:: 4/2019

Statistisches Monatsheft April 2019

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

noch bis zum Jahr 2035 könnte die Einwohnerzahl in Baden- Württemberg auf rund 11,37 Millionen ansteigen. So lautet die Prognose der sogenannten Hauptvariante unserer neuen Bevölkerungsvorausrechnung. Wie die demografische Entwicklung des Landes aussehen wird, hängt allerdings stark von Faktoren wie der Zuwanderung oder auch der künftigen Geburtenrate ab. Langfristig ist jedoch mit einem Alterungsprozess der Bevölkerung zu rechnen. Bis 2060 erwarten wir einen Anstieg des Durchschnittsalters im Südwesten um mehr als 4 Jahre. Heute liegt dieser bei 43,4 Jahren. Einen Überblick über die verschiedenen Vorausrechnungsvarianten erhalten Sie in unserem Titelbeitrag.

Auch hinsichtlich der künftigen Erwerbspersonenzahl im Südwesten rechnen wir, aus heutiger Sicht, bis 2025 mit einem voraussichtlichen Anstieg, so die Ergebnisse der aktuellen Erwerbspersonenvorausrechnung. Wie die künftige Entwicklung verlaufen wird, hängt im Wesentlichen von der Altersstruktur der Bevölkerung sowie der entsprechenden Erwerbsbeteiligung ab. Mehr dazu im Beitrag von Dr. Bernhard Hochstetter und Werner Brachat-Schwarz.

Ich wünsche Ihnen viele neue Erkenntnisse für Ihre Arbeit.

Dr. Carmina Brenner, Präsidentin

Zuwanderung schwächt künftigen Alterungsprozess der Bevölkerung ab

Das Statistische Landesamt legt Ergebnisse einer neuen Bevölkerungsvorausrechnung für Baden-Württemberg vor

Eine starke Zuwanderung vor allem aus Südosteuropa und der enorme Zustrom von Schutzsuchenden haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Einwohnerzahl Baden-Württembergs stetig angestiegen ist und im September 2017 erstmals seit Bestehen des Landes bei über 11 Mill. lag. Hierzu beigetragen hat aber auch die Geburtenhäufigkeit, also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau, die sich in den letzten Jahren überraschend deutlich erhöht hat, nachdem diese zuvor 4 Jahrzehnte lang auf einem sehr niedrigen Niveau lag.

Mit welcher demografischen Entwicklung ist künftig im Südwesten zu rechnen? Um diese abzuschätzen, wurde eine neue Bevölkerungsvorausrechnung für Baden-Württemberg auf Basis des 31.12.2017 erstellt. Der hierbei gewählte Ansatz sowie ausgewählte Ergebnisse werden in diesem Beitrag vorgestellt. Dabei soll insbesondere verdeutlicht werden, dass der Alterungsprozess der Gesellschaft – wie in früheren Vorausrechnungen prognostiziert – auch bei veränderten Rahmenbedingungen ablaufen wird. Konkret bedeutet das, dass auch eine stärkere Zuwanderung und eine gestiegene Geburtenrate den demografischen Wandel nicht aufhalten, sondern lediglich abmildern werden.

Ein Kind – zwei Eltern? Vielfalt von Elternschaft

Kultureller Wandel familialer Wirklichkeiten mit neuem Wissen und neuen Techniken der Reproduktion

Seit knapp 200 Jahren verändert sich die Wirklichkeit von Elternschaft durch Zäsuren des Wissens grundlegend. Zur neuen Normalität der Elternschaft gehören (1) die simultane und sequenzielle Pluralisierung der Elternschaft, (2) die Auflösung der biologischen Reproduktionstriade, bestehend aus zwei verschieden geschlechtlichen Paarungspartnern und deren Nachwuchs, durch die Anwendung der Reproduktionsmedizin und (3) das Auseinanderdriften von biologischer Reproduktionstriade und sozialer Elternschaft. Eltern beschränken sich in ihrer Stellung zueinander weder auf bestimmte natürliche Geschlechter noch auf eine bestimmte Anzahl, und sie sind nicht beliebig in der umfassenden Verantwortung für die Erziehung des Kindes.

Entwicklung der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg

5 Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab Vollendung des 1. Lebensjahres

Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter 3 Jahren wird bereits seit einigen Jahren auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindeebene forciert. Der im August 2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege für alle Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr trieb die Entwicklung erneut voran. Die Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik zeigen anhand steigender Zahlen der Einrichtungen, der betreuten Kinder, des Personals sowie der finanziellen Ausgaben, dass der Ausbau der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg verstärkt voranschreitet.

Rückgang der Erwerbspersonenzahl erst nach 2025 zu erwarten

Ergebnisse einer Erwerbspersonenvorausrechnung für Baden-Württemberg

»Selbst eine erhebliche Steigerung des inländischen Arbeitskräftepotenzials wird langfristig nicht genügen, um den Rückgang der Erwerbsbevölkerung aufzuhalten. Eine dauerhaft hohe Zuwanderung dürfte daher für die Sicherung des Wohlstands in Deutschland unverzichtbar sein«, so der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem jüngsten Jahresgutachten. Mit welcher Entwicklung ist diesbezüglich im Südwesten zu rechnen? Um dies abzuschätzen, wurde eine Vorausrechnung zur künftigen Erwerbspersonenzahl in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2050 durchgeführt.

Wesentliches Ergebnis dieser Vorausrechnung ist, dass die Zahl der Erwerbspersonen im Südwesten voraussichtlich noch bis 2025 ansteigen dürfte. Danach wird voraussichtlich ein kontinuierlicher Rückgang einsetzen. Ab dem Jahr 2032 wird – unter den getroffenen Annahmen – die Zahl der Erwerbspersonen niedriger sein als heute. Unterstellt in dieser »Verhaltensvariante« sind: eine nicht unerhebliche Zuwanderung, ein weiterer Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen über alle Altersgruppen, sowie bei Männern ab dem 60. Lebensjahr. Dagegen würde die Erwerbspersonenzahl unter der Annahme konstanter Erwerbsquoten bereits ab dem Jahr 2021 zurückgehen und schon im Jahr 2025 unter das derzeitige Niveau fallen.

Brexit? Großbritanniens Beziehungen zur EU, Deutschland und Baden-Württemberg

Der 23. Juni 2016 markierte eine Zäsur in der Geschichte der Europäischen Union (EU). In einem Referendum votierte eine knappe Mehrheit der Briten (51,9 %) für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche schon jetzt messbare Folgen sich aus einem Austritt für das globale Gewicht der EU und deren Wirtschaftsstruktur ergeben würden. Weiterhin werden die wirtschaftlichen Veränderungen in der Phase seit dem Referendum in Großbritannien sowie die Handelsbeziehungen Großbritanniens zu den Mitgliedstaaten der EU untersucht. Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland sowie Baden-Württemberg, die sich bereits im Vorfeld des Brexit seit dem Referendum vor fast 3 Jahren spürbar verändert haben.

100 Jahre Einkommensteuer

Eine bewegte Geschichte dargestellt mit der Lohn- und Einkommensteuerstatistik

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die bis heute bestehende Einkommen- und Körperschaftsteuer mit der Erzbergerschen Finanzreform aus den Jahren 1919/1920 eingeführt. Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, ein Zentrumspolitiker aus dem württembergischen Buttenhausen, schuf hiermit in kürzester Zeit eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die gesamte Weimarer Republik. Er wollte so die Steuereinnahmen des Reiches stark erhöhen, um die extreme Staatsverschuldung in der Folge des Ersten Weltkrieges zu reduzieren.

Die Grundsystematik der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist bis heute bestehen geblieben, auch wenn es in der Zwischenzeit zahlreiche Steuerrechtsänderungen gab. Der vorliegende Beitrag zeichnet die bewegte Geschichte anhand der Lohn- und Einkommensteuerstatistik in Baden-Württemberg nach und setzt sie in den Kontext der wichtigsten wirtschaftlichen, steuerrechtlichen und methodischen Einflüsse (i-Punkt »Hinweise zur Zeitreihe«). Dabei kann der Einfluss einzelner Entwicklungen auf die Ergebnisse nicht immer quantifiziert werden.

Im Blickpunkt: Die Stadt Göppingen

In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Göppingen im gleichnamigen Landkreis. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Göppingen, wie für jede andere Gemeinde des Landes, interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.