:: 9/2010

Entwicklung und Altersstruktur der Bevölkerung in Baden-Württemberg nach Raumkategorien

Der Landesentwicklungsplan 2002 für Baden-Württemberg definiert zur Berücksichtigung der besonderen raumordnerischen Erfordernisse unter siedlungsstrukturellen Gesichtspunkten vier Raumkategorien. Es sind die Verdichtungsräume mit hoher Bevölkerungsdichte und intensiver innerer Verflechtung, die an die Verdichtungsräume als Randzonen angrenzenden Räume, die stärker verdichteten Bereiche im ländlichen Raum (Stadt-Umland-Bereiche) und der Ländliche Raum im engeren Sinn (i.e.S.), mit einer unterdurchschnittlichen Siedlungsdichte. Alle vier Raumkategorien sollen der Zielsetzung entsprechend an der Entwicklung teilhaben. Die Bevölkerungsentwicklung spielt für die räumliche Planung eine zentrale Rolle. Im Weiteren soll daher die Bevölkerungsentwicklung nach den Raumkategorien untersucht werden.

Keine merklichen Strukturverschiebungen bei der Verteilung der Bevölkerung auf die Raumkategorien

Von 1990 an bis zum Jahr 2000 wuchs die Bevölkerung in Baden-Württemberg insgesamt um 7,2 %. Im Jahr 2000 lebten rund 10,5 Mill. Menschen im Land. Nach der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2008 nahm die Bevölkerungszahl um weitere 2,1 % auf 10,7 Mill. zu. Annähernd 51 % der Bevölkerung leben in den Verdichtungsräumen und etwa 15 % in den zugehörigen Randzonen. Rund 34 % sind im Ländlichen Raum angesiedelt (knapp 3,7 Mill.), und zwar ganz überwiegend im Ländlichen Raum i.e.S. Gut ein Viertel der Landesbevölkerung lebt in dieser Raumkategorie. Diese Bevölkerungsverteilung auf die Raumkategorien galt schon 1990 und wird voraussichtlich auch in Zukunft gelten. Es sind also keine merklichen Strukturverschiebungen in Bezug auf die Bevölkerung nach Raumkategorien messbar. Das jahrzehntelange Bevölkerungswachstum des Landes neigt sich jedoch dem Ende zu und die Bevölkerungsdichte wird insbesondere im Ländlichen Raum abnehmen. Bis zum Jahr 2030 wird die Bevölkerung des Landes voraussichtlich um 3,5 % zurückgehen und mit knapp 10,4 Mill. in etwa auf dem Niveau Mitte der 90er-Jahre sein.

In den 90er-Jahren profitierten die Randzonen um Verdichtungsräume …

Eine Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung zwischen 1990 und 2000 nach den Raumkategorien zeigt, dass sich das Bevölkerungswachstum stärker von den Verdichtungsräumen weg verlagerte. Die Randzonen um die Verdichtungsräume profitierten am stärksten vom Bevölkerungswachstum. Der Bevölkerungszuwachs lag hier bei 10,1 %. Die Verdichtungsräume selbst wiesen mit einem Plus von 5 % eine unterdurchschnittliche, aber wie alle Räume positive Bevölkerungsentwicklung auf. Der Ländliche Raum gewann mit 9,2 % überdurchschnittlich an Bevölkerung hinzu. Auch hier gilt, dass die Verdichtungsbereiche des ländlichen Raums mit 7,9 % hinter dem Ländlichen Raum insgesamt zurückstanden. Diese Zahlen können vor allem auf eine Fortsetzung der Suburbanisierungsprozesse (Abwanderung aus der Stadt in das Umland) aus den 80er-Jahren sowie die hohe Nettozuwanderung zu Beginn der 90er-Jahre zurückgeführt werden.

… danach die Verdichtungsräume

Bereits ab Mitte der 90er-Jahre normalisierten sich die Wanderungsgewinne. Die Bevölkerungsentwicklung verlor insgesamt an Dynamik und im aktuellen Jahrtausend sind sukzessive abnehmende Wanderungsgewinne zu beobachten. Zudem ist inzwischen eine gegenüber dem vorherigen Jahrzehnt stärkere Position der verdichteten Räume im Wanderungsgeschehen messbar. Zwar wiesen alle Räume zwischen 2000 und 2008 noch Bevölkerungszuwächse auf, der Ländliche Raum hatte aber mit 1 % einen unterdurchschnittlichen Gewinn. Dabei schnitt nach wie vor der Ländliche Raum i.e.S. (+ 1,1 %) etwas besser ab als die Verdichtungsbereiche des ländlichen Raums (+ 0,6 %). Die höchste Bevölkerungszunahme hatten aber die Verdichtungsräume mit 2,9 %. Die Verdichtungsräume zeigten sich insofern auch gegenüber ihren Randzonen gestärkt, denn in den Randzonen fiel die Bevölkerungszunahme mit 2,4 % etwas geringer aus.

Für die Zukunft kann mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung gerechnet werden, allerdings in noch etwas schwächerem Umfang. Auf der Basis der jüngsten regionalen Bevölkerungsvorausrechnung bis zum Jahr 2030 ist mit einem leicht überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgang im Ländlichen Raum zu rechnen. Der Ländliche Raum insgesamt wird voraussichtlich 3,9 % der heutigen Bevölkerung verlieren. Der baden-württembergische Landesdurchschnitt liegt bei einem Minus von 3,5 %. In den Verdichtungsbereichen des Ländlichen Raums würden 2030 etwa 4,3 % weniger Menschen leben als dies heute der Fall ist. Der Ländliche Raum i.e.S. hätte dann eine um rund 3,8 % niedrigere Einwohnerzahl. Etwas unterdurchschnittlich würde aus heutiger Sicht mit – 3,3 % und – 3,1 % der Bevölkerungsrückgang in den Verdichtungsräumen und deren Randzonen verlaufen.1

Der Ländliche Raum verlor am stärksten junge Bevölkerung …

Von 1990 bis 2000 gewannen die Randzonen um die Verdichtungsbereiche und der Ländliche Raum i.e.S. mit 12 % und 11 % überdurchschnittlich an junger Bevölkerung unter 20 Jahren. Dies hängt vermutlich mit der damaligen Wanderung insbesondere von Familien in das Umland zusammen. Ab der Jahrtausendwende sieht dies aber anders aus. Der Anteil der jungen Bevölkerung an der Bevölkerung insgesamt nimmt im ganzen Land ab. Bereits seit dem Jahr 2000 leben in Baden-Württemberg mehr Menschen im Alter ab 60 Jahre als unter 20.

Die inzwischen stärkere Stellung der Zentren im Wanderungsgeschehen, die insbesondere von einer Berufsstarter- und Ausbildungsplatzwanderung geprägt ist, führt dazu, dass die Verdichtungsräume bis zum Jahr 2008 einen mit – 3 % vergleichsweise geringen Rückgang an junger Bevölkerung aufwiesen. Zum Vergleich: Der Ländliche Raum i.e.S. verzeichnete einen Rückgang von 9 % in dieser Altersgruppe.

… und wird auch in Zukunft junge Bevölkerung verlieren

Aus heutiger Sicht wird sich diese Entwicklung voraussichtlich noch verstärken, denn bis zum Jahr 2030 ist mit einem Rückgang der jungen Bevölkerung unter 20 Jahren im Ländlichen Raum i.e.S. um fast ein Viertel zu rechnen. Der Landesdurchschnitt liegt bei –19 %. Ebenfalls überdurchschnittlich fällt voraussichtlich der Rückgang in den Randzonen um die Verdichtungsräume aus (– 22 %). Dagegen werden die Verdichtungsräume selbst »nur« rund 15 % weniger Menschen unter 20 Jahren haben als heute.

Entsprechend wird sich der Anteil der jungen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Raumkategorien etwas stärker oder geringer verschieben. Der Bevölkerungsanteil der unter 20-Jährigen wird aus heutiger Sicht landesweit von gut 20 % auf 17 % absinken. In den Verdichtungsräumen ist eine Verringerung des Anteils von 19 % auf knapp 17 % absehbar. Dagegen muss für den Ländlichen Raum i.e.S. mit einem Rückgang um gut 4 Prozentpunkte, von 22 % auf 18 %, gerechnet werden. Der Unterschied zwischen den Räumen wird also weniger im Vergleich zum Landesdurchschnitt sichtbar, als beim Vergleich der Extremwerte der Räume. Die Räume mit heute vergleichsweise höheren Anteilen an junger Bevölkerung, dazu gehören auch die Randzonen um die Verdichtungsräume, werden voraussichtlich stärkere Rückgänge hinzunehmen haben. Überdurchschnittlich viele junge Menschen werden in diesen Räumen in höhere Altersgruppen hineinwachsen, ohne dass dies durch Geburten oder Wanderungen ausgeglichen werden könnte.

Die Erwerbsbevölkerung nimmt in den Umlandbereichen etwas stärker ab

Der Anteil der Erwerbsbevölkerung, das ist altersmäßig gesehen die Bevölkerung ab 20 bis unter 60 Jahre, an der Gesamtbevölkerung lag 1990 bei 59 %. Im Jahr 2000 waren es noch 55 %. Seitdem blieb der Anteil in etwa stabil. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen aber noch einmal deutlich zurückgehen und nur noch ein Gewicht von 49 % haben.

Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 verloren die Verdichtungsräume leicht an Erwerbsbevölkerung (– 1 %). Alle anderen Räume gewannen hinzu, besonders der Ländliche Raum i.e.S, der mit einem Zuwachs von 3,8 % deutlich über dem Landesdurchschnitt von + 1 % lag. Ebenfalls haben in diesem Zeitfenster die Randzonen um die Verdichtungsräume hinsichtlich der Altersgruppe 20 bis unter 60 Jahre profitiert. Der Suburbanisierungsprozess hat seinen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet. Die Gründe dafür, dass sich Haushalte und Familien stärker im Umland und dem Ländlichen Raum i.e.S. angesiedelt haben, waren nicht zuletzt auch der in den Zentren knappe, hochpreisige Baugrund und das insgesamt relativ teure Wohnen. Die Verwirklichung der Wohnwünsche war eher im Umland möglich und Pendelbeziehungen zum Arbeitsplatz wurden in Kauf genommen.

Auch zwischen 2000 und 2008 waren es die Randzonen um die Verdichtungsräume und der Ländliche Raum i.e.S., die die stärksten Zuwächse hatten. Insgesamt haben sich die Zuwachsraten der Erwerbsbevölkerung in den Räumen aber angeglichen. Vor allem gewannen auch die Verdichtungsräume nun etwas Erwerbsbevölkerung hinzu (+ 2 %). Dies begründet sich aber allein durch den Zuwachs an älterer Erwerbsbevölkerung, das heißt durch die Altersgruppe 40 bis unter 60 Jahren. In der Gruppe der 20- bis unter 40-Jährigen war, besonders im hier betrachteten Zeitfenster zwischen 2000 und 2008, schon ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen. Ganz besonders wieder in den Randzonen um die Verdichtungsräume (– 15 %) und dem Ländlichen Raum i.e.S. (– 16 %). Die stark besetzten Geburtsjahrgänge aus den 60er-Jahren wuchsen in dieser Zeit über die Altersgrenze 40 und weniger stark besetzte Jahrgänge rückten nach.

Auch in Zukunft ist für die Altersgruppen unter 40 Jahren kein Bevölkerungszugewinn zu erwarten. Aber nun werden die Räume, die heute eine vergleichsweise junge Bevölkerung und höhere Anteile an Erwerbsbevölkerung aufweisen, auch etwas stärker verlieren. Die Randzonen um die Verdichtungsräume und der Ländliche Raum i.e.S. werden voraussichtlich 16 % weniger Erwerbsbevölkerung haben als heute. Die Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum bewegen sich beim Landesdurchschnitt von – 15 %. Etwas unterdurchschnittlich wird aus heutiger Sicht der Verlust an Erwerbsbevölkerung in den Verdichtungsräumen ausfallen.

Besonders starke Zunahme der Hochbetagten in den Randzonen um die Verdichtungsräume

In einem gegenläufigen Prozess nahmen die Bevölkerungszahlen der höheren Altersgruppen schon seit längerer Zeit zu. Dies machte sich in der Zeit zwischen 1990 und 2000 am stärksten in den Randzonen um die Verdichtungsräumen bemerkbar. Landesweit legte die Bevölkerungsgruppe im Alter von 60 bis unter 85 Jahren um 21 % zu, und die Bevölkerung ab 85 Jahren wuchs um 52 %. Für die Randzonen galten Zuwachsraten von 27 und 60 %. Demgegenüber lagen die Veränderungsraten im Ländlichen Raum deutlich niedriger. Den geringsten Zuwachs in der Altersgruppe 60 bis unter 85 Jahre verzeichnete der Verdichtungsbereich im Ländlichen Raum mit + 21 %. In der Altersgruppe ab 85 Jahre fiel der Zuwachs im Ländlichen Raum i.e.S. am geringsten aus (+ 49 %). Für die Periode ab dem Jahrtausendwechsel setzte sich der Alterungsprozess entsprechend fort. Der Zuwachs der Bevölkerung in den höheren Altersgruppen fiel wieder in den Randzonen der Verdichtungsräume am stärksten aus.

Die Zukunft wird davon geprägt sein, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er-Jahren sich in der Altersgruppe ab 60 bis unter 85 Jahren wiederfinden und ihr ein entsprechendes Gewicht verleihen. Circa 30 % der Bevölkerung werden im Jahr 2030 dieser Altersgruppe angehören. Wieder gilt, dass die Randzonen um die Verdichtungsräume (+ 37 %) und der ländliche Raum i.e.S. (+ 39 %) die stärksten Zuwächse haben. Die Bevölkerungen in den Verdichtungsräumen und Verdichtungsbereichen im Ländlichen Raum werden dagegen unterdurchschnittlich in der Altersgruppe zwischen 60 und 85 Jahren zulegen.

Entsprechende Entwicklungsstrukturen zwischen den Raumkategorien gelten auch für die Hochbetagten (Bevölkerung ab 85 Jahren). Die Randzonen um die Verdichtungsräume müssen bis 2030 mit einer Verdopplung der Zahl der Hochbetagten rechnen (+ 109 %). Ein solcher Zuwachs wird von keiner der anderen Raumkategorien erreicht. Aber die Altersgruppe der Hochbetagten gewinnt auch in allen anderen Räumen kräftig an Bedeutung. Der ländliche Raum i.e.S. folgt mit einer Zuwachsrate von 92 % und die beiden verbleibenden Räume werden etwa drei Viertel mehr hochbetagte Bürger haben als heute.

Fazit

Die Räume, die heute noch eine relativ junge Bevölkerung aufweisen und die von den Suburbanisierungsprozessen und der Nettozuwanderung in der Vergangenheit stärker profitiert haben, werden in Zukunft etwas stärker vom Bevölkerungsrückgang betroffen sein. Es sind die Randzonen um die Verdichtungsräume und das Umfeld der Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum, der Ländliche Raum i.e.S. Diese beiden Räume werden aus heutiger Sicht insbesondere einem stärkeren Rückgang der jungen Bevölkerung unter 20 Jahren ausgesetzt sein als die Verdichtungsräume und die Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum und auch etwas stärker an Erwerbsbevölkerung verlieren. Besonders gravierend zeigen sich jedoch, ebenfalls als Konsequenz der vergangenen Entwicklung, die Zuwachsraten der älteren Bevölkerung. Die Randzonen um die Verdichtungsräume aber auch der Ländliche Raum i.e.S. werden voraussichtlich die Alterung der Bevölkerung besonders stark spüren.