:: 12/2009

Lehramtsstudierende in Baden-Württemberg

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung für den allgemeinbildenden Schuldienst in Baden-Württemberg seit Mitte der 70er-Jahre. Die Daten zur Lehrerinnen- und Lehrerausbildung werden in Verbindung gebracht mit der Entwicklung der Schülerinnen- und Schülerzahlen, die zwar nur einen, aber einen bedeutsamen Faktor unter mehreren in der Bedarfskalkulation für Lehrkräfte an Schulen bildet. Nach ähnlichen Verläufen der zahlenmäßigen Entwicklung der Lehramtsstudierenden- und Schülerinnen- und Schülerzahlen zeigen sich ab 1987/88 stark abweichende und gegenläufige Entwicklungslinien. Abnehmenden Schülerinnen- und Schülerzahlen stehen inzwischen tendenziell steigende Lehramtsstudierendenzahlen gegenüber.

Schon vor 10 Jahren hat der Anteil an weiblichen Lehramtsstudierenden die Zwei-Drittel-Marke überstiegen und liegt inzwischen bei 72 %. Die Beliebtheit des Lehramtsstudiums an Universitäten ist fortwährend hoch, während die Studierendenzahlen an den Pädagogischen Hochschulen in den letzten Jahren wieder zurückgehen.

Die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung in Baden-Württemberg

Lehrerinnen und Lehrer werden in Baden-Württemberg schulartspezifisch ausgebildet. Grund-, Realschullehrerinnen und -lehrer sowie Sonderschullehrerinnen und -lehrer studieren an den Pädagogischen Hochschulen des Landes, die es in dieser Form in keinem anderen Bundesland gibt. An den Universitäten des Landes werden solche Lehramtsstudiengänge angeboten, die für den Unterricht an Gymnasien und beruflichen Schulen qualifizieren. Eine Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge in der Lehramtsausbildung für allgemeinbildende Schulen hat in Baden-Württemberg bisher noch nicht stattgefunden und ist vorläufig auch nicht vorgesehen.

Das Studium für ein Lehramt an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg wird nach einem 6 bis 10 Semester langen Studium mit dem 1. Staatsexamen an der jeweiligen Hochschule abgeschlossen. Für die Lehrbefähigung ist zusätzlich ein 2. Staatsexamen erforderlich. Dieses wird im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung – dem in der Regel 18 Monate dauernden Vorbereitungsdienst oder »Referendariat« – in der zweiten Ausbildungsphase an einem staatlichen »Seminar für Didaktik und Lehrerbildung« bzw. an Pädagogischen Fachseminaren abgelegt.

In den vergangenen Jahren wurden in die erste Phase der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zunehmend fachpraktische Elemente eingefügt, da in früheren Jahren angehende Lehrerinnen und Lehrer vielfach erst im Vorbereitungsdienst mit konkreten Unterrichtssituationen konfrontiert waren. So wurde in den meisten Lehramtsstudiengängen vor Ablegung des 1. Staatsexamens ein halbjähriges Schul- und Unterrichtspraktikum eingeführt.

Lehramtsstudierende und Schüler

Die zahlenmäßige Entwicklung bei Lehramtsstudierenden korrespondiert seit Mitte der 70er-Jahre zunächst auffällig stark mit der Entwicklung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und privaten Schulen in Baden-Württemberg (Schaubild 1). Seit 1975 bis 1987/88 ist sowohl bei den Lehramtsstudierenden als auch bei den Schülerinnen und Schülern eine konstante Abnahme zu verzeichnen. Studierten im Studienjahr 1975/76 noch 41 351 junge Menschen »auf Lehramt«, so war es ein gutes Jahrzehnt später (1987/88) kaum noch ein Drittel davon (12 946). Erst gegen Anfang der 90er-Jahre nahmen die Schülerinnen- und Schülerzahlen allmählich zu, während bei den Lehramtsstudierenden ein starker Boom einsetzte, der recht unvermittelt 1997/98 wieder einbrach. Danach kam es zu einem weiteren starken Anstieg bei den Studierendenzahlen, der im Studienjahr 2006/07 mit 33 965 Lehramtsstudierenden seinen Höhepunkt erreicht hatte. Dieser Entwicklung standen anfangs stagnierende, zuletzt leicht zurückgehende Schülerinnen- und Schülerzahlen gegenüber. Seit dem Schuljahr 2006/2007 gingen die Lehramtsstudierendenzahlen erneut stark zurück auf zuletzt 31 375.

Ein Grund für die anfänglich gleichlaufende Entwicklung der Zahlen ist sicher, dass sinkende Schülerinnen- und Schülerzahlen auch sinkende Schulabsolventinnen- und -absolventenzahlen bedingen, aus denen sich wiederum die Lehramtsstudierenden rekrutieren. Die ursprünglich erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten infolge der an die Schulen strömenden geburtenstarken Kinderjahrgänge hatten in den 70er-Jahren noch zur Einstellung vieler junger Lehrkräfte geführt. Die nachfolgenden Lehramtsabsolventinnen und -absolventen fanden in den folgenden Jahren immer weniger freie Stellen. Dieser Umstand hatte ebenfalls starke Rückwirkungen auf die Anzahl der Lehramtsstudierenden. Als Ende der 80er-Jahre wieder ein Mangel an Lehrerinnen und Lehrern offenbar wurde, nahmen die Lehramtsstudierendenzahlen unverhältnismäßig stark zu – der gleichzeitige Anstieg der Schülerinnen- und Schülerzahlen fiel erheblich moderater aus.

In Reaktion auf diesen erneuten Ansturm auf die Lehramtsstudiengänge in den frühen 90er-Jahren wurden die Studienanfängerkapazitäten an den Hochschulen begrenzt und Auswahlverfahren eingeführt. Sie hatten einen kurzzeitigen Rückgang der Studierendenzahlen zur Folge, der diese wieder der proportionalen Entwicklung der Schülerinnen- und Schülerzahlen annäherte. Anschließend wich der Anstieg der Studierendenzahlen erneut beträchtlich von dem der Schülerinnen- und Schülerzahlen nach oben ab, obwohl im Jahr 2002 an den meisten Pädagogischen Hochschulen ein Numerus clausus eingeführt wurde. Nach dem bereits erwähnten vorläufigen Höhepunkt der Lehramtsstudierendenzahlen 2006/07, stellte sich danach wieder eine rückläufige Entwicklung ein.

Immer mehr Frauen wählen ein Lehramtsstudium

Der aktuelle Rückgang der Studierendenzahlen ist fast ausschließlich auf das Studienwahlverhalten weiblicher Studierender zurückzuführen. Von den insgesamt 31 375 Lehramtsstudierenden im Wintersemester 2008/09 waren 22 480 weiblich. Ihr Anteil betrug demnach fast 72 %. Vor 10 Jahren lag er noch bei 66 %. Die Anzahl der männlichen Lehramtsstudenten befindet sich seit mehreren Jahren auf fast gleichem Niveau (Schaubild 2).

Der Anteil weiblicher Lehramtsstudierender bewegt sich schon seit über 10 Jahren deutlich über 50 % (Schaubild 3). An den Universitäten und Kunsthochschulen hat der Frauenanteil bei Lehramtsstudierenden inzwischen 65 % erreicht. An den Pädagogischen Hochschulen ist er mit 78 % leicht rückläufig, nachdem er längere Jahre bei knapp über 80 % gelegen hat. 4 von 5 Studierenden, die in den kommenden Jahren an Pädagogischen Hochschulen ihr Examen machen werden, sind weiblich. Sie werden an den baden-württembergischen Grund-, Haupt- und Realschulen sowie Sonderschulen mittelfristig das Geschlechterverhältnis des Lehrkollegiums bestimmen. Im Jahr 2008 betrug der Anteil von Grundschullehrerinnen 86 % und der von Hauptschullehrerinnen knapp 80 %. An Realschulen unterrichteten zu 59 % Lehrerinnen und an den Gymnasien betrug der Frauenanteil im Kollegium 53 %.

Der Anteil an weiblichen Studierenden nimmt insbesondere in den gymnasialen Lehramtsstudiengängen an den Universitäten des Landes seit Jahren kontinuierlich zu. Auf Stellen an den Gymnasien – für die in Baden-Württemberg die Lehrbefähigung über ein Universitätsstudium und den darauf folgenden Vorbereitungsdienst erworben wird – werden sich in den kommenden Jahren noch ca. ein Drittel männlicher Lehramtsanwärter bewerben. Ihr Anteil dürfte aber angesichts des fast linear verlaufenden Anstiegs des Frauenanteils an den Lehramtsstudiengängen der Universitäten immer geringer werden.

Die Attraktivität des Lehramtsstudiums für Frauen besteht sicherlich vor allem in der guten Vereinbarkeit dieses Berufs mit der Familie. Lehrerinnen unterrichten vielfach zu den Zeiten in den Schulen, zu denen sich ihre Kinder auch in Kinderbetreuungseinrichtungen oder Schulen aufhalten. Sie können die Arbeit an Korrekturen der Schülerinnen- und Schülerarbeiten oder der Unterrichtsvorbereitung so frei einteilen, dass Zeit für die Betreuung und Unterstützung der eigenen Kinder bleibt. Die unterschiedlichsten Varianten der Teilzeitbeschäftigung im Schuldienst ergänzen und erweitern diese günstigen Bedingungen, deren Vorzüge Männer in diesem Umfang offenbar nicht für sich erkennen können.

Das gymnasiale Lehramt wird immer attraktiver

Zunehmend mehr Studierende entscheiden sich für ein gymnasiales Lehramtsstudium an den Universitäten. Wenn sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzt, betreiben bereits in wenigen Jahren gleich viele Studierende an Universitäten wie an den Pädagogischen Hochschulen ein Lehramtsstudium (Schaubild 4). Dies steht auch im Zusammenhang damit, dass immer mehr Grundschülerinnen und -schüler an Gymnasien wechseln, infolgedessen die Schülerinnen- und Schülerzahlen vor allem an Haupt- aber zukünftig auch an Realschulen rückläufig sind. Trotzdem steht zu erwarten, dass auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien längerfristig abnimmt.1

Weiterhin kann der Umstand, dass das Lehramtsstudium in Baden-Württemberg noch nicht in Bachelor- und Masterstudiengänge umgewandelt wurde, die Attraktivität der universitären Lehramtsstudiengänge erhöhen. Die Einführung der neuen Studienformen bedingt vielfach Unsicherheiten und Schwierigkeiten, denen durch die Wahl eines Lehramtsstudiums aus dem Weg gegangen werden kann.

Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz in Stralsund im März 2009 haben die bundesweite Anerkennung der Lehramtsausbildung an baden-württembergischen Pädagogischen Hochschulen erleichtert. Die Schwierigkeiten, die diese Anerkennung bisher mit sich bringen konnte, haben möglicherweise auch zur Attraktivität der gymnasialen Lehramtsausbildung an den Universitäten des Landes beigetragen.

Zukunftsperspektiven für Lehramtsstudierende

In der gegenwärtigen Diskussion werden unterschiedliche Szenarien für die Bedarfsprognose entwickelt. So ist einerseits von bundesweit drohender Unterversorgung infolge der bevorstehenden Pensionierung der Lehrerinnen und Lehrer, die in den 70er-Jahren Einstellung fanden, die Rede. Eine aktuelle Studie beschreibt die ungünstigste Entwicklungsvariante folgendermaßen: »In den kommenden Jahren verringert sich die Zahl der Lehrpersonen bis 2015 auf dann nur noch 61,3 % des Ausgangsbestandes im Jahr 2007 und dann bis 2020 auf gegenüber 2007 nur noch 40,9 %«.2 Für Baden-Württemberg wird dieses Szenario mit der Erwartung relativiert, dass der Mangel in dieser Schärfe im Südwesten nicht eintreten wird, weil unter anderem jetzt schon im Zuge der »Qualitätsoffensive Bildung« der Klassenteiler schrittweise von 30 auf 28 reduziert wird und in Zusammenhang damit bereits vor Eintreten einer Mangelsituation Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Gegenwärtig werden vor allem Mathematiklehrkräfte und solche in naturwissenschaftlichen Fächern gesucht.3

Der Bedarf wird sich sicher schulart- und fachspezifisch unterschiedlich entwickeln. An Grund- und Hauptschulen kann erwartet werden, dass er – trotz Pensions-Ersatzbedarf – wohl eher sinken wird, während der Bedarf an den Gymnasien noch einige Zeit stabil bleiben kann.4 An den Beruflichen Schulen hat sich in den vergangenen Jahren die Mangelsituation so verschärft, dass für die Aufnahme von Lehramtsstudiengängen, zum Beispiel zum Gewerbeschullehrer intensiv geworben wird.