:: 10/2009

Neukonzeption der BIP-Quartalsrechnung für Baden-Württemberg abgeschlossen

Die quartalsweise Berechnung des Bruttoinlandsprodukts für Baden-Württemberg ist ein wesentlicher Bestandteil der Konjunkturberichterstattung des Statistischen Landesamts. War es bislang lediglich möglich, Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahresquartal zu berechnen, können durch die Einführung neuer Berechnungsmethoden nunmehr absolute BIP-Quartalswerte generiert werden. Hierdurch eröffnen sich differenziertere Blickwinkel auf die konjunkturelle Entwicklung. Die quartalsweisen Absolutwerte erlauben die Berechnung eines preisbereinigten Kettenindex, der wiederum die Basis für Saison- und/oder Kalenderbereinigungsverfahren ist und Vergleiche zum Vorquartal ermöglicht. Der methodische Ansatz gewährleistet dabei die Konsistenz mit den Jahresergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder und eine bessere Vergleichbarkeit mit den BIP-Quartalsergebnissen des Bundes. Nachdem die Berechnungsmethode in einem früheren Beitrag am Beispiel der Bruttowertschöpfung für das Verarbeitende Gewerbe dargestellt wurde,1 stellt der folgende Beitrag die Ergebnisse für die Gesamtwirtschaft Baden-Württembergs vor.

Aktuelle Wirtschaftskrise verdeutlicht die Notwendigkeit von Vorquartalsvergleichen

Die Notwendigkeit, die konjunkturelle Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, zeigte sich für Baden-Württemberg ungefähr seit der Jahresmitte 2008 besonders deutlich. Ging es zu diesem Zeitpunkt noch um die Frage, ob sich das Land in einer Rezession befindet, geht es aktuell eher darum, ob das Schlimmste bereits überwunden ist. In jedem Fall muss der Rückgriff auf Vorjahresveränderungsraten allein aufgrund des (zu) starken Vergangenheitsbezugs unbefriedigend bleiben. Mit der Ausgabe »Konjunktur Südwest 2009/2«, die Ende Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, konnten erstmals Quartalsergebnisse auf der Basis eines bis zum 1. Quartal 1996 zurückreichenden preisbereinigten Kettenindex errechnet werden. Dieser Kettenindex veranschaulicht in seiner unbereinigten Version die deutlich ausgeprägten saisonalen Muster der BIP-Entwicklung (insbesondere die Spitze im 4. Quartal und das Tal im darauf folgenden 1. Quartal). Vorjahresveränderungsraten beruhen üblicherweise auf diesen Originalwerten (und sind damit im Grunde implizit saisonbereinigt), während für Vorquartalsvergleiche saison- und/oder kalenderbereinigte Werte des Kettenindex herangezogen werden.2 Für die an der kurzfristigen Perspektive orientierte Konjunkturbeobachtung dürfte diese die aussagenkräftigere Zeitreihe sein.

Erhöhung der Aussagekraft durch methodische Verbesserungen

Die BIP-Quartalsrechnung für Baden-Württemberg ist eine indikatorgestützte Berechnung. Als geeignet sind solche Indikatoren anzusehen, die einen möglichst engen Zusammenhang zu den sektoralen Teilaggregaten des Bruttoinlandsprodukts, der Bruttowertschöpfung (BWS) nach Wirtschaftsbereichen, aufweisen und zumindest quartalsweise vorliegen.3 Die Grundidee des Verfahrens lässt sich folgendermaßen skizzieren: Wenn der Verlauf der jährlichen Indikatorzeitreihe (zum Beispiel der Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe) den jährlichen Verlauf der Zielvariablen (zum Beispiel der sektoralen BWS im Verarbeitenden Gewerbe) hinreichend gut abbildet, wird angenommen, dass dieser Gleichlauf auch für die (bekannte) quartalsweise vorliegende Indikatorzeitreihe und die (zu berechnende) vierteljährliche Zeitreihe der Zielvariable gilt. Dieser Zusammenhang wird ökonometrisch geschätzt und dazu verwendet, die Jahreswerte der Zielvariablen auf die Quartale zu verteilen.

Dieser Ansatz unterscheidet sich in der Herangehensweise in mehrfacher Hinsicht grundsätzlich von der hergebrachten Methode: Bislang wurde von der Indikatorentwicklung im Berichtsquartal auf die Veränderungsrate der Zielgröße geschlossen, korrigiert um die Differenz zwischen beiden Größen auf Bundesebene. Dadurch, dass das neue Verfahren für die Berechnung des Zusammenhangs längere Zeitreihen heranzieht, basiert die Schätzung auf einer breiteren Datenbasis. Des Weiteren verwendet die neue Methode für die Generierung der Quartalsreihen eine weitere Information, die bislang völlig unberücksichtigt blieb, nämlich den Zusammenhang zwischen jährlicher Zeitreihe der Indikatorgröße und jährlicher Zeitreihe der Zielgröße. Hieraus ergeben sich zwei Vorteile: Zunächst handelt es sich um einen weiteren Informationsgewinn, der den Gehalt der Ergebnisse nur steigern kann. Zum anderen hat die explizite Berücksichtigung der Jahreswerte (die auf die Quartale verteilt werden) den Vorteil, dass die sektorale und temporale Aggregationsrestriktion der Quartalsreihen stets erfüllt ist: Die Summe aller errechneten BWS-Branchenwerte in einem Quartal ergibt immer die BWS der Gesamtwirtschaft; ebenso addieren sich die BWS-Quartalswerte aller Wirtschaftszweige über die 4 Quartale eines Jahres zum Jahreswert – was nach der früheren Methode nur näherungsweise der Fall war und entsprechende Anpassungen erforderte, die notwendigerweise willkürlich waren. Das ökonometrische Verfahren zur temporalen Disaggregation von Zeitreihen löst damit mehrere Unzulänglichkeiten, die das bisherige Verfahren mit sich brachte.