlich von ihnen Geborenen seit Mitte der 90er-Jahre deutlich höher liegt als im Jahrzehnt davor. Insgesamt gesehen entfielen auf diese vier genannten Nationalitä­ten, die zusammen mit den Kroatinnen und Kroaten zu den am stärksten in Baden-Württemberg vertretenen gehören, im Jahre 2007 etwa 47 % aller von Ausländerinnen geborenen Kinder. Um 1990 lag dieser Anteil noch bei über 70 %. Dass seinerzeit auch Geborene von Frauen eingerechnet waren, die heute nicht mehr den jugoslawischen Pass, sondern einen kroatischen oder bosnischen besitzen, erklärt diesen starken Rückgang allein nicht. Vielmehr steht hier im Hintergrund, dass sich die Struktur der Ausländerinnen über die genannten Staatsangehörigkeiten hinaus weiter ausdifferenziert hat.

Veränderungen im Geburtenverhalten unverkennbar

Die Zahl der in Baden-Württemberg lebenden Ausländerinnen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren hat sich seit 1990 um fast 28 % erhöht. Ende 2007 waren es etwas mehr als 343 000 Frauen. Ihr generatives Verhalten hat sich in dieser Zeit bei den folgenden Merkmalen deutlich gewandelt:

  • starker Rückgang der Geburtenhäufigkeiten bei den unter 25-Jährigen
  • Anstieg des Durchschnittsalters verheirateter Ausländerinnen bei der Geburt eines ersten Kindes von 23,8 Jahren (1990) auf 28,8 Jahre (2007)
  • zunehmende Zahl von Geborenen nicht verheirateter Ausländerinnen
  • insgesamt gesehen Abnahme der Kinderzahl von durchschnittlich 2,1 Kindern je Frau (1990) auf 1,6 Kinder (2007).

Im Weiteren lässt sich vermuten, dass die spätere Familiengründung zumindest gegenwärtig dazu führt, dass ausländische Frauen und ihre Partner mehr als früher auf ein drittes oder weiteres Kind verzichten.2 Damit finden sich eine Reihe von Merkmalen, die einen Annäherungsprozess im Geburtenverhalten der Ausländerinnen an das der Deutschen anzeigen. Für diese Entwicklungen spielt sicherlich auch eine Rolle, dass in Baden-Württemberg mittlerweile rund 28 % der verheirateten Ausländerinnen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren einen deutschen Ehemann haben. 3 Gleichwohl besteht nach wie vor ein wesentlicher Unterschied im Geburtenverhalten. Während deutsche Frauen (und ihre Partner) die gesamte Familienbildungsphase auf ein späteres Alter verschoben haben – dies zeigen unter anderem die im Zeitablauf deutlich gestiegenen Geburtenhäufigkeiten bei den 30-Jährigen und Älteren –, ist dies bei den Ausländerinnen nicht der Fall.

Steigende Kinderzahl bei den Serbinnen, türkische Frauen bekommen weniger Kinder

Mit Blick auf die durchschnittliche Kinderzahl je Frau als zusammenfassendem Indikator für das Geburtenverhalten ergeben sich markante Unterschiede zwischen einzelnen Nationalitäten, was den Entwicklungstrend und die Höhe des Geburtenniveaus angeht. Unter den vier in Baden-Württemberg stark vertretenen Nationalitäten – Italien, Jugoslawien/Serbien, Griechenland und Türkei – sowie Spanien weisen nur die Frauen aus dem früheren Jugoslawien bzw. heutigen Serbien ein deutlich gestiegenes Geburtenniveau auf. Ihre durchschnittliche Kinderzahl hat sich seit 1990 (knapp 1,7 Kinder je Frau) bis 2007 um etwas mehr als die Hälfte auf gut 2,5 Kinder je Frau erhöht. Interessanterweise lag das Geburtenniveau der Mitte der 80er-Jahre im Lande lebenden Jugoslawinnen bei etwa 1,4 Kindern je Frau und signalisierte seinerzeit eine deutliche Anpassung an die Verhältnisse im Landesdurchschnitt. Ein Erklärungsansatz für die aktuelle Entwicklung könnte darin liegen, dass heute ein größerer Teil der Frauen mit serbischer Staatsbürgerschaft aus dem Kosovo stammt, das eine der höchsten Geburtenhäufigkeiten in Europa aufweist. 4

Während die im Lande lebenden Serbinnen damit bereits seit mehreren Jahren eine durchschnittliche Kinderzahl verzeichnen, die sogar über dem Niveau liegt, durch das ihr Bevölkerungsbestand ohne Zuwanderungen erhalten bliebe, ist bei den Türkinnen die gegenteilige Entwicklung zu beobachten. Brachten sie 1990 im Durchschnitt noch rund 3,1 Kinder je Frau in Baden-Württemberg zur Welt, so ist ihre durchschnittliche Kinderzahl bis 2007 auf rund 1,8 Kinder gesunken – ein Rückgang um etwa 40 %. Seit Beginn des laufenden Jahrzehnts liegt das Geburtenniveau der türkischen Frauen im Lande unterhalb der statistisch für die Erhaltung des Bevölkerungsstandes notwendigen 2,1 Kinder je Frau. Diese rückläufige Entwicklung vollzieht sich seit 1990 nahezu kontinuierlich und lässt daher vermuten, dass hier im Unterschied zu den 70er- und 80er-Jahren nunmehr ein tiefer greifender Annäherungsprozess an das Geburtenverhalten der Deutschen wirksam geworden ist. Hierfür ist auch von Bedeutung, dass von den heute im Lande lebenden Türkinnen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren rund 43 % in Deutschland geborenen wurden. Auf der anderen Seite haben lediglich 5 % aller verheirateten Türkinnen einen deutschen Ehemann – also deutlich weniger als der Durchschnitt der hier lebenden Ausländerinnen. 5

Griechinnen und Spanierinnen haben weniger Kinder als deutsche Frauen

Besonders niedrige Kinderzahlen weisen die Griechinnen, Spanierinnen und Italienerinnen in Baden-Württemberg auf. Dabei bringen die griechischen und spanischen Frauen bereits seit Beginn der 90er-Jahre im Durchschnitt weniger Kinder zur Welt als deutsche Frauen. 2007 lag ihre Kinderzahl mit jeweils durchschnittlich etwas mehr als einem Kind pro Frau deutlich unter dem Geburtenniveau der Deutschen mit 1,3 Kindern je Frau. Die Kinderzahl der Italienerinnen im Lande ist gegenwärtig mit durchschnittlich knapp 1,4 Kindern je Frau nur wenig höher als die der deutschen Frauen. Sie haben ihre Kinderzahlen hauptsächlich – um gut ein Fünftel – bereits in der ersten Hälfte der 90er-Jahre reduziert, während sich in den 80er-Jahren der Annäherungsprozess nur sehr allmählich vollzogen hatte. Seit 2002 hat sich das Geburtenniveau der Italienerinnen in Baden-Württemberg auf den heutigen Stand eingependelt.

Diese drei südeuropäischen Bevölkerungsgruppen gehören zu denjenigen, die mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 25 bis 26 Jahren am längsten in Deutschland bzw. in Baden-Württemberg leben. Sie hatten daher vielfach die Gelegenheit, soziokulturelle und -ökonomische Wertorientierungen der deutschen Bevölkerung kennen zu lernen und die eigenen Verhaltensweisen anzupassen. Mit Blick auf das Geburtenverhalten hat sich dieser Prozess bei den Griechinnen und Spanierinnen deutlich früher ausgewirkt als bei den Italienerinnen und den Türkinnen.

Kinderzahlen in den Herkunftsländern

Nahezu alle europäischen Gesellschaften haben in den letzten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts – mit einzelnen länderspezifischen Unterschieden – ein rückläufiges Geburtenniveau erlebt. In Frankreich sank die durchschnittliche Kinderzahl von knapp 2,5 Kindern je Frau (1970) auf 1,8 Kinder im Jahre 1999, in Schweden im selben Zeitraum von gut 1,9 Kindern je Frau auf 1,5 Kinder und in Deutschland von rund 2,0 auf knapp 1,4 Kinder je Frau. Besonders gravierend fiel der Rückgang in Südeuropa – in Italien, Spanien und Griechenland – aus. In Italien und Griechenland haben sich die Kinderzahlen fast halbiert (von etwas mehr als 2,4 bzw. 2,3 Kindern je Frau auf jeweils gut 1,2). Mit einer Abnahme von fast 60 % auf knapp 1,2 Kinder je Frau im Jahr 1999 erlebte Spanien einen besonders starken Rückgang des Geburtenniveaus. Hier brachte 1970 eine Frau im Durchschnitt gut 2,8 Kinder zur Welt.

Seit Beginn des neuen Jahrhunderts verzeichnen die meisten nord-, west- und südeuropäischen Länder einen moderaten Anstieg der Geburtenhäufigkeiten. In Deutschland und Baden-Württemberg ist diese Entwicklungsrichtung nicht erkennbar. Hier pendelt das Geburtenniveau um 1,35 Kinder je Frau und wurde 2006/07 von mehr als der Hälfte der EU-Länder (EU-27) übertroffen – leicht auch von Griechenland und Spanien.6 Bemerkenswerterweise liegt die durchschnittliche Kinderzahl der in Baden-Württemberg lebenden Griechinnen und Spanierinnen aber nicht nur niedriger als die der deutschen Frauen, sondern ebenfalls niedriger als in ihren Herkunftsländern. Bei den Griechinnen beträgt der Unterschied sogar rund ein Viertel. Nur kleine Unterschiede zwischen hier und dort bestehen bei den Italienerinnen und Kroatinnen.

Die durchschnittliche Kinderzahl der Frauen in der Türkei liegt heute mit fast 2,2 Kindern je Frau etwas höher als die der im Lande lebenden Türkinnen (etwas mehr als 1,8 Kinder). Im Zeitablauf seit 1990 lässt sich hier wie dort die gleiche Entwicklung beobachten. Während die Geburtenhäufigkeit in der Türkei von seinerzeit gut 3,6 Kindern je Frau um etwa 40 % bis heute zurückging, vollzog sich bei den in Baden-Württemberg lebenden Türkinnen eine parallele Entwicklung nahezu in gleichem Ausmaß.

Ausblick

Die seit 1990 deutlich gestiegene Zahl der im Lande lebenden Ausländerinnen hat dazu geführt, dass trotz merklich gesunkener Kinderzahl je Frau die Gesamtzahl der von ihnen pro Jahr geborenen Kinder in etwa stabil geblieben ist. Es stellt sich die Frage, welche Impulse für die Geburtenentwicklung in den kommenden Jahren von den ausländischen Frauen ausgehen können. Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass das Bild von den jungen ausländischen Familien mit vielen Kindern, insbesondere bei den hier stark vertretenen Nationalitäten, zum großen Teil längst der Vergangenheit angehört. Ausländische Frauen in Baden-Württemberg haben im Durchschnitt mit rund 1,6 Kindern je Frau zwar mehr Kinder als deutsche (1,3 Kinder je Frau), aber die Annäherung an das Geburtenverhalten der Deutschen ist im Zeitablauf unverkennbar.

Ende 2007 waren vor allem die Altersgruppen der 26- bis 37-jährigen Ausländerinnen stark besetzt. In diesen Bereich fällt ein Teil der Altersjahre mit den höchsten Geburtenhäufigkeiten, die sich insgesamt etwa vom 24. bis zum 32. Lebensjahr erstrecken. Diese zahlenmäßig starken Altersjahre wachsen in den kommenden 5 bis 6 Jahren mehr und mehr in den Altersbereich mit niedrigeren Geburtenhäufigkeiten hinein. Gleichzeitig rücken schwächer besetzte Altersjahrgänge nach. Damit ist zu erwarten, dass selbst bei nicht weiter sinkender Kinderzahl je Frau die Gesamtzahl der von Ausländerinnen zur Welt gebrachten Kinder in 5 bis 6 Jahren beginnt, deutlich zu sinken. Dann werden die heute stark besetzten Altersjahrgänge aus der Phase der Familiengründung und -erweiterung herausgewachsen sein. Diese Entwicklung würde früher eintreten, wenn auch die durchschnittlichen Kinderzahlen je Frau kontinuierlich weiter sinken. Sie würde abgemildert oder sogar herausgezögert werden, wenn die künftig über 32-jährigen Ausländerinnen möglicherweise vorher »aufgeschobene« Geburten dann »nachholen« würden.

1 Hierbei sind mit einem deutschen Mann verheiratete Ausländerinnen eingeschlossen. Die Staatsangehörigkeit des Kindes kann je nach Voraussetzungen der Eltern die deutsche oder eine ausländische sein.

2 Cornelius, Ivar: »Haben Ausländerinnen in Baden-Württemberg weniger Kinder als deutsche Frauen?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 09/2008«

3 Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 31. Dezember 2007.

4 Vgl. Lindemann, Utz: Entwicklung der Geburtenraten nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Stuttgart 1993 bis 2006, in: Statistisches Amt der Stadt Stuttgart; Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 9/2007, S. 257–258.

5 Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 31. Dezember 2007.

6 Vgl. Eurostat, Demografische Statistiken 2009