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Zur Prognose des Bruttoinlandsprodukts in Baden-Württemberg – Machbarkeit und Treffsicherheit?

Im Allgemeinen sind Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung auf der Ebene der deutschen Bundesländer sowohl in Praxis als auch Wissenschaft selten vorzufinden. Ein wesentlicher Faktor spielt dabei die Datenverfügbarkeit und -frequenz. Nicht zuletzt liegen auch potentiell weniger geeignete Indikatoren für die Prognose vor. Der vorliegende Artikel nimmt sich dieser Probleme an und demonstriert für Baden-Württemberg, inwieweit Vorhersagen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) möglich sind. Grundlage dafür sind Daten zum vierteljährlichen BIP in Baden-Württemberg sowie internationale, nationale und regionale Indikatoren. Neben einfachen Modellprognosen werden auch verschiedene Kombinationsansätze verwendet. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Prognose möglich ist und gegenüber einfachen Benchmark-Modellen deutlich verbessert werden kann.

Ist die Prognose regionaler Größen überhaupt notwendig?

Regionalpolitische Akteure (beispielsweise auf der Ebene der Bundesländer) benötigen treffsichere Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung. Insbesondere für die zukünftige Ausgestaltung der Fiskalpolitik oder aufgrund drohender ökonomischer Krisenzeiten zur Einleitung wirtschaftspolitischer Gegenmaßnahmen sind verlässliche Vorhersagen zwingend notwendig. Auf der Ebene der deutschen Bundesländer werden makroökonomische Prognosen (zum Beispiel die Vorhersage des realen Bruttoinlandsprodukts), im Gegensatz zu Deutschland insgesamt, nur von sehr wenigen Institutionen angeboten.1

Des Öfteren wird argumentiert, dass eine Annäherung mit nationalen Vorhersagen (hier: Deutschland) möglich ist. Für dieses Vorgehen müssen aber zwei wesentliche Voraussetzungen vorliegen. Erstens ist die Synchronität zwischen den länderspezifischen Konjunkturzyklen und dem Gesamtdeutschen zwingende Notwendigkeit für solch eine Approximation. Zweitens verlangt die Annäherung mit Werten für ganz Deutschland homogene Wirtschaftsstrukturen zwischen den regionalen Einheiten. Mit der zweiten Voraussetzung ist sichergestellt, das externe Schocks wie beispielsweise die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/2009 die Volkswirtschaften der einzelnen Bundesländer mit der gleichen Intensität treffen.

Ein genauerer Blick in die deutschen Bundesländer offenbart jedoch, dass keine der beiden Aussagen zutreffend ist. Schirwitz et al.2 konnten zeigen, dass nur zwischen bestimmten Ländergruppen Deckungsgleichheit der regionalen Konjunkturzyklen vorliegt. Für die zweite Voraussetzung können die Wachstumsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Jahres 2009 herangezogen werden. Es wird deutlich, dass die einzelnen deutschen Bundesländer in erheblich unterschiedlichem Maße von der Krise betroffen waren.

Während in einem stark von Dienstleistungen geprägten Bundesland wie Berlin lediglich ein Rückgang des BIP von −0,4 % zu beobachten war, schrumpfte die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg (starke Verflechtung mit dem Ausland sowie hoher Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Bruttowertschöpfung) um −9,5 %. Offensichtlich scheint die Approximation mit der gesamtdeutschen Wachstumsrate (−5,1 %) nicht für die Prognose einzelner Bundesländer geeignet zu sein.

Erschwerend für die Vorhersage regionaler gesamtwirtschaftlicher Größen ist die Datensituation sowie -frequenz auf der Ebene der deutschen Bundesländer. Zum einen fehlen statistische Angaben (zum Beispiel die Industrieproduktion auf Monatsbasis) gänzlich oder werden von den Statistischen Ämtern nicht veröffentlicht. Zum anderen liegen diese teilweise nur auf Jahresbasis vor (zum Beispiel das BIP). Genau solche Angaben sind aber entscheidend für die treffsichere Vorhersage der zukünftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Insbesondere für die Abschätzung in welcher Phase des Konjunkturzyklus sich eine Volkswirtschaft aktuell befindet, sind unterjährige und zeitnahe Informationen notwendig.

In der wissenschaftlichen Literatur liegen bis dato nur wenige Arbeiten vor, die sich in systematischer Weise mit der Vorhersage regionaler makroökonomischer Größen beschäftigen. Die Studie von Kholodilin et al.3 beispielsweise nutzt die jährlichen Angaben zum BIP für alle 16 Bundesländer und prognostiziert diese unter Zuhilfenahme regionaler Abhängigkeiten. Einzelne Bundesländer (Hamburg, Berlin und Baden-Württemberg) sind Gegenstand der Untersuchungen von Bandholz und Funke4, Dreger und Kholodilin5 sowie Vullhorst.6 Für den Freistaat Sachsen existieren Studien von Vogt7 sowie Lehmann und Wohlrabe8, wobei sich Letztere von den zuvor genannten Analysen in mehreren Dingen unterscheidet. Erstens stehen Ostdeutschland (ohne Berlin) und der Freistaat Sachsen im Fokus der Betrachtung. Zweitens liegt dem Artikel methodisch ein breiteres Spektrum zugrunde. Und drittens verwendet der Aufsatz eine Vielzahl von Indikatoren, die zur Vorhersage vierteljährlicher Wachstumsraten des BIP verwendet werden.

In diesem Artikel werden Ergebnisse aus dem Aufsatz von Lehmann und Wohlrabe9 für das Bundesland Baden-Württemberg präsentiert und den nachfolgenden drei Fragestellungen nachgegangen. Erstens wird untersucht, ob treffsichere Prognosen auf der regionalen Ebene (hier: Baden-Württemberg) möglich sind. Aufbauend darauf wird zweitens die Güte von internationalen, nationalen und regionalen Indikatoren evaluiert. Internationale Indikatoren werden deshalb in die Analyse mit einbezogen, da auch kleine regionale Volkswirtschaften über Außenhandelsbeziehungen von Schocks (positiver sowie negativer Art) in großen Ökonomien (zum Beispiel USA oder China) betroffen sind. Indikatoren auf gesamtdeutscher Ebene sind für die Analyse ebenso bedeutend, da Firmen innerhalb Deutschlands in verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette miteinander verflochten sind (zum Beispiel Vorleistungsgüter). Eine weitere wichtige Informationsquelle sind regionale Indikatoren, da diese das regionale Wirtschaftsgeschehen wahrscheinlich am besten abbilden können. Drittens widmet sich der Artikel der Fragestellung, ob sogenannte Pooling-Ansätze oder Kombinationsstrategien10 das Prognoseergebnis verbessern.

Im nächsten Abschnitt werden die Daten präsentiert, bevor der empirische Ansatz dieser Studie beschrieben ist. Anschließend werden die Ergebnisse diskutiert. Der Artikel schließt mit einem Fazit.

Datengrundlagen

Wie bereits erwähnt, stellt die Amtliche Statistik in Deutschland keine unterjährigen Informationen (Quartale) für das Bruttoinlandsprodukt auf der Ebene der Bundesländer zur Verfügung. Lediglich Jahresdaten sind abrufbar. Der vorliegende Artikel nutzt aber bis dato kaum beachtete Datenquellen, die unterjährige Aggregate des BIP bereitstellen. Nach aktuellem Kenntnisstand liegen ausschließlich vierteljährliche BIP-Daten für den Freistaat Sachsen, Baden-Württemberg und die ostdeutschen Flächenländer vor. Nachfolgend werden die Ergebnisse für Baden-Württemberg vorgestellt; detailliertere Resultate für Baden-Württemberg finden sich in Lehmann und Wohlrabe.11

Als zu prognostizierende Variable wird das Bruttoinlandsprodukt gewählt. Die vierteljährlichen Daten für Baden-Württemberg werden vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in regelmäßigen Veröffentlichungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und sind auf Nachfrage erhältlich.

Grundlage für die Berechnung unterjähriger Aggregate bildet das Verfahren zur temporalen Disaggregation nach Chow und Lin.12 Mit dieser Methode werden höherfrequente Reihen (Jahresdaten) mithilfe unterjährig zur Verfügung gestellter Indikatoren der Amtlichen Statistik in niederfrequente Daten (Quartalsangaben) umgewandelt (hier und im Folgenden Nierhaus13 sowie Vullhorst14). Die Umwandlung erfolgt dabei mit einer stabilen Regressionsbeziehung zwischen den Indikatoren und der Referenzzeitreihe, die sowohl einer zeitlichen als auch einer Aggregationsrestriktion genügen muss. Das heißt, dass zum einen der Durchschnitt der 4 Quartale dem Jahreswert (zeitliche Restriktion) entsprechen muss. Zum anderen muss sich die Summe der Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche zur gesamten Bruttowertschöpfung ergeben (Aggregatsrestriktion).

Im vorliegenden Artikel werden die Daten des vierteljährlichen, preis- sowie saisonbereinigten BIP für Baden-Württemberg für den Zeitraum vom 1. Quartal 1996 bis zum 4. Quartal 2010 verwendet. Schaubild 2 zeigt den Verlauf des BIP in Baden-Württemberg für die Jahre 2006 bis 2010.

Auf der linken Skala sind die preisbereinigten Kettenindizes abgetragen, normiert auf das Jahr 2000. Die rechte Skala verdeutlicht die Wachstumsraten zum Vorquartal, welche aus den preis- und saisonbereinigten15 Kettenindizes errechnet wurden. Nach dem steilen Anstieg der wirtschaftlichen Leistung in Baden-Württemberg zu Beginn des Betrachtungszeitraums, erfuhr die dortige Wirtschaftsleistung einen erheblichen Dämpfer im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise. Mit dem 2. Quartal 2008 fiel das preisbereinigte BIP vier Mal in Folge und erreichte den Tiefpunkt im 2. Quartal 2009. Damit sank die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg auf das Niveau des 3. Quartals 2005. Bis einschließlich Ende 2010 ist aber ein rasanter Aufholprozess der Wirtschaft in Baden-Württemberg zu beobachten.

Zur Prognose des BIP in Baden-Württemberg dienen 286 verschiedene Indikatoren, welche in sieben Kategorien zusammengefasst sind:16

  • Makroökonomische Indikatoren (94): Diese Kategorie umfasst Indikatoren auf deutscher Ebene wie beispielsweise Industrieproduktion, Umsätze nach Wirtschaftsbereichen, Auftragseingänge, Daten zur Beschäftigung sowie zum Außenhandel.
  • Finanzindikatoren (31): In dieser Gruppe finden sich Informationen zu Zinssätzen und Wechselkurse, gemessen auf gesamtdeutscher Ebene.
  • Preise (12): Die dritte Kategorie umfasst deutsche Angaben zu Konsumenten- und Produzentenpreisen sowie Import- und Exportpreise.
  • Löhne (4)
  • Befragungsdaten (74): Für Deutschland insgesamt werden in dieser Kategorie Befragungsdaten unterschiedlicher Institutionen zusammengefasst. Sowohl die Konsumentenbefragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) als auch die Unternehmensbefragungen des ifo Instituts und der Europäischen Union sind in dieser Gruppe enthalten. Ergänzt werden die Informationen durch die Expertenbefragung des Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) und den Early Bird der Commerzbank AG.
  • Internationale Indikatoren (32): In dieser Kategorie finden sich Indikatoren aus den fünf zuvor genannten Gruppen. Sie beinhalten unter anderem die Industrieproduktion der USA, Stimmungsindikatoren für verschiedene europäische Staaten (Economic Sentiment Indicator der EU für Frankreich, Spanien etc.) und Vorlaufindikatoren der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für verschiedene Staaten (zum Beispiel China und die USA).
  • Regionale Indikatoren (82): Die letzte Gruppe umfasst Indikatoren verschiedenster Kategorien für Baden-Württemberg. Prominent sind die Befragungsdaten des ifo Instituts. Darüber hinaus finden sich, sofern vorhanden, Angaben zu Umsätzen, Auftragseingängen, Preisen sowie Außenhandelsdaten.

Die meisten Indikatoren liegen auf monatlicher Basis vor und wurden zunächst, falls nicht bereits durchgeführt, um saisonale Effekte bereinigt. Anschließend wurde ein einfacher Dreimonatsdurchschnitt gebildet, um vierteljährliche Daten zu generieren. Die wichtigste Voraussetzung für die Verwendung der Indikatoren ist die sogenannte schwache Stationarität. Eine Zeitreihe wird genau dann als schwach stationär bezeichnet, wenn deren Mittelwert über die Zeit konstant ist und die Kovarianz zwischen zwei Zeitpunkten nur von der Differenz der beiden Zeitpunkte abhängt (Kovarianzstationarität). Sofern die Originalzeitreihe diese Bedingung nicht erfüllt, musste eine Transformation dieser vorgenommen werden. Dabei wurden entweder erste Differenzen oder Wachstumsraten zum Vorquartal verwendet. Eine detaillierte Übersicht zu den verwendeten Transformationen findet sich in Lehmann und Wohlrabe.

Empirischer Ansatz

Die Fähigkeit der Indikatoren die Zielvariable - die Quartalswachstumsrate des BIP - zu prognostizieren, wird in der Literatur in sogenannten Pseudo-Out-Of-Sample-Wettbewerben (»Horse Races«) untersucht. Bei diesen wird der vorliegende Datensatz in einen Schätz- und Prognosezeitraum geteilt. Der Prognostiker geht virtuell in der Zeit zurück und nutzt zum Zeitpunkt t nur die Informationen für die Berechnung der Prognosen, die zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorlagen. Es ist das Ziel, möglichst viele Prognosen für verschiedene Prognosehorizonte zu berechnen, um auf Basis des durchschnittlichen quadratischen Prognosefehlers die Qualität eines Indikators zu beurteilen. Diese wird dann meist in Relation zu einem Benchmark-Modell gesetzt, meist ein autoregressives Modell. Robinzonov und Wohlrabe17 haben gezeigt, dass je nach Prognoserahmen, diese Evaluierung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Deshalb wird hier dem Standardverfahren in der neueren Literatur gefolgt. Als Prognosemodell liegt ein Autoregressive Distributed Lag Model (ADL) zu Grunde:

ADL

das heißt die Quartalswachstumsrate der Referenzreihe y wird durch die eigenen Lags und den Lags des Indikators (x) erklärt. Es sind maximal 4 Lags (ein Jahr) zugelassen, sowohl für die Referenzreihe als auch den Indikator (p = q = 4) . Die optimale Laganzahl wird über das BIC-Kriterium ermittelt. Die Prognosen werden direkt berechnet, das heißt die Regression wird je nach Prognosehorizont angepasst. Daraus folgt, dass die Prognose berechnet werden kann, ohne dass die Werte dazwischen prognostiziert werden müssen. Dies ist insbesondere vorteilhaft, da die Indikatoren für den Prognosezeitraum nicht separat prognostiziert werden müssen, was eine weitere Quelle für Prognosefehler sein könnte.

Die erste Schätzperiode reicht vom 1. Quartal 1996 bis zum 4. Quartal 2002 (28 Beobachtungen). Darauf aufbauend werden Prognosen von 1 bis 4 Quartale berechnet. Anschließend wird die Schätzperiode um eine Beobachtung erhöht, das Modell wird neu spezifiziert und anschließend neue Prognosen berechnet. Dies wird bis zum Ende des Beobachtungszeitraums fortgesetzt. Am Ende liegen für jeden Prognosehorizont 32 Prognosen vor.

Angesichts der vielen Prognosen zu jedem Zeitpunkt, stellt sich die Frage, ob eine Kombination der verschiedenen Prognosen deren Qualität noch verbessern könnte. In der Literatur (unter anderem Stock und Watson18 oder Timmermann19) wurde gezeigt, dass einfache Kombinationsansätze den Einzelmodellen oft überlegen sind. In diesem Aufsatz wird sich auf einfach verwendbare Ansätze zur Prognosekombination konzentriert. Die zwei einfachsten, und in der Literatur oft die besten, Ansätze sind zum einen der einfache Mittelwert der Prognosen der einzelnen Modelle und die Medianprognose. Darüber hinaus können zwei weitere Kategorien unterschieden werden: zum einen Ansätze, die auf der Anpassungsgüte des Modells (»In-Sample-Measures«) abstellen und zum anderen Modelle, die die Prognosequalität in der Vergangenheit zu Grunde legen (»Out-of-Sample-Measures«). Im Rahmen des ersten Ansatzes werden jeweils die Anpassungsgüte (R2) und die Selektionskriterien AIC und BIC verwendet. Je höher die Güte der Modelle, desto höher das individuelle Gewicht. In der zweiten Kategorie wird der gestutzte Mittelwert (»trimmed mean«) und die inversen quadrierten Prognosefehler verwendet. Im ersten Fall werden jeweils 25 %, 50 % oder 75 % der Prognosen mit höheren Prognosefehlern der Vorperiode weggelassen. Über die verbleibenden Prognosen wird der Mittelwert gebildet. Im zweiten Fall werden die Prognosen der einzelnen Modelle gemäß ihrem Prognosefehler in der Vergangenheit gewichtet, das heißt eine gute Prognosequalität impliziert ein höheres Gewicht. Für weitere Details sei auf Lehmann und Wohlrabe verwiesen.

Die Evaluierung der Prognosequalität erfolgt durch den mittleren quadratischen Prognosefehler. Ziel der Prognosemodelle ist es, das Benchmark-Modell, den AR-Prozess, in der Prognosegenauigkeit zu übertreffen. Im folgenden Abschnitt wird deshalb der relative mittlere quadratische Prognosefehler (rMSFE) dargestellt:

rMSFE

wobei MSFEi und MSFEAR jeweils den mittleren quadratischen Prognosefehler von Modell i und dem Benchmark-Modell darstellt. Ein Wert kleiner als 1 bedeutet, dass Modell i durchschnittlich eine bessere Prognosequalität besitzt und vice versa. Um festzustellen, ob die Verbesserung der Prognosegüte auch statistisch signifikant ist, wird eine modifizierte Variante des Diebold-Mariano-Tests (MDM) verwendet (siehe Lehmann und Wohlrabe).

Ergebnisse

Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse für Baden-Württemberg kompakt dargestellt. Die Tabelle enthält jeweils die fünf besten Indikatoren bzw. Kombinationsansätze für jeden einzelnen Prognosehorizont. Der Aufbau der Tabelle folgt einem einheitlichen Muster. Zunächst ist die Tabelle unterteilt in die vier Prognosehorizonte. Für jeden einzelnen Prognosehorizont sind in der ersten Spalte die Indikatoren bzw. Kombinationsansätze aufgeführt. Die jeweils zweite Spalte beinhaltet den relativen mittleren quadratischen Prognosefehler (rMSFE), welcher im vorhergehenden Abschnitt beschrieben wurde. In der dritten Spalte (MDM) wird aufgezeigt, ob der jeweilige Indikator oder Kombinationsansatz signifikant geringere Prognosefehler generiert als das Benchmark-Modell. Weitere Abkürzungen und Anmerkungen finden sich am Ende der Tabelle.

Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass einige Indikatoren und Kombinationsansätze signifikant geringere Prognosefehler generieren als der autoregressive Prozess. Dieses Ergebnis wird für alle Prognosehorizonte bestätigt.

Über die Prognosehorizonte hinweg zeigt sich die besondere Stellung regionaler und nationaler Indikatoren. Internationale Indikatoren sind auch vertreten, spielen aber eher in der kurzen Frist eine wichtige Rolle.

Kombinationsansätze verbessern signifikant die Treffsicherheit. Insbesondere Gewichte aus vergangenen Prognosefehlern (MSFE Gewichte) oder der »gestutze Mittelwert« (25 %) führen zu akkurateren Vorhersagen als der Benchmark-Prozess.

Interessant ist darüber hinaus der Blick in die Details. Die besten regionalen Indikatoren kommen dabei aus den Kategorien Befragungsdaten und makroökonomische Größen.

Unternehmensbefragungen werden vom ifo Institut sowie der Europäischen Union und Konsumentenbefragungen von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bereitgestellt. Beispielsweise verbessert der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft in Baden-Württemberg das Prognoseergebnis gegenüber dem Benchmark-Modell um knapp 35 %. Die guten Vorlaufeigenschaften des ifo Geschäftsklimas wurden bereits in mehreren Studien nachgewiesen (Abberger und Wohlrabe20 sowie Lehmann et al.21). Augenscheinlich trifft dies auch für die Wirtschaft in Baden-Württemberg zu. Als Indikator aus Konsumentenbefragungen dient die Preisentwicklung der letzten 12 Monate (rMSFE: 0,731).

Bei den makroökonomischen Größen liefern vor allem die Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg und die Auftragseingänge der Investitionsgüterproduzenten in Deutschland akkuratere Prognosen als das Benchmark-Modell. Diese beiden Ergebnisse sind zum einen mit der Stellung des Verarbeitenden Gewerbes im konjunkturellen Umfeld und zum anderen mit der Wirtschaftsstruktur in Baden-Württemberg erklärbar. Die Industrie wird in der wissenschaftlichen Literatur im Allgemeinen als so genannter »Zyklusmacher« der Konjunktur verstanden (Langmantel22 sowie Abberger und Nierhaus23). Somit ist es nicht überraschend, dass die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe die Prognose des BIP ermöglichen.

Neben dieser Feststellung ist zudem Baden-Württemberg eines der deutschen Bundesländer mit dem höchsten Wertschöpfungsanteil der Industrie. Annähernd 30 % der gesamten nominalen Bruttowertschöpfung werden in diesem Wirtschaftsbereich erzeugt. Neben dem Fahrzeugbau (zum Beispiel die Daimler AG), dem Maschinenbau sowie der Herstellung von Metallerzeugnissen sind zudem Firmen wie die Bosch Gruppe als hochinnovativer Investitionsgüterproduzent in Baden-Württemberg angesiedelt. Daher überrascht auch nicht, warum beispielsweise ein Vorlaufindikator für die Entwicklung in der Europäischen Union das Prognoseergebnis für Baden-Württemberg verbessert. Annähernd 50 % aller Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg werden im Ausland erzielt. Dabei sind die europäischen Länder, gefolgt von den Vereinigten Staaten von Amerika, wichtigster Handelspartner für die hiesigen Industriefirmen.

Fazit

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass die Vorhersage des BIP in Baden-Württemberg mit verschiedenen Indikatoren oder Kombinationsansätzen gegenüber einem einfachen Benchmark-Modell deutlich verbessert werden kann. Dies gilt für alle hier betrachteten Prognosehorizonte. Sowohl internationale und nationale aber vor allem regionale Indikatoren spielen dabei eine große Rolle. Sofern dem Prognostiker regionale Informationen zur Verfügung stehen, sollte er diese auch nutzen.

Mit dem hier vorgestellten Ansatz ist es möglich, die Prognosekraft auf regionaler Ebene zu erhöhen und damit die Unsicherheit bezüglich der weiteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu reduzieren. Dieses Ergebnis dürfte vor allem für regionale Entscheidungsträger von Wichtigkeit sein, da damit regionalpolitische Entscheidungen abschätzbarer sein dürften.

Dieser Beitrag wurde vom ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. zur Veröffentlichung im Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg 2/2013 bereitgestellt.

1 Vogt, G. (2009): Konjunkturprognose in Deutschland – Ein Beitrag zur Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf Bundes- und Länderebene. ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung Nr. 36, ifo Institut – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V., München 2009.

2 Schirwitz, B./Seiler, C./Wohlrabe, K. (2009): Regionale Konjunkturzyklen in Deutschland – Teil II: Die Zyklendatierung, in: ifo Schnelldienst Heft 14/2009, S. 24–31.

3 Kholodilin, K. A./Kooths, S./Siliverstovs, B. (2008): A Dynamic Panel Data Approach of the Forecasting of the GDP of the German Länder, in: Spatial Economic Analysis, 3 (2), S. 195–207.

4 Bandholz, H./Funke, M. (2003): Die Konstruktion und Schätzung eines Konjunkturfrühindikators für Hamburg, in: Wirtschaftsdienst, 83 (8), S. 540–548.

5 Dreger, C./Kholodilin, K. A. (2007): Prognosen der regionalen Konjunkturentwicklung, in: Quarterly Journal of Economic Research, 76 (4), S. 47–55.

6 Vullhorst, Udo: »Quartalsprognosen des Bruttoinlandsprodukts«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 12/2011«, S. 26–29.

7 Vogt, G. (2010): VAR-Prognose-Pooling: Ein Ansatz zur Verbesserung der Informationsgrundlage der ifo Dresden Konjunkturprognosen, in: ifo Dresden berichtet Heft 2/2010, S. 32–40.

8 Lehmann, R./Wohlrabe, K. (2012a): Die Prognose des Bruttoinlandsprodukts auf regionaler Ebene. In: ifo Schnelldienst Heft 21/2012, S. 17–23.

9 Lehmann, R./Wohlrabe, K. (2012b): Forecasting GDP at the regional level with many predictors. CESifo Working Paper No. 3956.

10 Wichtige Fachtermini sind im i-Punkt S. 35 erläutert.

11 Lehmann, R./Wohlrabe, K. (2012b): Forecasting GDP at the regional level with many predictors. CESifo Working Paper No. 3956.

12 Chow, G. C./Lin, A. (1971): Best linear unbiased interpolation, distribution and exploration of time series by related series, in: The Review of Economics and Statistics, 53 (4), S. 372–375.

13 Nierhaus, W. (2007): Vierteljährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen für Sachsen mit Hilfe temporaler Disaggregation, in: ifo Dresden berichtet Heft 4/2007, S. 24–36.

14 Vullhorst, Udo: »Zur indikatorgestützten Berechnung des vierteljährlichen Bruttoinlandsprodukts für Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2008«

15 Die Saisonbereinigung erfolgte konsistent zur Vorgehensweise des Statistischen Bundesamtes. Methodisch liegt der Saisonbereinigung das Verfahren Census X-12-ARIMA zugrunde.

16 Eine komplette Übersicht aller Indikatoren findet sich in Lehmann/Wohlrabe (2012b).

17 Robinzonov, N./Wohlrabe, K. (2010): Freedom of Choice in Macroeconomic Forecasting, in: CESifo Economic Studies, 56 (2), S. 192–220.

18 Stock, J./Watson M. (2006): Forecasting with many Predictors, in: Elliott, G./Granger, C. W. J./Timmermann, A. (Hrsg.): Handbook of Economic Forecasting, 1 (10), S. 515–554, Elsevier.

19 Timmermann, A. (2006): Forecast Combinations, in: Elliott, G./Granger, C. W. J./Timmermann, A. (Hrsg.): Handbook of Economic Forecasting, 1 (4), S. 135–196, Elsevier.

20 Abberger, K. / Wohlrabe, K. (2006): Einige Prognoseeigenschaften des ifo Geschäftsklimas – Ein Überblick über die neuere wissenschaftliche Literatur, in: ifo Schnelldienst Heft 22/2006, S. 19–26.

21 Lehmann, R. / Speich, W. D. / Straube, R. / Vogt, G. (2010): Funktioniert der ifo Konjunkturtest auch wirtschaftlichen Krisenzeiten? Eine Analyse der Zusammenhänge zwischen ifo Geschäftsklima und amtlichen Konjunkturdaten für Sachsen, in: ifo Dresden berichtet Heft 3/2010, S. 8–14.

22 Langmantel, E. (1999): Das ifo-Geschäftsklima als Indikator für die Prognose des Bruttoinlandsprodukts, in: ifo Schnelldienst Heft 16-17/1999, S. 16–21.

23 Abberger, K. / Nierhaus, W. (2008): Die ifo Kapazitätsauslastung – ein gleichlaufender Indikator der deutschen Industriekonjunktur, in: ifo Schnelldienst Heft 16/2008, S. 15–23.