:: 4/2010

Verkehrsflächen: Segen oder Fluch?

Er steht immer wieder auf der Tagesordnung umweltpolitischer Diskussionen: der Flächen- und Landschaftsverbrauch für Zwecke von Siedlung und Verkehr. Letzterer ist zwar, was die Fläche anbelangt, weniger bedeutend. Aber die mit den Verkehrswegen einhergehende Zerschneidung von Naturräumen kann mit als Ursache des Rückgangs von Tier- und Pflanzenarten gesehen werden. Grund genug, die Entwicklung der Verkehrsflächen einmal eingehender zu betrachten.

Der Nachweis von Verkehrsflächen im Kataster

Die Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung gibt Auskunft über die Flächennutzung und deren Veränderung. Sie beruht auf Daten aus dem Liegenschaftskataster, in dem sämtliche Flurstücke nach ihrer Lage, Art der Nutzung und Größe beschrieben sind. Kleinste Darstellungseinheit ist das Flurstück. Daraus folgert für die Flächenerhebung, dass beispielsweise ein Verkehrsweg, bestehend aus Gehwegen, zwei Richtungsfahrbahnen und einer Straßenbahntrasse, nach dem Schwerpunktprinzip regelmäßig als Straße eingestuft wird. Und zwar immer dann, wenn die Kommune Eigentümerin der gesamten Fläche ist und alle Verkehrsarten in einem Flurstück gebündelt sind. Handelt es sich aber um eine Bundesstraße, den Gleiskörper einer Eisenbahngesellschaft und um kommunale Gehwege, wird die gleiche Fläche bei jetzt drei Eigentümern im Kataster nicht mehr als ein Flurstück, sondern als mehrere Flurstücke geführt und somit unter den Nutzungsarten Straße, Weg, Bahngelände verbucht.

Zu beachten ist weiterhin, dass die Verkehrsflächen neben der eigentlichen Trasse noch Nebenflächen wie Mittelstreifen, Böschungen und dgl. umfassen. Das Kataster weist also hier, wie auch an anderen Stellen, gewisse Unschärfen auf, die die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse erschweren.1 Ganz allgemein gilt, dass die Beeinträchtigung der Genauigkeit der statistischen Ergebnisse mit zunehmender Aggregation der Daten (sachlich, räumlich, zeitlich) an Bedeutung verliert.

Flächenverbrauch: mehr als neue Straßen, Wohn- und Gewerbegebiete

Der Begriff »Flächenverbrauch« umschreibt die Umwidmung von ehemals naturnaher land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche zu siedlungsbezogener Nutzung. Entscheidende Kenngröße zur Quantifizierung des Flächenverbrauchs ist die »Siedlungs- und Verkehrsfläche«, die sich aus der Gebäude- und Freifläche, der Betriebsfläche (ohne Abbauland), der Erholungsfläche, der Verkehrsfläche und der Friedhofsfläche zusammensetzt. Ist am Ende einer Beobachtungsperiode die Siedlungs- und Verkehrsfläche einer Gemeinde, eines Kreises, einer Region, eines Bundeslandes größer als zu Beginn, drückt der Saldo den jeweiligen Flächenverbrauch aus.

Seitdem die Umstellung des Katasters vom Papierwerk auf das Automatisierte Liegenschaftsbuch (ALB) im Jahr 1996 weitestgehend abgeschlossen wurde und voll vergleichbare Zahlen vorliegen2, hat die Siedlungs- und Verkehrsfläche um 46 100 Hektar (ha) (10,2 %) zugenommen. Die größten Zuwachsraten im Zeitraum von 1997 bis 2008 verzeichnete die Gebäude- und Freifläche mit 13,0 % (30 700 ha), die Erholungsflächen wurden um 7 000 ha oder drei Zehntel ausgedehnt. Vergleichsweise moderat mit einem Plus von 4,0 % fiel dagegen die Zunahme der Verkehrsflächen ( + 7 500 ha) aus, wobei die im Kataster als Bahngelände (– 650 ha) und Flugplätze (– 500 ha) nachgewiesenen Flächen sogar rückläufig waren.

Bei der Bahn vollzieht sich seit Jahrzehnten ein Strukturwandel mit sehr unterschiedlichen Facetten und Auswirkungen auf die Flächenbilanz. Auf der einen Seite zieht sich die Bahn teilweise aus der Fläche zurück, werden unrentable Strecken und Betriebsanlagen stillgelegt und zurückgebaut, Gebäude verkauft. Auf den alten Trassen werden Radwege gebaut. Wo einst Güterbahnhöfe waren, stehen mancherorts heute Einkaufszentren oder Bürogebäude. Auf der anderen Seite werden Strecken – nicht nur von Museumseisenbahnern – reaktiviert und von privaten Eisenbahngesellschaften betrieben. Hinzu kommen neue Schnellbahntrassen und Containerbahnhöfe. In der Summe ergibt sich für die letzten 12 Jahre ein Minus von 650 ha, wobei die Masse (400 ha) im Ländlichen Raum verloren ging und dort wiederum fast die Hälfte (190 ha) in den Städten mit mehr als 15 000 Einwohnern.

Trotz des Ausbaus des Landesflughafens Stuttgart nahm im Zeitraum 1997 bis 2008 die »Luftfahrtfläche« um 500 ha ab. Ursache hierfür ist der nach der Wiedervereinigung eingeleitete militärische Truppenabbau, von dem im Land auch Fliegerhorste wie Bremgarten und Lahr betroffen waren. Die aufgelösten Militärflugplätze gingen an zivile Betreiber über. Teile der ehemaligen Militär-Liegenschaften, die nun nicht mehr für den Flugbetrieb benötigt werden, wurden anderweitig als Gewerbeparks oder Golfplätze genutzt, wodurch die Verkehrsfläche »Luftfahrt« insgesamt abnahm.

Mobilität hat ihren Preis

Es waren vor allem die Straßen mit 6 800 ha ( + 7,6 %) und – in wesentlich geringerem Umfang – Wege mit 1 300 ha ( + 1,7 %) bzw. Plätze 700 ha ( + 27.2 %), die ausgedehnt wurden und damit zum Flächenverbrauch beitrugen. Neue Wege wurden fast ausschließlich in den von der Landwirtschaft geprägten Gemeinden gebaut, kaum in den Verdichtungsräumen und Verdichtungsbereichen (zusammen nur 37 ha). Umgekehrt wurden vor allem in den Verdichtungsräumen mehr neue Straßen gebaut als im Ländlichen Raum.

Die Ursachen für die Zunahme der Straßen und Wege sind vielfältig. Ein Teil der neuen Straßen ist immer im Zusammenhang mit der Erschließung neuer Baugebiete zu sehen. In Einzelfällen handelt es sich um zusätzliche Fahrspuren bei Fernstraßen, den Bau neuer Autobahnabschnitte oder um Ortsumgehungen. Mit neuen Fernstraßen und Ortsumgehungen geht in der Regel der Bau von begleitenden Feldwegen bzw. im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren eine Neuordnung des Feldwegenetzes innerhalb der Feldlage einher.

Siedlungsaktivitäten prägen verdichtete Gebiete

Zum Stand 31. Dezember 2008 beziffert sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche auf 500 400 ha; das sind 14,0 % der gesamten Landesfläche (3,58 Mill. ha). Insgesamt 29 750 ha bzw. 5,9 % der Siedlungs- und Verkehrsfläche dienen der Erholung.3 Die gesamte Gebäude- und Freifläche kommt auf 268 200 ha. Das entspricht einem Anteil von 53,6 % an der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Bei 194 700 ha oder 38,9 % handelt es sich um Verkehrsflächen. Hierzu zählen insbesondere

Straßen95 600 ha,
Wege81 200 ha,
Plätze 3 400 ha,
Bahngelände11 500 ha und
Flugplätze 2 900 ha.

Die restliche Siedlungs- und Verkehrsfläche wird als Betriebsfläche (ohne Abbauland; 4 300 ha) bzw. Friedhöfe (3 500 ha) genutzt.

In den Verdichtungsräumen erreicht die Siedlungs- und Verkehrsfläche mit durchschnittlich 26 % Flächenanteil deutlich höhere Werte als in den Randzonen (15 %), den Verdichtungsbereichen im Ländlichen Raum (16 %) oder im Ländlichen Raum im engeren Sinne mit 10 %. Zugleich verändert sich die Zusammensetzung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in den einzelnen Raumkategorien. In den Verdichtungsräumen haben die Verkehrsflächen einen Anteil von rund 32 %, der in den Verdichtungsbereichen und den Randzonen auf 37 bzw. 38 %, im Ländlichen Raum im engeren Sinne sogar auf 45 % ansteigt. Die Masse der Verkehrsfläche im Land entfällt auf Straßen (49 %) und Wege (42 %). Das Verhältnis Straße zu Weg liegt in den Verdichtungsräumen etwa bei 2 zu 1, im Ländlichen Raum ist es fast ausgeglichen.

Was für den Verdichtungs- bzw. den Ländlichen Raum gilt, findet sich in etwa bei den Ergebnissen nach Gemeindegrößenklassen wieder. Mit der Einwohnerzahl nimmt die Absolutfläche »Verkehr« zu, wobei in kleinen Gemeinden der Anteil der Wege gegenüber den Straßenflächen überwiegt. In den größeren Gemeinden haben die Straßenflächen den höheren Anteil. Mit zunehmender Einwohnerzahl steigt auch die Fläche bei Bahngelände und Luftverkehr.

Flugplatz in jeder 9. Gemeinde

Luftschiff- und Flugzeugpioniere wie die Landeskinder Ferdinand Graf von Zeppelin, Ernst Heinkel, Wolf Hirth und Hanns Klemm haben in Baden-Württemberg ihre Spuren hinterlassen, sei es in Form der Fahrzeug-, Luft- und Raumfahrtindustrie oder nicht zuletzt in Form der Flugplätze. Die derzeit über 120 Flugplätze verteilen sich auf 133 Gemeinden des Landes und beanspruchen 2 940 ha Verkehrsfläche »Flugplatz«.4 Allein rund 1 500 ha und somit die Hälfte der Fläche entfallen dabei auf die Flughäfen Stuttgart, Karlsruhe/Baden-Baden, Friedrichshafen und den Frachtflughafen Schwarzwald-Airport in Lahr. Die restliche Fläche teilen sich 18 Verkehrs-, 37 Sonderlandeplätze und 62 Segelfluggelände.5 Die Plätze sind in etwa gleichmäßig über das Land verteilt. Lediglich im Schwarzwald gibt es fast keine Flugplätze, während sich am Albtrauf wegen der dort verbreitet vorkommenden Aufwinde gehäuft Segelflugplätze finden.

9 Frachthäfen für die Schifffahrt an Rhein, Main und Neckar

Per Schiff wurden 2008 in Baden-Württemberg 32 Mill. Tonnen Güter und damit etwas mehr als mit der Bahn (31 Mill. Tonnen) transportiert. Die meisten Güter werden aber mit dem Lkw auf der Straße (435 Mill. Tonnen) bewegt. Die Schiffsfracht wird an den Be- und Entladestellen entlang der Flüsse und in den 9 Frachthäfen Baden-Württembergs an Rhein (Mannheim, Karlsruhe, Kehl, Breisach, Weil am Rhein), Main (Wertheim) und Neckar (Heilbronn, Stuttgart, Plochingen) umgeschlagen. Bedeutung haben die Häfen vor allem für den Umschlag von Containern und Massengütern (Kies, Getreide, Öl). Ein weiteres Standbein sind Schwerlast- und Großraumtransporte, die per Schiff zum Teil einfacher zu bewerkstelligen sind als auf Straße oder Schiene. Spektakulär war hier vor einigen Jahren zum Beispiel der Transport des Überschallflugzeugs Concorde zum Auto- und Technikmuseum in Sinsheim, der teilweise per Schiff erfolgte. Darüber hinaus sind Fahrgastschiffe, Auto- und Personenfähren sowie Freizeitkapitäne auf den baden-württembergischen Flüssen und Seen unterwegs.

In der Flächenstatistik findet die Schifffahrt aber nur bedingt ihren Niederschlag. Ein Gewässerflurstück beinhaltet die Gewässerfläche an sich, des weiteren Uferböschungen, Leinpfade, Schleusen und Anlegestellen. Ein gesonderter Nachweis einzelner Flurstücksteile, insbesondere eventuell vorhandene Fahrrinnen erfolgt nicht. Somit können die 14 300 ha Fluss-, 5 800 ha See- und 1 300 ha Kanalflächen in Baden-Württemberg, obwohl teilweise schiffbar, nicht eindeutig mit dem Verkehr in Zusammenhang gebracht werden. Ausnahmen sind die Wasser bedeckten Hafenflächen, die als eigenständige Flurstücke außerhalb des Hauptstroms liegen und in Baden-Württemberg 520 ha umfassen. Im Wesentlichen liegen diese in den Städten mit Frachthafen. Unter der Rubrik Verkehrsfläche »Schiffsverkehr« sind mit 42 ha nur die landseitigen Flurstücke für Anlegestellen und Hafenanlagen aufgeführt, die ebenfalls als eigenständige Flurstücke vom Hauptstrom getrennt und somit nachweisbar sind.

Die Bahn: Topografie als größte Herausforderung

Das Eisenbahnwesen im Südwesten hatte schon in seinen Kindertagen mit etlichen Schwierigkeiten, verursacht durch die historische Kleinstaaterei (Streckenführung, Spurweiten, etc.), zu kämpfen. Damals wie heute stellt die Topografie die Eisenbahner vor große Herausforderungen und erfordert eine Vielzahl von Bauwerken wie Brücken und Tunnels. 11 500 ha Bahngelände gibt es im Land; das sind knapp 6 % der Verkehrsflächen im Südweststaat. Rund 54 % der Bahngelände befinden sich in den Verdichtungsbereichen und deren Randzonen, der Rest im Ländlichen Raum.

Neue Verkehrswege: Keine Frage des OB als vielmehr des WIE!

Verkehrswege sind die Lebensadern der Wirtschaft. Besondere »Adern« sind dabei Pipelines, durch die 2008 rund 15,2 Mill. Tonnen Rohöl gepumpt wurden. In der Flächenstatistik, die nur die Bodenfläche abbildet, werden diese unterirdischen Leitungen aber ebenso wenig berücksichtigt wie andere »Transportsysteme« (Wasser-, Abwasser-, Strom-, Telefon- und Datenleitungen).

Baden-Württemberg, mit seiner auf Export ausgerichteten Wirtschaft, ist in hohem Maße auf Transportmöglichkeiten und damit Verkehrswege angewiesen. Hinzu kommt die zentrale Lage in Europa und die sich daraus ableitenden Anforderungen an den Transitverkehr. Gütertransport ist ebenso zu berücksichtigen wie der Personenverkehr. Kurz und mittelfristig ist mit einem weiteren Ausbau der Verkehrswege zu rechnen. Teilweise umstritten wie Stuttgart 21, teilweise befürwortet, aber mit anderer Trassenführung wie Baden 21 (4-gleisiger Ausbau der Rheintalbahn) oder gefordert von den Anwohnern (Ortsumfahrungen), letztendlich aber immer auch abhängig von der Finanzierbarkeit.

1 Vgl. Betzholz, Thomas/Wöllper, Frank: »Das Liegenschaftskataster – Datenquelle der Flächenerhebung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2010«

2 Zu den Auswirkungen der Einführung des ALB auf die Ergebnisse der Flächenerhebung siehe: Wöllper, Frank/Betzholz, Thomas: Flächenerhebung im Umbruch, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 9/1998, S. 413–423.

3 Siehe hierzu: Wöllper, Frank: »Erholungsflächen auf Wachstumskurs«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2009«

4 Hubschrauberlandeplätze zählen häufig nicht zur Verkehrsfläche Flugplatz. Diese finden sich insbesondere bei Kliniken und sind dann Teil der Gebäude- und Freifläche Öffentliche Zwecke (Stichworte: gleiches Flurstück, Schwerpunktprinzip).

5 Segelfluggelände: Zugelassen sind Segelflugzeuge und Motorsegler. Sonderlandeplatz: Zusätzlich sind Motorflugzeuge zugelassen. Verkehrslandeplatz: Betriebspflicht während festgelegter, veröffentlichter Verkehrszeiten. Flughafen: Regelmäßiger kommerzieller Flugverkehr, ausgewiesener Bauschutzbereich.