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Zur voraussichtlichen Entwicklung der Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen bis 2015

Neue Modellrechnung für die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs

Die Schülerzahlen an den allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg werden künftig zurückgehen. In den 44 Stadt- und Landkreisen des Landes wird diese Entwicklung aber nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung im Kinder- und Jugendlichenalter sehr divergierend verlaufen: An den Grundschulen wird der stärkste Rückgang der Schülerzahlen bis zum Schuljahr 2015/16 für die ländlich geprägten Landkreise Sigmaringen und Alb-Donau-Kreis sowie den mehr verdichteten Enzkreis erwartet; dagegen wird die Schülerzahl vor allem in Heidelberg und Baden-Baden deutlich schwächer absinken.

Die künftige Entwicklung der Schülerzahlen wird von einem erheblichen Rückgang an Hauptschulen sowie einem geringeren Minus an Realschulen und Gymnasien geprägt sein. Dabei werden die Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen insgesamt (Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien) voraussichtlich in den Landkreisen Rottweil, Sigmaringen, Waldshut sowie im Zollernalbkreis am stärksten absinken. Dagegen wird die Abnahme in den meisten Stadtkreisen und den stärker verdichteten Landkreisen – ähnlich wie bei den Grundschülern – aller Voraussicht nach schwächer ausfallen.

Gymnasien sind die meistbesuchte weiterführende Schulart

Im vergangenen Schuljahr 2006/07 wurden in Baden-Württemberg etwa 448 000 Kinder an den 2 552 öffentlichen und privaten Grundschulen unterrichtet. Eine der 1 226 Hauptschulen besuchten 183 000 Schülerinnen und Schüler; fast 245 000 Jugendliche gingen auf eine der 472 Realschulen und rund 333 000 auf eines der 436 Gymnasien des Landes.

Die Schülerzahl an den Grundschulen ist seit Beginn der 90er-Jahre noch kontinuierlich angestiegen bis auf einen relativen Höchststand im Jahr 1998 mit knapp 487 000 Schülerinnen und Schülern. Seither ist hier ein abnehmender Trend zu verzeichnen (Ausnahme: 2005/06). Die Entwicklung an den Hauptschulen verlief seit Beginn der 90er-Jahre in leichten Wellen: Bis zum Schuljahr 1996/97 (208 000 Schüler) nahm die Schülerzahl hier kontinuierlich zu, ging dann in den folgenden 2 Jahren aber leicht zurück, um bis 2002/03 wieder ununterbrochen bis auf knapp 216 000 anzusteigen. Seither haben die Schülerzahlen an den Hauptschulen von Jahr zu Jahr abgenommen.

Die Zahl der Realschüler ist im betrachteten Zeitraum jährlich gestiegen bis zu einem relativen Höchststand im Jahr 2004/05 von knapp 248 000. In den folgenden beiden Jahren verzeichneten die Realschulen nur noch 245 000 Schülerinnen und Schüler. Eindeutige Zuwächse können die Gymnasien verbuchen: ihre Schülerzahl ist seit Beginn der 90er-Jahre (231 000 Gymnasiasten) ohne Unterbrechung von Jahr zu Jahr angestiegen.

Ausgeprägte Entwicklungsunterschiede zwischen den Kreisen

Diese Entwicklung ist aber regional sehr unterschiedlich verlaufen. So gibt es immerhin noch 3 Stadt- und Landkreise, in denen die Schülerzahl an Grundschulen in den letzten 10 Jahren sogar angestiegen ist – in Freiburg im Breisgau um 6,1 %, im Landkreis Konstanz um 2,3 % und im Stadtkreis Karlsruhe um 0,5 % . Andererseits ist die Zahl der Grundschüler im Zollernalbkreis um gut 16 % zurückgegangen; auch im Main-Tauber-Kreis, im Neckar-Odenwald-Kreis und im Landkreis Heidenheim wurden jeweils 14 % weniger Grundschüler unterrichtet.

Auch an den weiterführenden Schulen sind regional erhebliche Unterschiede bei der Entwicklung der Schülerzahlen aufgetreten. An den Hauptschulen ist die Schülerzahl in Pforzheim, Ulm und im Hohenlohekreis in den letzten 10 Jahren um rund ein Viertel zurückgegangen; dagegen war das Minus in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Konstanz, im Bodenseekreis und im Rems-Murr-Kreis relativ moderat (−3 %).

Bei der Entwicklung an den Realschulen bilden Ulm und Pforzheim eine Ausnahme: Im Gegensatz zu allen anderen Stadt- und Landkreisen lag hier die Schülerzahl unter dem Wert von 1996 (−4 % bzw. −1 %). Die höchsten Zuwächse ergaben sich im Enzkreis (40 %) sowie im Hohenlohekreis (34 %) und im Landkreis Ravensburg (33 %). Der Anteil der Gymnasiasten an der Schülerschaft war in Heidelberg bereits vor 10 Jahren recht hoch. Dies erklärt den unterdurchschnittlichen Anstieg um knapp 14 % in diesem Zeitraum. Dagegen hat sich in diesen Jahren die Zahl der Gymnasiasten im Landkreis Calw um 44 % erhöht, auch der Landkreis Freudenstadt und der Alb-Donau-Kreis können mit rund 42 % einen weit überdurchschnittlichen Anstieg verbuchen. Starker Einfluss der Übergangsquoten auf die Schülerzahlen

Diese regional sehr differenzierte Entwicklung bei den weiterführenden Schulen ist neben der jeweiligen Altersstruktur in den Kreisen auch auf die unterschiedlichen Trends der Übergangsquoten zurückzuführen. Landesweit ist die Übergangsquote von der Grundschule auf die Hauptschule von 1996 bis 2006 von 36,0 % auf 27,7 % abgesunken. Die Quote für die Übergänge auf die Realschule ist dagegen von 30,2 % auf 32,9 % und die Gymnasialquote sogar von 32,0 % auf 38,2 % angestiegen.

In allen 44 Stadt- und Landkreisen ist der Anteil der Übergänge auf die Hauptschulen im Betrachtungszeitraum zurückgegangen – am geringsten im Landkreis Reutlingen und in Heidelberg. Dennoch weist Heidelberg immer noch den niedrigsten Wert auf (14 %). Die größte Veränderung gab es im Hohenlohekreis: Hier sank die Hauptschulübergangsquote um immerhin 12,5 Prozentpunkte gegenüber dem Wert von 1996. Damals war sie mit 41,6 % noch eine der höchsten im Land.

Entgegen dem Landestrend lag 2006 die Quote der Übergänge auf die Realschule in zwei Kreisen – Freiburg im Breisgau und Heidenheim – unter dem vor 10 Jahren verzeichneten Wert. Der höchste Zuwachs um mehr als 8 Prozentpunkte auf 42,1 % trat im Hohenlohekreis auf. Dieser Kreis konnte landesweit die zweithöchste Übergangsquote auf Realschulen (nach dem Main-Tauber-Kreis) verbuchen. Bei den Übergängen auf das Gymnasium wies Heidelberg mit einem Plus von knapp 11 Prozentpunkten die höchste Steigerung auf. Der aktuelle Anteil von knapp 58 % liegt um 5 Prozentpunkte höher als beim Zweitplatzierten Baden-Baden.

Mit welcher weiteren Entwicklung der Schülerzahlen ist zu rechnen? Hierzu sind Annahmen zur künftigen Entwicklung der Kinder- und Jugendlichenzahlen – sowie bei den weiterführenden Schulen – zur Verteilung der Schüler auf die einzelnen Schularten erforderlich (vgl. i-Punkt).

Grundschüler: Stärkster Rückgang in ländlich geprägten Kreisen

Unter den gemachten Annahmen wird die Zahl der Schüler an Grundschulen vom Schuljahr 2006/07 bis zum Schuljahr 2015/16 in allen der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs stetig zurückgehen – bei allerdings deutlichen regionalen Unterschieden: Der stärkste Rückgang mit einem Minus von bis zu 25 % wird für die ländlich geprägten Landkreise Sigmaringen und Alb-Donau- Kreis sowie den mehr verdichteten Enzkreis erwartet; dagegen wird die Schülerzahl vor allem in Heidelberg und Baden-Baden deutlich schwächer absinken.

Auffällig ist damit, dass der Rückgang der (Grund-)Schülerzahl aller Voraussicht nach vor allem in denjenigen Kreisen dynamischer ablaufen wird, in denen die Bevölkerung heute noch relativ jung ist.1 Dies gilt insbesondere für den Landkreis Sigmaringen und den Alb-Donau-Kreis. In den Kreisen mit einer heute noch verhältnismäßig jungen Bevölkerung »wachsen« nämlich überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche aus dem Schulalter heraus. Das bedeutet, dass damit gerade diejenigen Kreise, die derzeit noch eine relativ günstige Altersstruktur aufweisen, vor relativ großen Herausforderungen im Hinblick auf die Anpassung ihrer Infrastruktur stehen werden.

Erheblicher Rückgang der Schülerzahlen an Hauptschulen

Diese regional unterschiedliche Altersstruktur spiegelt sich auch bei der Entwicklung der Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen2 wider: Die Zahl der Schüler an Haupt- und Realschulen sowie an Gymnasien insgesamt wird in Baden-Baden sowie in Freiburg im Breisgau bis zum Schuljahr 2015/16 voraussichtlich »nur« um knapp 4 % bzw. gut 5 % zurückgehen; im Zollernalbkreis sowie in den Landkreisen Rottweil und Sigmaringen sind es dagegen immerhin 22 %.

Aufgrund des unterstellten Übergangsverhaltens – insbesondere wegen der im Vergleich zu den Vorjahren niedrigeren Übergangsquote auf Hauptschulen und der entsprechend höheren auf Gymnasien3 – wird die Entwicklung in den einzelnen Schularten aber unterschiedlich verlaufen.

  • Die Zahl der Schüler an Hauptschulen wird in den nächsten Jahren stetig zurückgehen. Landesweit werden im Schuljahr 2015/16 voraussichtlich 25 % weniger Schüler öffentliche und private Hauptschulen besuchen als noch im Schuljahr 2006/07. In den Landkreisen Rottweil und Sigmaringen sowie im Zollernalb- und Enzkreis wird das Minus sogar 31 % bzw. 30 % betragen, in Baden-Baden und in Freiburg im Breisgau dagegen »nur« 14 % bzw. 15 %.
  • Die Zahl der Schüler an Realschulen wird zwar landesweit auch kontinuierlich zurückgehen, der Rückgang wird voraussichtlich aber deutlich schwächer als an den Hauptschulen ausfallen: Die stärkste Abnahme wurde wiederum für den Zollernalbkreis sowie die Landkreise Sigmaringen und Rottweil ermittelt (−17 %); dagegen könnte die Schülerzahl in Baden-Baden und Freiburg im Breisgau bis 2015/16 sogar geringfügig ansteigen.
  • Die voraussichtliche Entwicklung an den Gymnasien ist differenzierter zu betrachten: Bis zum Schuljahr 2009/10 wird die Zahl der Schüler in den meisten Stadt- und Landkreisen sogar noch etwas ansteigen, um erst danach zurückzugehen; im Schuljahr 2011/12 wird die Zahl der Gymnasiasten landesweit aber immer noch über dem derzeitigen Niveau liegen. Mit dem Ausscheiden des doppelten Abiturientenjahrgangs des letzten 9-jährigen und des ersten flächendeckenden 8-jährigen Gymnasialzugs im Sommer 2012 wird sich die Schülerzahl dann aber abrupt um einen Jahrgang verringern. Nach dem Jahr 2012 wird sich demografisch bedingt der Rückgang der Schülerzahlen an den Gymnasien beschleunigen. Die Spannweite für den Rückgang im Gesamtzeitraum 2006 bis 2015 wird von »nur« −3 % in Baden-Baden bis −20 % im Zollernalbkreis sowie in den Landkreisen Sigmaringen und Rottweil reichen.

Vorausrechnungen sind keine Vorhersagen!

Bei der Bewertung der vorgelegten Ergebnisse ist grundsätzlich zu bedenken, dass diese mit Unschärfen behaftet sind: Zum einen basieren die vorgelegten Berechnungen zur regionalen Entwicklung der Schülerzahlen auf kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnungen und diese sind – zumindest nach dem Verständnis der amtlichen Statistik – keine Vorhersagen. Vielmehr werden »nur« die Entwicklungen der Kinder- und Jugendlichenzahlen aufgezeigt, welche zu erwarten sind, wenn vor allem die unterstellten Wanderungen sowie das Geburtenverhalten tatsächlich eintreffen würden.

Zum anderen konnte die Entwicklung der Schülerzahlen nach Schularten nur relativ pauschal mit Hilfe von sogenannten »Schülerquoten« (vgl. i-Punkt) ermittelt werden, die damit nur implizit das regional unterschiedliche Übergangsverhalten auf weiterführende Schulen abbilden.4

Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse nicht dahingehend interpretiert werden können, wie sich die Schülerzahlen am Wohnort entwickeln werden. Vielmehr sind diese aufgrund des gewählten Ansatzes schulortbezogen. Das bedeutet, dass die Ergebnisse (nur) Hinweise auf die Frage geben können, wie sich beispielsweise die Zahl der Schüler an Realschulen im Landkreis Konstanz entwickeln wird. Die Frage, wie viele Kinder und Jugendliche, die im Landkreis Konstanz wohnen, künftig Realschulen besuchen werden, kann dagegen nicht beantwortet werden. Es geht also bei den vorgelegten Ergebnissen nicht um Aussagen zum regionalen Schulwahlverhalten bzw. zur »Bildungsneigung«. Vielmehr dienen die Daten dazu, Informationen zur Entwicklung der Schülerzahlen im Hinblick auf die Auslastung der örtlichen Schulinfrastruktur bereitzustellen.5 Alles in allem haben damit die durchgeführten Berechnungen den Charakter von Modellrechnungen.

Die Ergebnisse dieser Modellrechnung sind für jeden der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs verfügbar. Diese Tabelle enthält die Ergebnisse für jedes einzelne Vorausrechnungsjahr, jeweils getrennt nach Schularten.

1 Neben der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung haben selbstverständlich vor allem auch die in der regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung getroffenen kleinräumigen Annahmen zum Umfang der Wanderungsgewinne bzw. -verluste Auswirkungen auf die Entwicklung der Schülerzahlen in den Kreisen.

2 Aufgrund der relativ geringen Schülerzahlen bleiben die Freien Waldorfschulen, die Schulen besonderer Art sowie die Sonderschulen unberücksichtigt.

3 Wolf, Rainer: »Vorausrechnung der Schüler- und Schulabgängerzahlen bis 2025«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2007«

4 Dabei ist außerdem zu bedenken, dass die beruflichen Gymnasien nicht berücksichtigt wurden, was regional von großer Bedeutung sein kann.

5 Damit implizieren die Ergebnisse, dass die Entwicklung der Bevölkerungs- und Schülerzahlen innerhalb eines Verflechtungsbereichs – beispielsweise zwischen einem Stadtkreis und den benachbarten Landkreisen – ähnlich verlaufen wird.