:: 1/2008

20 Jahre Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg (Teil IV)

Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor Baden-Württembergs in den letzten 20 Jahren von 51 auf 65 % gestiegen

Wie in den Monatsheft-Ausgaben 10/2007, 11/2007 und 12/2007 berichtet, hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in Baden-Württemberg in den letzten 20 Jahren um 900 000 auf 5,4 Mill. erhöht1. Dabei konnten die Landkreise eine positivere Arbeitsplatzbilanz vorweisen als die Stadtkreise. Im landesweiten Vergleich stehen insbesondere jene Kreise an der Spitze, die einen starken Zuwachs an Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor und gleichzeitig eine günstige Arbeitsplatzentwicklung in der Industrie aufweisen können. Im letzten Teil der Monatsheft-Reihe steht die Frage im Mittelpunkt, in welchen Wirtschaftssektoren die Erwerbstätigen arbeiten und wie weit der Strukturwandel in den Stadt- und Landkreisen während der letzten 20 Jahre fortgeschritten ist.

Die Landkreise konnten in den letzten 20 Jahren eine günstigere Arbeitsplatzbilanz vorweisen als die Stadtkreise. Per saldo entstanden in den Landkreisen Baden-Württembergs in den letzten 20 Jahren rund 787 000 Arbeitsplätze, in den Stadtkreisen waren es rund 126 000. Es waren die Dienstleister und die Industrie gemeinsam, die zu der vergleichsweise günstigen Erwerbstätigenentwicklung in den Landkreisen beitrugen. Im Zeitraum 1985 bis 2005 nahm in den Landkreisen Baden-Württembergs die Zahl der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor mit einem Plus von 944 000 bzw. 66 % weit stärker zu als in den Stadtkreisen (+282 000 bzw. +34 %). Gleichzeitig gingen in den Stadt- bzw. Landkreisen rund 156 000 bzw. 157 000 Arbeitsplätze in der Industrie und in der Land- und Forstwirtschaft verloren. Dies entspricht einem Rückgang in den Landkreisen um 9 und in den Stadtkreisen um 33 %.

Immer mehr Industriearbeitsplätze in den Landkreisen

Unter den Faktoren, die für die positive Erwerbstätigenentwicklung in den Landkreisen innerhalb der letzten 20 Jahre ausschlaggebend waren, dürfte der im internationalen Wettbewerb zunehmende Kostendruck eine wesentliche Rolle gespielt haben. Dieser hat im Laufe der Jahre zahlreiche Industrieunternehmen dazu veranlasst, mit Übergang auf die »just-in-time«-Produktion ihre Standorte vermehrt aus stark verdichteten Stadt- und Landkreisen an Standorte mit günstigeren Bedingungen zu verlegen bzw. ihre Unternehmen dort zu gründen. Als günstige Rahmenbedingungen sind dort unter anderem eine bessere Verkehrsanbindung und niedrigere Grundstücks- bzw. Mietpreise zu nennen. So sank beispielsweise die Zahl der Erwerbstätigen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten im Industriesektor des Stadtkreises Heilbronn um fast 7 000 bzw. 22 %, während im umliegenden Landkreis Heilbronn eine Zunahme um 14 000 bzw. 27 % zu verzeichnen war. Im Stadtkreis Ulm ging die Zahl der Industriearbeitsplätze um 11 000 bzw. 32 % zurück, im benachbarten Landkreis Biberach und im Alb-Donau-Kreis stieg die Zahl der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe um 7 000 bzw. 2 000 (+24 bzw. +7 %). Einiges spricht dafür, dass die Landkreise – zusätzlich begünstigt durch die Tendenz zum Outsourcing – nach der vermehrten Ansiedlung der Industrieunternehmen auch von der stärkeren Präsenz an Dienstleistungsunternehmen profitiert haben. Zu den Dienstleistungsbranchen, die ihren Personalbestand am stärksten erhöht haben, gehören die sogenannten unternehmensnahen Dienstleister wie Steuer-, Wirtschafts-, Rechtsberatungsunternehmen, aber auch Softwareanbieter, Ingenieurbüros, die Werbebranche, Zeitarbeitsfirmen und Dienstleister im Bereich der Forschung und Entwicklung.

Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor in allen Kreisen gestiegen

In den letzten 20 Jahren konnten besonders die Kreise eine günstige Arbeitsplatzbilanz vorweisen, in denen derzeit und am Landesdurchschnitt gemessen ein geringerer Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor tätig ist. In 15 der 23 Stadt- und Landkreise, die eine im Landesvergleich überdurchschnittlich positive Erwerbstätigenentwicklung aufwiesen, lag der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich im Jahr 2005 noch unterhalb des Landeswerts von 65 %. Dort ist der Strukturwandel, der sich als Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft äußert, noch nicht so stark fortgeschritten wie in den Stadtkreisen, in denen der Dienstleistungsanteil der Erwerbstätigen im Jahr 2005 bereits zwischen 70 und 86 % betrug. Im Enzkreis und im Landkreis Heilbronn, die landesweit die günstigste Erwerbstätigenentwicklung zeigten, betrug der Dienstleistungsanteil der Erwerbstätigen lediglich 48 bzw. 51 %. In diesen beiden Kreisen zählen die Metallerzeugung und der Maschinenbau bzw. der Fahrzeugbau mit deutlichem Abstand zu den Top-Branchen der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer. Eine Ausnahme bildet der Rhein-Neckar-Kreis mit einem überdurchschnittlich hohen Dienstleistungsanteil von 68 %. Dort dominieren die Dienstleistungsbranchen »Datenverarbeitung und Datenbanken« und das Gesundheitswesen, erst an dritter Stelle folgt der Maschinenbau. Im Zeitraum 1985 bis 2005 zeigen allerdings alle Stadt- und Landkreise eine zunehmende Bedeutung der Dienstleistungsunternehmen als Arbeitgeber, während ein immer geringerer Anteil der Erwerbstätigen in der Industrie und in der Land- und Forstwirtschaft tätig ist. Im Jahr 2005 arbeiteten im Stadtkreis Freiburg im Breisgau mit einem Anteil von 86 % landesweit die meisten Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor, im Landkreis Tuttlingen waren es mit einem Anteil von 46 % landesweit am wenigsten.