:: 12/2008

Was heißt hier »alt«?

Zur Entwicklung des Durchschnittsalters in Baden-Württemberg

Die zunehmende Alterung der Bevölkerung hat Einfluss auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Ein Indikator zur Beurteilung der Alterung ist das Durchschnittsalter. Im Bundesländervergleich hat Baden-Württemberg 2007 mit im Durchschnitt 42,0 Jahren immer noch die jüngste Bevölkerung. Im »ältesten« Bundesland Sachsen-Anhalt ist die Bevölkerung heute im Durchschnitt 45,5 Jahre alt. Für Baden-Württemberg werden im Folgenden Gründe und Einflüsse auf die Alterung sowie regionale Unterschiede des Durchschnittsalters in den Kreisen und Gemeinden untersucht.

Mit 42 Jahren sind die Baden-Württemberger noch relativ jung

Im Jahr 2007 waren die Baden-Württemberger durchschnittlich 42 Jahre alt. Die Männer waren mit 40,7 Jahren etwas jünger als die Frauen mit 43,2 Jahren. Das liegt unter anderem an der höheren Lebenserwartung der Frauen, aber auch daran, dass in den hohen Altersgruppen Männer infolge des Zweiten Weltkrieges deutlich schwächer vertreten sind als Frauen. Seit Mitte der 90er-Jahre stieg das Durchschnittsalter jährlich um ca. 0,2 Jahre an. Bis zum Jahr 2025 wird es sich voraussichtlich auf knapp 46 Jahre erhöhen (Männer 45 Jahre, Frauen 47 Jahre). Mit im Durchschnitt 42,2 Jahren sind im Jahr 2007 die Bayern und die Hamburger ebenfalls relativ jung. Die ältesten Einwohner in Deutschland haben mit über 45 Jahren die ostdeutschen Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt.

BundesländerDurchschnittsalter 2007
Baden-Württemberg42,0
Bayern42,2
Hamburg42,2
Berlin42,6
Nordrhein-Westfalen42,6
Hessen42,7
Niedersachsen42,7
Deutschland42,9
Rheinland-Pfalz42,9
Schleswig-Holstein43,1
Bremen43,5
Mecklenburg-Vorpommern44,2
Saarland44,4
Brandenburg44,5
Thüringen44,9
Sachsen45,4
Sachsen-Anhalt45,5

Deutschland altert bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts. Das zeigt sich an der Entwicklung des Durchschnittsalters, aber auch an der Veränderung der Altersstruktur. Verringern sich – verkürzt gesagt – die Anteile der unter 20-Jährigen und/oder steigen die Anteile der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung, erhöht sich das Durchschnittsalter. Dieser Prozess gewinnt an Dynamik, wenn die sogenannten »Babyboomer« (die geburtenstarken Jahrgänge Ende der 50er- und der 60er-Jahre) ab 2020 in das Rentenalter hineinwachsen.

Sinkende Geburtenhäufigkeit und steigende Lebenserwartung beeinflussen die Alterung

Mehrere Aspekte haben Einfluss auf den Alterungsprozess einer Region. Der Anteil der jungen Menschen wird, zum Beispiel durch die Geburtenhäufigkeit beeinflusst, das heißt die durchschnittliche Kinderzahl je Frau. In Baden-Württemberg liegt diese derzeit bei knapp 1,4 Kindern je Frau. Um die Elterngeneration in derselben Höhe vollständig zu ersetzen, wären jedoch 2,1 Kinder je Frau erforderlich. Dieses Niveau wird in Deutschland und in Baden-Württemberg schon seit den 70er-Jahren nicht mehr erreicht. Daraus folgt, dass die Anzahl der Menschen der nachfolgenden Generation immer geringer ist als die ihrer Vorgängergeneration. So nimmt der Anteil der jungen Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig ab. Man spricht von der sogenannten Alterung »von unten«.

Im Gegenzug wird der Anteil älterer Menschen immer größer (Alterung »von oben«). Ein Grund hierfür liegt in der stetig steigenden Lebenserwartung oder anders ausgedrückt, weil immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen. In den 70er-Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines in Baden-Württemberg neugeborenen Jungen bei 69 Jahren und eines Mädchens bei 75 Jahren. Heute erreichen Jungen ein Alter von 78 Jahren und Mädchen von 83 Jahren. Gründe hierfür liegen in der weiter gesunkenen Säuglings- und Kindersterblichkeit, den veränderten Lebensbedingungen, in einem bewussteren Lebenswandel (Ernährungsverhalten, größeres Gesundheitsbewusstsein) und in einer besseren gesundheitlichen Vorsorge und medizinischen Versorgung. Daher sind die heutigen Rentner gesünder und länger »fit« als frühere Rentnergenerationen. Aus der Gerontologie weiß man, dass ein 65-Jähriger von heute den Gesundheitszustand eines 58-Jährigen von vor 30 Jahren aufweist.1

Einfluss historischer Ereignisse

Der Anteil einzelner Generationen an der Gesamtbevölkerung kann aber auch durch historische Ereignisse beeinflusst werden. So ist die frühere und zum Teil auch noch die heutige Rentnergeneration in ihrer Anzahl durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges dezimiert. Besonders die Zahl unserer heutigen »Uropas« – also der eher hochbetagten Männer – ist durch die zahlreichen Kriegstoten geringer. Infolge des Krieges gibt es aber heute auch weniger ca. 65-jährige »Omas« und »Opas«, denn in den letzten Kriegsjahren wurden – wie in allen Krisenzeiten – weniger Kinder geboren als in »normalen« Zeiten. In den Nachkriegsjahren wurden die »ausgebliebenen« Geburten dann zum Teil nachgeholt. Einen regelrechten Babyboom gab es in den 60er-Jahren, sodass diese Generation zahlenmäßig wesentlich größer ist als ihre Vorgängergenerationen. Wenn diese »Babyboomer« ab ca. 2020 bis 2030 in das Rentenalter hineinwachsen, wird es einen dynamischen Anstieg des Durchschnittsalters geben. Damit stellen sich für unsere Gesellschaft neue Herausforderungen.2 Die Bereitstellung entsprechender altersgerechter Infrastruktureinrichtungen, Hilfe- und Pflegeleistungen etc. sollte bereits heute Eingang in die Planungen für die kommenden Jahre finden.3

Zuzüge junger Leute wirkten dämpfend auf das Durchschnittsalter in Baden-Württemberg

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt, der die Alterung beeinflusst, ist die Migration. Wanderungsbewegungen bzw. Fortzüge junger Menschen – zum Beispiel zum Ausbildungs- oder Studienort oder berufsbedingt zur ersten Arbeitsstätte – tragen zu einer Verjüngung des Zielgebietes bei und lassen gleichzeitig das Herkunftsgebiet schneller altern. Außerdem fehlen diese jungen Menschen in ihrem Herkunftsgebiet, um dort Familien zu gründen.

Zum Beispiel hat sich 1990 die Einwohnerzahl von Mecklenburg-Vorpommern allein durch Wanderungsverluste um rund 42 000 Menschen verringert. Bis heute muss das ostdeutsche Bundesland jedes Jahr mit Wanderungsverlusten kämpfen; insgesamt sank die Einwohnerzahl von 1990 bis 2007 um fast 13 %. Die Zahl der Lebendgeborenen hat sich dort Mitte der 90er-Jahre im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert. So haben auch die hohen Abwanderungen (besonders junger Frauen) Anfang der 90er-Jahre zu einer dynamischen Erhöhung des Durchschnittsalters in Mecklenburg-Vorpommern von 35,8 Jahren (1990) auf 38,3 Jahre (1995) und 44,2 Jahre (2007) geführt. Mit Blick auf die Altersgliederung ergaben sich gravierende Veränderungen: Der Anteil der unter 35-Jährigen beträgt heute nur noch rund 34 % im Vergleich zu 52 % im Jahr 1990, der Anteil der über 60-Jährigen hat sich dagegen von 16 auf 26 % erhöht.4

Die Alterung in Baden-Württemberg wurde im Gegenzug durch den Zuzug junger Menschen gedämpft, aber nicht verhindert. 1990 lag das Durchschnittsalter in Baden-Württemberg bei 38,8 Jahren. Bis 2007 hat es sich um 3,2 Jahre auf 42 Jahre erhöht. Im Saldo sind 1990 ca. 182 000 Menschen nach Baden-Württemberg gezogen, davon waren 72 % unter 35 Jahre alt. Der Wanderungssaldo insgesamt war bis 2007 jedes Jahr positiv. Es zeigt sich in Baden-Württemberg, dass die Anteile der unter 35-Jährigen an der Gesamtbevölkerung trotzdem von 47,6 % (1990) auf 38,6 % (2007) abgenommen haben und die Anteile der über 60-Jährigen von 19,5 % (1990) auf 23,8 % (2007) angestiegen sind, wenn auch nicht so stark wie in Mecklenburg-Vorpommern.

Welche regionalen Unterschiede gibt es bezüglich der Alterung?

Betrachtet man die Entwicklung des Durchschnittsalters im Lande auf regionaler Ebene, kann man deutliche Unterschiede feststellen. So sind 2007 die Einwohner des ältesten Kreises Baden-Baden (SKR) mit 46,7 Jahren im Durchschnitt 6,6 Jahre älter als die Einwohner des jüngsten Kreises Tübingen (LKR) mit 40,1 Jahren. Allerdings hat in Baden-Baden – wie in den anderen 8 Stadtkreisen des Landes auch – das Durchschnittsalter der Bevölkerung seit Mitte der 90er-Jahre nur noch unterdurchschnittlich zugenommen: Zurückzuführen ist dies auf sogenannte Basiseffekte – das heißt die Bevölkerung hatte dort bereits in der Vergangenheit einen relativ hohen Altersdurchschnitt. Hinzu kommt, dass sich vor allem in den Universitätsstädten der Zuzug junger Menschen auf den Alterungsprozess »dämpfend« ausgewirkt hat und weiterhin auswirken wird. Dagegen ist das Durchschnittsalter insbesondere in ländlich geprägten Landkreisen mit einer noch jungen Bevölkerung (zum Beispiel Landkreis Sigmaringen) überdurchschnittlich angestiegen. Die Altersunterschiede der Bevölkerung zwischen den Kreisen haben sich somit in den letzten Jahren stetig verringert. 1990 lagen 8,6 Jahre zwischen dem ältesten und jüngsten Kreis, 2007 waren es nur noch 6,6 Jahre und im Jahre 2025 wird sich voraussichtlich das Durchschnittsalter nur noch um 4,6 Jahre zwischen dem ältesten und jüngsten Kreis unterscheiden.5

Angleichung des Durchschnittsalters in großen und kleinen Gemeinden

Eine ähnliche Tendenz der Angleichung des Durchschnittsalters kann man feststellen, wenn man die Gemeinden nach ihren Größenklassen, das heißt sortiert nach ihrer Einwohnerzahl am 31. Dezember 2007, betrachtet. 1990 war die Bevölkerung in den kleinen Kommunen mit weniger als 2 000 Einwohnern im Durchschnitt 37,1 Jahre alt, in den großen Städten mit mehr als 250 000 Einwohnern schon 40,8 Jahre. Tendenziell gilt: je größer desto »älter«. Auch im Jahr 2007 hatten die kleinen Gemeinden mit nun im Durchschnitt 40,8 Jahren die jüngsten Einwohner. Der Altersabstand zu den großen Städten hat sich aber auf 1,7 Jahre verkürzt. Im Jahr 2025 werden die Kommunen der kleinsten und der größten Größenklasse aus heutiger Sicht mit ca. 45,1 Jahren nahezu gleich alt sein. Die im Größenklassenvergleich älteste Bevölkerung mit ungefähr 46 Jahren werden dann voraussichtlich Städte mit 10 000 bis unter 50 000 Einwohnern stellen.

Die Jüngsten und die Ältesten

Betrachtet man die 1 109 Gemeinden6 des Landes einzeln, zeigen sich beim aktuellen Durchschnittsalter noch größere Unterschiede. Immerhin 4 ausschließlich kleinere Kommunen weisen ein Durchschnittsalter auf, das unter 36 Jahren liegt. Die Gemeinde Fleischwangen im Landkreis Ravensburg hat mit nur 35 Jahren die jüngste Bevölkerung des Landes; es folgen Wörnersberg im Landkreis Freudenstadt (35,2 Jahre), Riedhausen im Landkreis Ravensburg (35,4 Jahre) sowie Boms, ebenfalls im Landkreis Ravensburg (35,9 Jahre). Auf der anderen Seite wird das hohe Durchschnittsalter der Stadt Baden-Baden noch von 6 Gemeinden übertroffen. Von der Ex- bzw. Enklave Büsingen am Hochrhein mit 48,3 Jahren (Landkreis Konstanz), von den vom Kurbetrieb geprägten Kommunen Bad Dürrheim mit 47,6 Jahren (Schwarzwald-Baar-Kreis), Bad Herrenalb mit ebenfalls 47,6 Jahren (Landkreis Calw) und Badenweiler mit 48,4 Jahren (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) sowie Untermarchtal mit 48,9 Jahren (Alb-Donau-Kreis); das Ergebnis für Untermarchtal wird sicherlich entscheidend von den dort ansässigen Klosterbewohnern geprägt. Die älteste Bevölkerung im Land hat der Erholungsort Bürchau im Landkreis Lörrach mit im Schnitt 49,7 Jahren.

Die Gründe für das regional sehr unterschiedliche Durchschnittsalter der Bevölkerung sind vielfältig. Neben den bereits genannten Sondereinflüssen wie ein hoher Studentenanteil, der Sitz eines Klosters oder die Prägung einer Kommune durch einen Kurbetrieb, wird die Altersstruktur der Bevölkerung insbesondere durch die Höhe der Geburtenrate bestimmt, aber auch dadurch, ob viele Familien mit Kindern zu- oder weggezogen sind.

Einen Eindruck über die Höhe des Durchschnittsalters 2007 in den Gemeinden liefert Schaubild 2. Es zeigt: jüngere Gemeinden liegen eher in den ländlich geprägten Gebieten, zum Beispiel in den Landkreisen Biberach, Sigmaringen, Ravensburg oder im Alb-Donau-Kreis. In Schaubild 3 sieht man, dass diese Gegenden bis 2025 stärker bzw. schneller altern werden, als jene Gemeinden, die heute schon ein relativ hohes Durchschnittsalter haben. Das Durchschnittsalter 2007 betrug im Ländlichen Raum 41,6 Jahre, in den Verdichtungsräumen 42,2 Jahre. Voraussichtlich werden 2025 der Ländliche Raum und die Verdichtungsräume mit ca. 45,8 Jahren ungefähr gleich alt sein.